Aus nächster Nähe [1996]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 09. Dezember 2008
Genre: Drama / LiebesfilmOriginaltitel: Up Close & Personal
Laufzeit: 124 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1996
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Jon Avnet
Musik: Thomas Newman
Darsteller: Robert Redford, Michelle Pfeiffer, Stockard Channing, Joe Mantegna, Kate Nelligan, Glenn Plummer, James Rebhorn, Scott Bryce, Raymond Cruz, Dedee Pfeiffer, Miguel Sandoval
Kurzinhalt:
Sally Atwater (Michelle Pfeiffer) hat es sich in den Kopf gesetzt, ein Star im Fernsehen zu werden. Trotz eines gefälschten Demobandes erhält sie immerhin eine Sekretärinnenstelle in einem Miami Nachrichtenstudio. Ihr Boss Warren Justice (Robert Redford), der das Potential in ihr sieht, vertraut ihr später zuerst Wetterberichte und schließlich gar Reportagen an. Umbenannt in 'Tally' beginnt Sallys Karriere, die sie trotz ihrer Zuneigung zu Warren nach Philadelphia führt.
Doch dort scheint sie nicht voran zu kommen, so dass Warren ihr folgt, um sie zu unterstützen. In der Tat hilft sein Rat und seine Anwesenheit, ihre Karriere zu beflügeln – auf Kosten seiner eigenen ...
Kritik:
Ursprünglich war vorgesehen, eine Art Biografie der jungen Nachrichtensprecherin Jessica Savitch, deren erfolgreiche Karriere in den USA durch einen Autounfall im Oktober 1983 auf tragische Weise beendet wurde, ins Kino zu bringen. Doch insbesondere das Privatleben der mehrmals verheirateten 36jährigen Journalistin schien den Produzenten von Aus nächster Nähe zu deprimierend für das Kinopublikum, so dass nur einige Elemente übernommen wurden.
Der Film selbst erzählt vielmehr den Werdegang einer jungen Frau von der Wetterfrau bis zur nationalen Nachrichtensprecherin. Gespickt mit Tragödien, Liebesbeziehungen und unerwarteten Wendungen weckt die Geschichte Erinnerungen an Klischee beladene Dramödien, derer es gerade in den 1980er und 90ern genügend gab. Doch dank eines einfühlsam verfassten Drehbuchs und zweier Hauptdarsteller in Topform, blickt man über die wenigen Schwachstellen der Vorlage gerne hinweg.
Diese sind sogar recht schnell zusammen gefasst, denn auch wenn das Skript ganze Arbeit leistet, wenn es darum geht die Figuren zu charakterisieren, im Mittelteil lassen sich die Autoren sehr viel Zeit, wenn es darum geht die Geschichte voran zu bringen. Einige Handlungsstränge wie der um Sallys Schwester werden nur angedeutet, dann aber nicht weitergeführt und manche Szenen sind nicht wirklich notwendig, sondern ziehen die Story nur in die Länge.
Auch die Tatsache, dass Tallys Aufstieg im Showbusiness etwas glatt geht, ohne die Schattenseiten der Industrie zu beleuchten, mag den Filmspaß trüben. Und doch scheint dies nicht der Kernpunkt des Films zu sein. Statt Sallys Widrigkeiten auf dem Weg nach oben in den Mittelpunkt zu stellen, gehen die Autoren einen anderen Weg und zeigen vielmehr, wie sich Sally angesichts ihrer Karriere weiterentwickelt. Wer sie formt, in welchem Maße und auch, aus der Sicht von Warren Justice, wann der Zeitpunkt gekommen ist, da die Schülerin ihren Lehrer überflügelt.
Die Gratwanderung, aufzuzeigen, wie Warren zu Beginn ihrer Zusammenarbeit derjenige ist, der aktiv wird, der agiert, damit Tally reagiert, und später diese Situation umzudrehen, so dass Tally agiert und Warren darauf nur reagieren kann, bis hin zu seiner Entscheidung, eine Story allein zu folgen, ist dem Skript sehr gut und dank pointierter, aber nicht bissig giftiger Dialoge auch stellenweise auf amüsante Art und Weise gelungen. Dass das Drehbuch von den Figuren lebt, steht völlig außer Frage, und auch wenn manche Storyelemente lange vorher angekündigt werden, um sie später nochmals aufzugreifen, die einzelnen Abschnitte in Sally Atwaters Leben sind nicht ansatzweise so interessant wie ihre Entscheidungen und ihre Entwicklung. So überzeugt das Skript vor allem durch hervorragend ausgebaute Charaktermomente, natürlich wirkende Dialoge und eine Geschichte, die glaubhaft genug ist, um zu interessieren, die sich aber letztlich erst durch das mutige Ende des Films von anderen Genrekollegen abhebt.
Was Aus nächster Nähe allerdings auszeichnet und ihn zu einem Pflichtprogramm für die Kenner der Beteiligten macht, ist die Besetzung, die man sich besser kaum hätte wünschen können.
Für den damals immerhin schon 60jährigen Robert Redford und seine 20 Jahre jüngere Kollegin Michelle Pfeiffer war es die erste gemeinsame Arbeit vor der Kamera. Dies verwundert insofern, als dass ihre gemeinsamen Szenen so natürlich wirken, die Chemie zwischen ihnen spürbar ist und man das elektrisierende Knistern förmlich hören kann. Mit einer Leichtigkeit tauchen sie in die Charaktere ein, erfüllen sie mit Leben und zeigen in vielen kleinen Details, kaum wahrnehmbaren Gesten oder einer subtilen Mimik ein breites Spektrum an Emotionen, wie man es schon lange nicht mehr gesehen hat. Ihnen zuzusehen bleibt selbst dann ein Genuss, wenn die Geschichte ins Stocken geraten ist.
Ergänzt wird das charismatische Filmpaar durch ebenso gut gelaunte Akteure wie Stockard Channing, die die garstige Nachrichtensprecherin ebenso überzeugend mimt wie Kate Nelligan eine im Prinzip weiter entwickelte Version derselben Figur. Auch Joe Mantegna und Miguel Sandoval machen ihre Sache gewohnt gut, ebenso wie Scott Bryce, der allerdings stärker hätte eingebunden werden können.
Abgerundet wird die Besetzung durch Darsteller wie Raymond Cruz oder der gern in Vergessenheit geratene Glenn Plummer, der hier aber unersetzlich ist. Für welche Rolle damals Edward Norton vorgesprochen hat, ist indes nicht bekannt – bekommen hat er sie allerdings nicht.
Nachdem Kameramann Michael Ballhaus während der Vorproduktion krank wurde, holte Avnet dessen Landsmann, den in Bremen geborenen Karl Walter Lindenlaub ins Boot, der nach Stargate [1994] insbesondere durch Rob Roy [1995] beeindruckte. Seinen Einfluss merkt man insofern, als dass die Kamera meist in einer flüssigen Bewegung zu sehen ist, er viele Einstellungen aus der Vogelperspektive beginnt, um dann in die Geschichte einzutauchen.
Die ausgeklügelte Szenenkomposition wird durch einen ebenso durchdachten Schnitt ergänzt, der Aus nächster Nähe einen ruhigen Erzählrhythmus verleiht, ohne langatmig zu wirken. Straffen hätte man die Geschichte insbesondere im Mittelteil zwar können, doch dank der abwechslungsreichen Hintergründe, der auf die Personen gerichteten Bilder, die dennoch nie die Emotionen auszuschlachten scheinen, gelingt dem Regisseur eine Bildersprache, die man als Zuschauer eher unbewusst in sich aufnimmt. Dass gerade die Sequenz während des Gefängnisaufstands einzig aus der Sicht des ohnmächtigen Warren gezeigt wird, verdeutlicht, wie gekonnt Avnet die Erzählmethoden einsetzt, um das Publikum genau das sehen zu lassen, was es sehen soll.
Die Inszenierung ist somit in gewissem Sinne malerisch, andernorts melancholisch, nie jedoch kitschig gelungen.
Von der melodiösen Finesse im Stile von Road to Perdition [2002] oder Rendezvous mit Joe Black [1998] ist Thomas Newmans Score zwar weit entfernt, nichtsdestotrotz passt er sich aber gut ins Geschehen ein, stört nie und untermalt die Handlung auf effektvolle aber nicht klischeehafte Weise.
Das Thema des Films spiegelt dabei ebenso etwas von einer wissenden Traurigkeit, wie die Hauptfigur selbst, gleitet aber nie in monoton depressive Nuancen ab. Somit zählt der Soundtrack zwar zu Newmans weniger stark charakteristischen Arbeiten, die aber trotzdem im Film funktioniert.
Auch wenn der Film wenig wirklich spannungsgeladene Momente bietet, allein das Spiel der beiden Hauptakteure lässt die zwei Stunden schnell vergehen. Ihnen zuzusehen macht den Reiz des Films aus, der zwischen Drama und Liebesgeschichte pendelt und dabei als Quintessenz doch die Erkenntnis bereithält, dass beide Eigenschaften meist Hand in Hand gehen.
Insofern richtet sich Aus nächster Nähe vorrangig an ein Erwachsenes Publikum. Einerseits, weil die Geschichte Geduld und Einfühlungsvermögen fordert, andererseits, weil es ebenso viel Aufmerksamkeit der Zuschauer bedarf, die prickelnde Chemie zwischen den beiden Figuren zu erkennen. Dass die Geschichte dabei mitunter konstruiert erscheint, stört nicht. Wer würde sich über solche Zufälle im wirklichen Leben nicht auch hin und wieder freuen?
Fazit:
Es ist in gewisser Weise beeindruckend mitanzusehen, wie Robert Redford zurücktritt, um seiner Kollegin Michelle Pfeiffer den Vortritt zu lassen. Sie versteht es gekonnt den Balanceakt zwischen Karrierefrau und Verletzlichkeit zu mimen. Nie rührselig entpuppt sich Aus nächster Nähe als ruhiges Charakterdrama, als Portrait zweier Menschen, die immerhin meistens aus dem Leben gegriffen scheinen und im Film eine spürbare Chemie entwickeln.
Hervorragend gespielt, einfallsreich fotografiert und mit einer melancholischen aber nicht depressiven Musik versehen erzählt Jon Avnet eine Geschichte, die auch nach mehrmaligem Ansehen nichts von ihrer Natürlichkeit und ihrem Charme verloren hat, auch wenn sie konstruiert wirkt. Veredelt durch ein mutiges Filmende zählt das Liebesdrama ohne Frage zu den besten des Genres, ohne den Journalismus den missmutigen Zynikern zu überlassen, wie in manchen Satiren der Fall.