Beast – Jäger ohne Gnade [2022]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 19. August 2022
Genre: Thriller / Horror

Originaltitel: Beast
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Baltasar Kormákur
Musik: Steven Price
Besetzung: Idris Elba, Sharlto Copley, Iyana Halley, Leah Sava Jeffries, Anzor Alem, Billy Gallagher


Kurzinhalt:

Um seinen Teenager-Töchtern Meredith (Iyana Halley) und Norah (Leah Sava Jeffries) einen Tapetenwechsel zu bieten und nach dem Tod ihrer Mutter wieder einen Zugang zu ihnen zu finden, reist der verwitwete Arzt Nate Samuels (Idris Elba) nach Südafrika, wo er seine Frau kennenlernte. Dort kommen sie bei dem Tierschützer Martin (Sharlto Copley) unter, den Nate noch aus Kindertagen kennt, und dessen Aufgabe es unter anderem ist, die um sich greifende Wilderei einzudämmen. Bei einer Tour im privaten Teil des Wildtierreservats sehen sie sich plötzlich einem wilden Löwen gegenüber, der jeden Menschen angreift, der seinen Weg kreuzt. Auf sich allein gestellt, beginnt ein Kampf ums Überleben, bei dem Nate und seinen Töchtern nicht nur die Mittel, sondern auch das Wasser ausgeht …


Kritik:
Auch wenn er an prägende Genrefilme wie Der weiße Hai [1975] nicht heranreicht, ist Baltasar Kormákurs Beast – Jäger ohne Gnade besser gelungen, als viele andere Vertreter. Das liegt nicht nur an der charismatischen Besetzung, sondern auch an der durchaus bedrohlichen Stimmung beim Überlebenskampf Mensch gegen Natur, und nicht zuletzt an der Inszenierung, die genau einen Punkt besser macht, an dem viele andere Filmschaffende aus unerfindlichen Gründen scheitern. Schon deshalb lohnt sich hier mehr als nur ein Blick.

Nach einem kurzen Teaser, in dem eine Gruppe Wilderer in der Abgeschiedenheit Südafrikas bei einer aufgestellten Falle ein ganzes Rudel Löwen töten, wobei ein großes Männchen entkommt, springt die Geschichte zu Nate Samuels und seinen beiden Töchtern im Teenageralter, Meredith – genannt Mer – und Norah. Er bringt sie auf einem gemeinsamen Urlaub in seine Heimat und die ihrer kürzlich verstorbenen Mutter. Dort empfängt sie Nates Freund aus Kindertagen, Martin, der für den Schutz der Tiere im Reservat zuständig ist und daher Wilderer im Visier hat. Bei ihrem ersten Ausflug in einem für Touristen unzugänglichen Teil des Reservats entdecken sie ein Dorf, dessen Bewohner offenbar einem Löwenangriff zum Opfer gefallen sind und wenig später sehen sie sich selbst der „Bestie“ gegenüber.

Die Situation läuft, wie zu erwarten auf eine Konfrontation hinaus, in deren Verlauf Nate ab einem gewissen Punkt für das Überleben seiner Familie kämpfen muss. Zu eindeutig sind die einzelnen Elemente vorbereitet, wie dass er und seine Töchter sich entfremdet haben, oder dass er sich bereits von seiner Frau getrennt hatte, als diese dann unheilbar erkrankte, weswegen der Arzt sich Vorwürfe macht. Überraschend ist jedoch, wie sehr Beast auf manche dieser Klischees setzt, obwohl diese im Grunde gar nicht notwendig sind. Sei es, wenn Mer ausspricht, was das Publikum zuvor bereits miterleben und beobachten konnte, wenn Figuren auf sich aufmerksam machen, anstatt versteckt zu bleiben, oder wenn Dialoge die belastende Familiensituation in Worten einfangen, die man so schon unzählige Male gehört hat.

Das ist nicht nur deshalb bedauerlich, weil es vollkommen unnötig ist, sondern weil Regisseur Baltasar Kormákur die handwerkliche Umsetzung bemerkenswert gut gelingt. Während viele andere Filmschaffende in unheimlichen Szenen durch Schnittwechsel die Spannung buchstäblich zerschneiden, spickt er Beast mit vielen, sehr langen Kamerafahrten, in denen entweder die Figuren und ihre Reaktionen eingefangen werden, oder aber ihre Position in der Umgebung. Das ist so effektiv, dass man sich fragen muss, weshalb diese Kunst nicht mehr Verantwortliche beherrschen. Mit gut ausgesuchten Bildern und der sich steigernden Musik gelingt ihm so eine einnehmende Atmosphäre, auch, weil er nicht von Szene zu Szene hetzt, die Figuren immer unterwegs sind, sondern sie in jeweils einer Situation durch den Löwen in Lebensgefahr geraten. So lernt das Publikum die Rahmenbedingungen kennen und kann sich in der Umgebung richtig orientieren.

Beast – Jäger ohne Gnade ist in diesem Punkt so tadellos vorgebracht, dass die oft nicht über das Mittelmaß hinausgehenden Trickeffekte umso mehr auffallen. Das Feuer ist ganz offenbar kein wirkliches Feuer und der Löwe wird zu schnell und undeutlich eingefangen, als dass er überzeugen könnte. So täuschend echt die Tiere bei Der König der Löwen [2019], so offenkundig computergeneriert sind sie hier. Hinzu kommen wiederholte Traumsequenzen, die ebenfalls weit absehbar und in ihrer Aussagekraft kaum greifbar sind. Es ist beinahe, als sollten sie Beast lediglich über die magische Laufzeitmarke von 90 Minuten bringen. Das klingt letztlich negativer, als es gemeint ist, und tatsächlich ist Kormákurs Thriller vor allem das, was er sein will: Unterhaltsames Popcorn-Kino. Dass er mehr hätte sein und auch Genrefilme wie Der Geist und die Dunkelheit [1996] hätte übertreffen können, steht außer Frage. Das gelingt aber leider nicht.


Fazit:
Bereits von den ersten Minuten an entwickelt Baltasar Kormákur eine Atmosphäre, die beinahe mit Händen zu greifen ist. Die Spannung steigt auch danach in den actionreichen Momenten schnell an angesichts eines Jägers, den man nicht kommen sieht. Die vielen ausgedehnten und toll choreografierten Kamerafahrten steigern die Dramaturgie zusätzlich, so dass die Ernüchterung umso größer ist, wenn die computergenerierten Tiere nicht mit den durchaus beängstigenden Situationen mithalten können. Doch nimmt man Beast – Jäger ohne Gnade als das an, was er ist und womöglich auch sein will, veredelt die charismatische und sympathische Besetzung, angeführt von einem starken, ständig unter Adrenalin stehenden Idris Elba, die B-Film-Story ebenso wie die eindrucksvolle Inszenierung. Ihretwegen und dank der Ansätze der Figuren – die bedauerlicherweise kaum weiterentwickelt werden – wartet der Kampf ums Überleben und die eigene Familie mit packenden Momenten auf. Als tadellos unterhaltsamer, stimmungsvoller Survival-Horror-Thriller kann das mühelos einen schwülen Sommerabend retten, wenn die Erwartungshaltung stimmt.