Alpha [2018]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 28. August 2018
Genre: Drama / Unterhaltung

Originaltitel: Alpha
Laufzeit: 96 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Albert Hughes
Musik: Joseph S. DeBeasi, Michael Stearns
Darsteller: Kodi Smit-McPhee, Jóhannes Haukur Jóhannesson, Morgan Freeman, Natassia Malthe, Leonor Varela, Mercedes de la Zerda, Jens Hultén, Spencer Bogaert, Priya Rajaratnam, Patrick Flanagan


Kurzinhalt:

Im Europa vor 20.000 Jahren ist das Leben geprägt von einem ständigen Kampf der Menschen gegen die Natur. Keda (Kodi Smit-McPhee), Sohn des Stammesanführers Tau (Jóhannes Haukur Jóhannesson) wird die Krieger zum ersten Mal auf die Jagd begleiten. Die erlegten Tiere werden den Stamm sicher durch den unbarmherzigen Winter bringen. Doch Keda wird schwer verletzt und notgedrungen von seinen Stammesbrüdern zurückgelassen. Als er wieder zu sich kommt, ist er allein und sieht sich unter anderem einem Rudel Wölfe gegenüber. Er kann ihren Angriff abwehren und verletzt den Leitwolf. Statt ihn zu erlegen, pflegt er das Tier gesund und so unterschiedlich beide sein mögen, zwischen ihnen existiert eine Verbindung. Keda macht sich mit dem Wolf auf, zu seinem Stamm zurückzukehren, ehe der Winter einbricht. Allmählich entwickelt sich zwischen den ungleichen Weggefährten etwas, das es noch nie zwischen Mensch und Tier gab: Eine Freundschaft …


Kritik:
In Alpha erzählt Regisseur Albert Hughes (The Book of Eli [2010], From Hell [2001]) die Geschichte eines Jungen, der durch einen Kampf ums Überleben zum Mann wird und währenddessen in einem Wolf einen Gefährten findet. Dass all dies vor 20.000 Jahren spielt, soll dem Geschehen vermutlich eine tiefere Bedeutung verleihen und unterstreichen, wie „der beste Freund des Menschen“ domestiziert wurde. Handwerklich kann das auch durchaus überzeugen, nur inhaltlich gibt es hier weniger zu entdecken, als erhofft.

Das liegt zum großen Teil daran, dass Filmemacher Hughes, der auch die Idee lieferte, den Weg, der sich den Figuren auftut, nicht zu Ende geht. Im Zentrum steht der junge Keda, Sohn des Anführers seines Stammes, der mit ausgewählt wird, die Stammeskrieger zu begleiten, um „das große Biest“ zu jagen, damit der Stamm sich für den Winter rüsten kann. Dass Alpha vollständig untertitelt ist – wobei sich die Frage stellt, nach welchen Kriterien die verwendete, fiktive Sprache entwickelt wurde – ist dabei an sich eine gute Idee. Nur gestalten sich die Dialoge zu strukturiert, zu ausgefeilt, als dass sie so klingen, als wären sie vor so langer Zeit mit einer rudimentären Frühform einer Sprache gesprochen worden. Dass die Bezeichnungen für Tiere und Naturphänomene exakt dieselben wie heutzutage sind, schadet der Illusion zusätzlich. Mit dem Aussehen der Menschen verhält es sich ähnlich: Vor allem die Kleidung und die Waffen der Krieger scheinen zu gleichmäßig, zu perfekt, als dass sie mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln so hätten erschaffen werden können.

Andererseits ist es überaus reizvoll und interessant, die Menschen jener Zeit zu beobachten, in einer Epoche, in der zwar Feuer und Waffen bekannt sind, aber die Menschen trotz ihrer für die damaligen Verhältnisse hochtechnologischen Hilfsmittel, nicht an der Spitze der Nahrungskette stehen. Dieses Gefühl insgesamt vermittelt Alpha ausgesprochen gut, was auch an den eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen, den großartigen Szenenkompositionen und den modernen Bildern liegt, die dem Film ein einzigartiges Aussehen verleihen.
Die Story selbst ist schnell erzählt: Bei seiner ersten Jagd wird Keda von der Angst übermannt und von einem Bison für seinen Stamm scheinbar tödlich verletzt. So muss sein Vater ihn schweren Herzens zurücklassen. Doch Keda überlebt und muss sich vor Einbruch des Winters zurück zum Stamm durchkämpfen, wenn er nicht erfrieren will. Währenddessen versucht er, ein Tier eines Wolfsrudels zu zähmen, das ihn angegriffen hat.

Was daraus werden wird, ist sicher keine Überraschung und dass sich der Filmtitel gleichermaßen auf den Wolf selbst als Alphatier bezieht als auch auf Keda, der seinen Platz als künftiger Stammesführer verdienen muss, ist ebenfalls absehbar. Überraschend und auch enttäuschend ist jedoch, dass Regisseur Albert Hughes viel Zeit vergehen lässt, ehe der Wolf, den Keda „Alpha“ nennt, überhaupt in Erscheinung tritt. Der Prolog, der Keda in seinem Stamm zeigt und an dessen Ende er schwer verletzt und für tot gehalten zurückgelassen wird, ist überaus lang und nimmt beinahe ein Drittel der Laufzeit ein. Gleichzeitig geschieht die Annäherung zwischen Mensch und Tier sehr schnell. Einen behutsamen Aufbau im Stile von Der mit dem Wolf tanzt [1990] gibt es hier nicht.

Dafür bedient die Story am Ende jedes nur erdenkliche Klischee und gerät in manchen Momenten geradezu unangenehm pathetisch. Dies gilt auch für den Kommentar aus dem Off, der dem Publikum das Offensichtliche nochmals mit auf den Weg gibt, als wären die Bilder davor nicht bereits ausreichend gewesen. So sind es vor allem die letzten 15 Minuten, die dafür sorgen, dass Alpha als schlechter in Erinnerung bleibt, als der Film an sich ist. Immerhin, die Optik bleibt bis zum Schluss eine Wucht, selbst wenn Kedas Reise einen emotionalen Tiefgang großteils vermissen lässt.


Fazit:
Für eine Welt und Geschichte, in der ein ständiger Überlebenskampf gegen die Elemente der Natur herrschen sollen, sind die Momente, in denen der junge Keda in Gefahr schwebt, recht rar. Deshalb kommt nur selten eine greifbare Spannung auf, ungeachtet der interessanten wenn auch wenig überraschenden Story. Diese schiebt das erste Aufeinandertreffen zwischen Mensch und Wolf sehr weit nach hinten und geht darüber hinaus nur bekannte Pfade. Dem gegenüber steht eine tolle Darbietung von Kodi Smit-McPhee sowie eine zwar stilisierte, aber eindrucksvolle Optik, die dafür sorgt, dass man zahlreiche Bilder aus Alpha so wie sie sind auf Leinwand drucken und ausstellen könnte. Die grundsätzliche Atmosphäre ist ebenso gelungen und es ist nicht, dass die Erzählung von Regisseur Albert Hughes langweilen würde. Nur mitreißen kann sie leider zu selten. Das sorgt zusammen mit dem klischeehaften Schluss dafür, dass der Film weit hinter seinem Potential zurückbleibt.