Arielle, die Meerjungfrau [2023]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 23. Mai 2023
Genre: Liebesfilm / Fantasy / Musik

Originaltitel: The Little Mermaid
Laufzeit: 135 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Rob Marshall
Musik: Alan Menken
Besetzung: Halle Bailey, Jonah Hauer-King, Daveed Diggs (Stimme),Awkwafina (Stimme), Jacob Tremblay (Stimme), Javier Bardem, Melissa McCarthy, Art Malik, Noma Dumezweni, Lorena Andrea, Simone Ashley, Kajsa Mohammar, Nathalie Sorrell, Karolina Conchet, Sienna King


Kurzinhalt:

Seit jeher ist die Meerjungfrau Arielle (Halle Bailey) von den Menschen fasziniert, selbst wenn sie sich vor ihnen verstecken muss, da die Seeleute glauben, die sagenumwobenen Meereswesen wären Unglücksboten. Arielles Vater, König Triton (Javier Bardem), verbietet ihr daher, zur Oberfläche zu schwimmen. Dass seine Tochter alle möglichen Gegenstände sammelt, muss sie ihm verschweigen und auch ihre Freunde, Fisch Fabian (Jacob Tremblay) und Krabbe Sebastian (Daveed Diggs) einschwören, es für sich zu behalten. Doch als Arielle mitansieht, wie ein Schiff der Menschen sinkt, kann sie nicht anders, als Prinz Eric (Jonah Hauer-King) zu retten. Sie verliebt sich in den noblen jungen Mann und bringt ihn bewusstlos zum Strand, woraufhin Eric alle Hebel in Bewegung setzt, seine Lebensretterin zu finden. Arielles Gefühle will ihre Tante Ursula (Melissa McCarthy) für sich nutzen, um sich an Triton zu rächen. Sie bietet Arielle an, sie in einen Menschen zu verwandeln. Sofern es ihr innerhalb von drei Tagen gelingt, Erics Herz zu gewinnen, wird sie ein Mensch bleiben – andernfalls gehört Arielles Seele Ursula, zusammen mit ihrer Stimme, die sie ihr abnimmt, bevor sie den Zauber ausspricht. Da sie Arielle zudem die Erinnerung nimmt, dass sie Eric küssen muss, ehe die Zeit abläuft, liegt es an Sebastian, dafür zu sorgen, dass das Liebespaar zueinander findet …


Kritik:
Wenn man Filme, die einen in jungen Jahren geprägt haben, 20 oder 30 Jahre später neu interpretiert sieht, ist man nicht zu unrecht skeptisch. Betrifft es, wie im Fall dieses Kritikers und Disneys Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1989 überdies den persönlichen Lieblingsfilm der goldenen Animationsfilmära, könnten die persönlichen Vorbehalte kaum größer sein. Umso überraschender, wie viel Spaß Rob Marshalls Realverfilmung macht und wie gut es ihr gelingt, den Geist der Vorlage für ein modernes Publikum einzufangen. Die Geschichte in Arielle, die Meerjungfrau dabei auf deutlich über zwei Stunden auszuschmücken, ist ebenso unnötig, wie die Frage offen, an welches Publikum sich die Interpretation richtet. Doch sind das Details, die hinter den Stärken zurücktreten, von denen es mehr gibt, als man auch in Anbetracht der Vorschau erwarten würde.

Der Geschichte bleiben die Verantwortlichen durchgehend treu, ebenso den Song-Einlagen und dem Finale, das sich auf Grund der Seemonsterthematik aber nicht so gut in einen Realfilm übertragen lässt. Die Tochter von König Triton der sieben Meere, Arielle, ist eine Meerjungfrau und seit jeher von der Welt der Menschen fasziniert. Ihr Vater verbietet es ihr, zur Oberfläche zu schwimmen, oder sich Menschen zu nähern, die Arielle ihre Mutter genommen haben. Doch als Arielle beobachtet, wie ein Schiff der Menschen im Sturm sinkt, rettet sie Prinz Eric, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt. Er kann sich zwar nur an Arielles Umrisse und ihren verzaubernden Gesang erinnern, doch er setzt entgegen der Überzeugung seiner Königin Mutter alles daran, die unbekannte Lebensretterin zu finden, da Arielle vor dem Eintreffen der Menschen wieder ins Meer verschwunden ist. Dort wittert ihre Tante Ursula, die über magische Fähigkeiten verfügt, ihre Chance, sich an Triton zu rächen. Sie bietet Arielle an, sie in einen Menschen zu verwandeln. Der Zauber hält jedoch nur drei Tage, in denen sie es schaffen muss, dass sich der Prinz in sie verliebt und sie küsst, sonst gehört Arielles Seele Ursula. Doch nimmt Ursula ihr ihre Stimme und belegt sie außerdem mit einem Zauber, dass sie sich an den notwendigen Kuss nicht erinnern kann.

Für das Verkuppeln sind daher Krabbe Sebastian, Fisch Fabius und Tölpel Scuttle verantwortlich. Sebastian hat sogar den ausdrücklichen Auftrag Tritons, dafür zu sorgen, dass Arielle nicht in Schwierigkeiten gerät – und das war noch, bevor sie ohne Stimme und mit Beinen statt einer Schwimmflosse an Land kam. Es handelt sich zwar bei Arielle, die Meerjungfrau um eine Realverfilmung, die Tiere können aber ebenso sprechen – und singen –, weshalb es nicht nur die aus der Zeichentrickvorlage bekannten Songs zu hören gibt, sondern überdies ein paar neue. Die vertrauten wurden zudem um neue Einlagen und Strophen erweitert, was auch erklärt, weshalb diese Umsetzung insgesamt mehr als eineinhalb Mal so lange wie die Vorlage ist. Diese Ergänzungen sind es auch, die nicht spurlos an der Dramaturgie vorbeigehen, was die Frage unterstreicht, an welches Publikum sich der Film richtet. Von Kindern weit über zwei Stunden Aufmerksamkeit zu verlangen, ist kaum realistisch und die wenigsten Erwachsenen werden sich bereitwillig in einem solchen Märchen verlieren wollen. Was bedauerlich ist, denn Regisseur Marshall erzeugt nicht nur eine tolle, farbenfrohe Unterwasserwelt, sondern beschwört mit den eingängigen Liedern und der fabelhaften Choreografie gelungen das Flair des Zeichentrickklassikers herauf. Songs wie „Unter dem Meer“ oder „Küss sie doch“ rufen immer wieder ein berührendes Lächeln hervor.

Umso bedauerlicher, dass das Lied des Kochs ebenso wie die gesamte Sequenz mit ihm und Sebastian gestrichen wurde. Die tierischen Figuren bewegen sich in einer schwer zu beschreibenden Grauzone, was ihr Aussehen anbelangt. Ihr realistisches Erscheinungsbild lässt nur schwer Emotionen erkennen, die nunmehr hauptsächlich durch die Dialoge und die Stimmen transportiert werden. Vor allem Sebastian ist hier, wie bereits in der Vorlage, ein Highlight, seine Momente die amüsantesten der Erzählung. Als Seehexe scheint Melissa McCarthy merklich Gefallen an ihrer Rolle zu finden und verleiht ihr eine gelungene Boshaftigkeit, die eben beim Finale ein wenig verloren geht. Weshalb sie zuvor immer wieder Selbstgespräche führt, wo sie sich doch nicht ans Publikum richtet und niemand anderes zugegen ist, verstehe allerdings, wer will. Es wäre schön gewesen, man hätte ihre Figur weiter definiert, dafür wird mit Erics Mutter und Königin eine neue Person vorgestellt, die letztlich aber leider nicht mehr als eine Stichwortgeberin ist.

Handwerklich gibt es indes nichts zu bemängeln, die Ausstattung, Kostüme und Bauten sind fantastisch, Arielles Aussehen und Bewegungen im Wasser so anmutig wie natürlich (soweit man eine Meerjungfrau natürlich nennen kann). Filmemacher Rob Marshall gelingt es nicht nur, malerische Perspektiven und wunderschöne Bilder zu finden, sondern vor allem, die Figuren darin mit Leben zu füllen. Dem ist auch Hauptdarstellerin Halle Bailey mühelos gewachsen und ihre Arielle stets greifbar. Im Gegensatz zur Realverfilmung von Die Schöne und das Biest [2017] besitzt Arielle, die Meerjungfrau spürbar Charme. Mag sein, dass die Ausschmückungen nicht notwendig sind und Vieles ungenutzt bleibt. Aber was gelingt, erzeugt beinahe dasselbe Gefühl wie damals, als die rothaarige Meerjungfrau zum ersten Mal über die Leinwand schwomm. Wenn dies dem heute jungen Publikum ebenso ergeht, haben die Verantwortlichen mehr als genug richtig gemacht.


Fazit:
Ob eine Realverfilmung eines solchen Animationsfilmklassikers notwendig ist, ist eine oft diskutierte Frage. Nicht nur, dass Regisseur Rob Marshall das „Original“ nicht beschädigt – dieses steht weiterhin zur Verfügung, Glücklichen sogar in der ursprünglichen deutschen Synchronfassung –, er nimmt die Geschichte und ergänzt sie, ohne sie inhaltlich zu verändern. Durchweg toll gemacht und malerisch bebildert, besitzt nicht nur die Liebesgeschichte zwischen Arielle und Eric erstaunlich viel Herz. Das magische Flair der Zeichentrickvorlage mag bei Arielle, die Meerjungfrau etwas verloren gehen, aber nichtsdestotrotz bleibt dies eine zauberhafte Erzählung, sichtbar aufwändig und toll für eine neue Generation modernisiert auf die Leinwand gebracht. An den richtigen Stellen berührend und durchweg witzig, ist dies für ein ganz junges Publikum sicher zu lang und beim Finale etwas zu bedrohlich. Doch wenn man so ein neues Publikum für die Story selbst und vielleicht den Zeichentrickfilm interessieren kann, haben letztlich alle gewonnen. Schön!