Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei [1977]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 19. Mai 2014
Genre: AnimationOriginaltitel: The Rescuers
Laufzeit: 78 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1977
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: John Lounsbery, Wolfgang Reitherman, Art Stevens
Musik: Artie Butler
Stimmen: Bob Newhart (Gerd Duwner), Eva Gabor (Gisela Fritsch), Robie Lester (Wencke Myhre), Michelle Stacy (Andrea Pawlowski), Jim Jordan (Harald Juhnke), Geraldine Page (Beate Hasenau), Joe Flynn (Peter Schiff), Pat Buttram (Klaus Miedel), Jeanette Nolan (Inge Wolffberg), John McIntire (Arnold Marquis), Jim Macdonald
Kurzinhalt:
Als die Rettungshilfsvereinigung, ein Verbund von Mäusen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, anderen in Not zu helfen, von einer Flaschenpost erfährt, deren Verfasserin Penny (Michelle Stacy / Andrea Pawlowski) um Hilfe ruft, meldet sich das Mitglied Bianca (Eva Gabor / Gisela Fritsch) freiwillig für den Einsatz. Sie bittet darum, dass Bernard (Bob Newhart / Gerd Duwner) sie begleitet, da niemand weiß, was sie erwartet. Aus dem Brief lässt sich nicht viel herauslesen, außer dass die junge Penny wohl aus einem Waisenhaus stammt.
Dort treffen Bernard und Bianca auf den Kater Rufus (John McIntire / Arnold Marquis), der sie auf die Spur der finsteren Madame Medusa (Geraldine Page / Beate Hasenau) bringt. Als die am Telefon davon spricht, dass Penny in den Teufelssümpfen sein soll, buchen die Mäusepolizisten einen Flug bei Orville (Jim Jordan / Harald Juhnke), um Penny zu retten ...
Kritik:
Würde man es nicht an den Figuren sehen, man könnte kaum glauben, dass sich hinter Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei ein Walt Disney-Film verbirgt. Dabei atmet er eben jenen Geist, den dessen Werke immer ausgemacht haben. Wie schon in Das Dschungelbuch [1967] stehen sowohl Tiere, als auch Menschen im Mittelpunkt der Geschichte und wie so oft bei seinen Filmen im Zentrum ein Kind, das auf der Suche nach einer Familie gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Dass der Film handwerklich nicht nur eine ganz eigene Handschrift besitzt, sondern zudem noch berührend erzählt ist, macht ihn überraschend zeitlos.
Und das, obwohl sich gerade die musikalische Untermalung durch Artie Butler eindeutig den 1970er Jahren zuweisen lässt. Sein Score klingt getragen, mitunter zurückhaltend, manchmal kraftvoll und das Thema, das er bereits der Eröffnung schenkt, bringt die Traurigkeit des Waisenkindes Penny treffend zur Geltung. Ihre Geschichte wird in Bernard und Bianca erzählt, auch wenn das ungleiche Mäusepaar insbesondere die Kinder im Publikum ansprechen wird.
So erfährt die "Rettungshilfsvereinigung", die ihren Sitz im Gebäude der Vereinten Nationen hat, von einem per Flaschenpost abgesetzten Hilferuf der jungen Penny. Doch ihr Brief ist vom Wasser aufgeweicht und außer der Adresse ihres alten Waisenhauses, kann der Mäuserat nicht viel erkennen. Die bezaubernde Bianca meldet sich freiwillig, Penny zu Hilfe zu kommen und verpflichtet gegen sein Wissen den abergläubischen Hausmeister Bernard, mit ihr zu gehen. Weshalb Penny weit weg in den Teufelssümpfen gefangen gehalten wird, gilt es aufzudecken und auf dem Weg dorthin treffen sie unter anderem auf den Albatrospiloten Orville und das tapfere Libellchen.
Die Abschnitte um die Mäusepolizei sprühen stets vor Charme dank der liebevollen Zeichnungen, während die düstere Umgebung bei Penny mit der finsteren Medusa, ihrem Gehilfen Mr. Snoops und ihren Alligatoren Pennys trauriges Leben widerspiegelt. Im Waisenhaus, so glaubt sie, wollen Eltern lieber jüngere Kinder adoptieren, so dass sie bislang immer zurückgeblieben ist. Vielleicht ist sie deshalb mit Madame Medusa mitgegangen.
Die Filmemacher erzählen das Abenteuer auf eine Art und Weise, dass auch das ganze junge Publikum sich nicht fürchten muss. Es wird Pennys Niedergeschlagenheit spüren, auch wenn es den Grund dafür vielleicht noch nicht versteht.
Blickt man aus heutiger Sicht auf Bernard und Bianca zurück, fällt der Einfluss auf, den die Zeichentrickkünstler hier auf die kommenden Jahrzehnte in ihrem Genre haben sollten. Beispielsweise bei Merkmalen der Figuren, die sich zehn oder auch 25 Jahre später in anderen Disney-Produktionen wiederfinden sollten. Und die Art und Weise, wie es ihnen gelingt, mit ihrer Geschichte sowohl das junge Publikum zu unterhalten, aber auch die älteren mit einem anderen Bezug zur Story anzusprechen.
Dass sich der Film auch stilistisch von den vorigen abhebt, macht ihn nur noch unverwechselbarer. Die unbewegten Landschaften zu Beginn zählen dazu ebenso, wie die bewusst auf unterschiedliche Farben ausgelegten Szenen im Verlauf des Films. Es rundet einen Klassiker des Genres ab, den gerade aus heutiger Sicht ältere Zuseher vielleicht mehr zu schätzen wissen werden, als das junge Publikum. Das Schöne daran ist, dass er beide gleichermaßen anspricht.
Fazit:
Schon die einleitende Musik lässt es erahnen, dass das kreative Team hinter den letzten Disney-Zeichentrickfilmen an Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei anders herangeht. Es sind kreative Entscheidungen, die den Film nachhaltig prägen und trotzdem nie verkennen lassen, dass das Herz der Geschichte am rechten Fleck schlägt.
Die liebevoll gezeichneten Figuren sind zeitlos charmant, die unterschiedlichen Orte treffend eingefangen und statt auf gesungene Songs innerhalb des Films, setzen die Macher auf die Lieder im Hintergrund, um die Stimmung zu unterstreichen. So eignet sich der Klassiker für jung und alt, auch wenn den jungen Zusehern Pennys Melancholie angesichts ihres Waisenhintergrunds (hoffentlich) verborgen bleibt.