Ab durch die Hecke [2006]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 06. August 2006
Genre: Animation / Komödie

Originaltitel: Over the Hedge
Laufzeit: 83 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2006
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Tim Johnson, Karey Kirkpatrick
Musik: Rupert Gregson-Williams
Originalstimmen: Bruce Willis, Garry Shandling, Steve Carell, Wanda Sykes, William Shatner, Nick Nolte, Thomas Haden Church, Allison Janney, Eugene Levy, Catherine O'Hara, Avril Lavigne, Omid Djalili


Kurzinhalt:
Das Sammeln liegt in RJs (Bruce Willis) Natur; als Waschbär ist er immer darum bemüht, seinen Nahrungsvorrat so groß wie möglich zu halten und schreckt auch nicht davor zurück, die Höhle des überwinternden Bären Vincent (Nick Nolte) auszurauben. Doch der erwacht früher als gedacht und nachdem Vincents Futter unfreiwillig asphaltiert wurde, stellt der Bär dem kleinen Waschbären ein Ultimatum. In einer Woche muss RJ alles ersetzt haben, andererseits wird ihm das Fell über die Ohren gezogen.
Insofern trifft RJ zur rechten Zeit auf eine Gruppe Waldbewohner, die jüngst aus dem Winterschlaf erwacht sind; angeführt von der Schildkröte Verne (Garry Shandling) müssen das Eichhörnchen Hammy (Steve Carell), die Stinktierdame Stella (Wanda Sykes), das Opossum Ozzie (William Shatner) samt Tochter Heather (Avril Lavigne) und die Stachelschwein-Eltern Lou (Eugene Levy) und Penny (Catherine O'Hara), erkennen, dass ihr ehemals so großer Wald nur noch ein kleiner Fleck auf der Landkarte ist – von Vorstadtwohnungen eingeschlossen haben ihnen die Menschen nicht nur ihren Lebensraum, sondern auch die Nahrung genommen!
Einzig der draufgängerische RJ behauptet, aus der Vorstadt mehr Nahrung beschaffen zu können, als der Wald je hergegeben hätte; gegen den Rat des vorsichtigen Verne macht sich die Gruppe daran, die Menschen um ihre essbaren Besitztümer zu erleichtern – doch die lassen sich das nicht lange gefallen und lassen einen Spezialisten für die "Schädlingsbekämpfung" kommen. Dabei läuft RJ die Zeit davon ...


Kritik:
Nach dem kaum vorstellbaren Erfolg von Shrek 2 – Der tollkühne Held kehrt zurück [2004], der mit einem weltweiten Einspielergebnis von über 900 Millionen Dollar neue Maßstäbe im Animationsgenre setzte, wurde die Pixel-Animationsschmiede von Steven Spielbergs Produktionsstudio DreamWorks SKG abgespalten und verselbständigt. Ab durch die Hecke markiert den sechsten abendfüllenden Computeranimationsfilm der DreamWorks Animation, die mit Antz [1998] begannen, mit Shrek – Der tollkühne Held [2001] ihren ersten großen Erfolg feierten und seither lediglich mit Grosse Haie - Kleine Fische [2004] einen Misserfolg einfuhren – der letztjährige Madagascar [2005] konnte die finanziellen Erwartungen voll erfüllen, wohingegen Ab durch die Hecke nicht ganz so erfolgreich war, wie erhofft.
Dies ist insofern bedauerlich, als dass es den Machern mit Over the Hedge, so der Originaltitel, zum ersten Mal gelingt, putzige Animationen in einer unterhaltsamen Story für Groß und Klein unterzubringen, die nicht nur durch die offensichtlichen Gags unterhält, sondern endlich auch Substanz besitzt.

Zu verdanken ist dies dem gelungenen Skript basierend auf dem gleichnamigen Comic von Michael Fry und T. Lewis, die an der Entwicklung der neuen und bekannten Figuren für die Filmumsetzung auch direkt beteiligt waren.
Eindrucksvoll ist daran vor allem, dass die verschiedenen Figuren trotz der wenigen sehr bekannten Sprecher durchweg eingebunden und auch weiter entwickelt werden, und auch angesichts der schnell erzählten und mit vielen Seitenhieben versehenen Story nicht zu kurz kommen. Die größten Stärken der Vorlage liegen allerdings eindeutig darin, die eingeschüchterten und liebenswerten Waldbewohner mit den Annehmlichkeiten der Vorstadt zu konfrontieren und sie auf die geänderte Umgebung reagieren zu lassen. Zu sehen, wie die verschiedenen Tiere ihre natürlichen Eigenarten nutzen können, um sich gegen die (menschlichen) Eindringliche zur Wehr zu setzen, ist so fesselnd wie unterhaltsam, aber auch wenn der neue Anführer RJ die Waffen der Menschen benutzt, um seine Ziele zu erreichen, bleibt kein Auge trocken.
Die unzähligen Anspielungen und satirischen Züge der Geschichte, die sich vor allem gegen die Konsumsucht der Menschen (und die Vermenschlichung der Tiere) richten, sprechen dabei vor allem die erwachsenen Zuseher an, während alle Altersklassen über das wahre Feuerwerk an Situationskomik und Slapstick lachen können.
Wer dabei der Meinung ist, die Macher hätten ihr Pulver mit den vielen Aussschnitten und Trailern zum Film bereits verschossen, der darf beruhigt aufatmen – die vielleicht beste Idee des Skripts erwartet den Zuschauer beim überraschend actionreichen Finale, das ebenso mitreißend geraten ist, wie der Rest des Films. Auch wenn die Story nicht immer so rasant voran schreitet, wie man sich das wünschen würde, und auch die eingespielten Songs grundsätzlich überflüssig sind, bleibt Ab durch die Hecke nicht zuletzt durch die verschiedenen Figuren und ihre Eigenheiten unterhaltsam. Und das ist an sich schon bedeutend mehr, als die bisherigen Produktionen der DreamWorks Animation aufweisen konnten.

Dass den prominenten Sprechern die ausgefeilten und mitunter wirklich rasend schnell dargebrachten Dialoge zugute kamen, merkt man gerade an den Nebenfiguren, die ebenfalls nicht nur sehr gut gecastet, sondern ebenso tadellos vorgetragen wurden.
Bruce Willis, der bereits in der Originalversion von Rugrats Go Wild! [2003] seine Stimme lieh, ist RJ nicht nur auf den Leib geschrieben, der Hollywoodstar spricht den selbstbezogenen Waschbären mit einer Hingabe, wie man sie in seinen letzten Filmen nicht gesehen hat.
Dementsprechend motiviert scheint auch Garry Shandling, der als Schildkröte Verne den Gegenpol zu RJs Unvernunft und Unbesonnenheit bildet. Trotz seiner wenigen Auftritte gelingt es Nick Nolte, dem Bären Vincent einen so bedrohlichen Charakter zu verleihen, dass man sich mitunter fragen muss, ob die FSK-Freigabe "ohne Altersbeschränkung" nicht zu tief angelegt war.
Ein Highlight ist unter anderem William Shatner, der seit einigen Jahren das Komödienfach für sich entdeckt hat und auch als Sprachtalent ungeahnte Qualitäten beweist. Wanda Sykes und Omid Djalili stehen ihm in nichts nach und harmonieren in den gemeinsamen Szenen gekonnt miteinander.
Selbst Pop-Sternchen Avril Lavigne macht ihre Sache gut, hat allerdings kaum etwas zu tun. Catherine O'Hara und Eugene Levy bringen ihre kleinen Rollen durch die witzigen Dialoge zur Geltung, wohingegen Thomas Haden Church und Allison Janney undankbarere Charaktere verkörpern.
Die Überraschung und das Highlight des Films ist allerdings Steve Carell als Hammy, der die verschiedensten Tonlagen und die schnellsten Zungenbrecher von sich geben muss und mit seinem quirligen Filmeichhörnchen die Sympathien der Zuseher ohnehin auf seiner Seite hat.
Dass die Besetzung ohne die großen Namen Hollywoods auskommt hat dem Engagement der Beteiligten nicht geschadet, sie alle geben sich merklich Mühe und erwecken die Figuren mühelos zum Leben – es ist bedauerlich, dass dies nicht in der deutschen Synchronfassung ebenfalls der Fall ist.

Handwerklich griffen die Macher bei Over the Hedge auf eine ungewöhnliche Herangehensweise zurück, um ihren Animationsfilm in Bildern einzufangen. Die meisten Umgebungen wurden grob im Computer simuliert und anschließend die Kamera-Perspektive präzise ausgesucht. So konnten sich die Regisseure Tim Johnson und Karey Kirkpatrick wie an einem richtigen Filmset bewegen und ihre Kamera aufstellen, wo sie wollten.
Das Ergebnis ist so eindrucksvoll wie die Umsetzung von Pixars Die Unglaublichen – The Incredibles [2003], wenn nicht noch einen Tick besser; nicht nur, dass die einzelnen Blickwinkel von ganz nahen Aufnahmen auf Höhe der bodenständigen Waldbewohner bis hin zu weiten Übersichten über die gesamte Vorstadt reichen, Kamera und Schnitt wirken wie bei einem realen Film komponiert und exzellent zusammen gestellt. Angesichts der Perspektiven hat man nie das Gefühl, einen Animationsfilm vor sich zu sehen, sondern vielmehr, als wären die Macher in die Natur hinaus gegangen, hätten ihren Film dort gedreht und anschließend diese Bilder am PC erneut entstehen lassen. So ist Ab durch die Hecke nicht nur einfallsreich und für sein Genre ungewöhnlich umgesetzt, es kann sich in Bezug auf die Bilderwahl ohne weiteres mit Realfilmen messen, was allerdings auch an der tadellosen technischen Umsetzung liegt.
Hierbei beeindruckt einerseits der gekonnte Einsatz der Tiefenschärfe, wodurch die Pixelkünstler ihren Bildern den künstlichen Beigeschmack nehmen, andererseits die Detailtreue, mit der die Macher ihre Arbeit bewerkstelligen. So ist nicht nur die Interaktion der verschiedenen Figuren untereinander sehr gut gelungen, auch ihre Bewegungen durch die Umgebung sind ein Augenschmaus. Sei es ein morscher Holzstamm, sich im Wind wiegendes Gras oder aber das ebenfalls bewegte Fell der im Hintergrund atmenden kleinen Waldbewohner – was die Bildgewaltigkeit angeht reicht das nicht ganz an Die Unglaublichen heran, bekommt zusammen mit den putzigen Erscheinungen der Hauptfiguren einen viel knuffigeren Charakter, der gerade in diesem Genre das Gesamtbild gekonnt abrundet. Technisch befindet sich Over the Hedge damit auf der Höhe der Zeit und ist dem letztjährigen Madagascar um Längen voraus.

Die Musik von Rupert Gregson-Williams zählt ebenfalls zu den Höhepunkten der Produktion, zumal dem Bruder des bekannten Komponisten Harry Gregson-Williams hier ein ebenso hörenswerter wie vielschichtiger Score gelungen ist.
Von verspielten, heiteren und eingängigen Themen, bis hin zu unheimlichen Melodien ist alles vertreten, wobei der Soundtrack bedeutend einheitlicher und passender erscheint, als Gregson-Williams Untermalung des sehenswerten Flüchtlings-Dramas Hotel Ruanda [2004]. Auf Grund der rhythmischen Themen eignet sich die Musik auch zum Hören ohne die Bilder, wobei allenfalls die gesungenen Lieder etwas aufgesetzt wirken mögen. Diese wären im Film auch nicht notwendig, stören aber auch nicht in dem Maße, wie die Musical-Einlagen mancher traditioneller Zeichentrickfilme.

Es ist tragisch, dass ausgerechnet der künstlerisch bislang erfolgreichste Film der DreamWorks Animation an den Kinokassen am wenigsten Zuschauer fand, auch wenn die Produktion immer noch sehr erfolgreich war. Hier gelingt es den Pixelanimateuren zum ersten Mal, wie die Kollegen von Pixar, eine interessante, familiengerechte Geschichte mit dem derzeit technisch möglichen zu kombinieren, ohne Abstriche bei den Charakteren zu machen.
Dass Over the Hedge für alle Altersgruppen funktioniert liegt außerdem daran, dass die Körpergeruchswitze durch kinder- und erwachsenenfreundlicheren Humor ersetzt wurden. Die moralische Botschaft des Konsumverzichts sollte man bei einem Kommerzprodukt wie einem Kinofilm zwar lieber außer Acht lassen, doch legen die Macher glücklicherweise mehr Wert darauf, die Zuseher zu unterhalten, statt ihre Aussage an den Mann oder die Frau zu bringen.


Fazit:
Dass der Markt für computeranimierte Filme prinzipiell gesättigt ist, erkennt man daran, dass viele kleine Studios solche Produktionen momentan ins Kino bringen. Wie groß der Unterschied zwischen ihnen und den wenigen wirklich sehr guten Produktionsstudios ist, erkennt man, wenn man sich die aktuellen Filme der drei bekannten ansieht. Pixars Cars [2006] kommt erst im Herbst, Ice Age 2 – Jetzt taut's [2006] ließ große Schwächen in der Story erkennen; DreamWorks' Ab durch die Hecke hingegen markiert den besten Einstand im Genre seit Die Unglaublichen, überrascht mit einer einfachen aber einfallsreichen Geschichte, liebenswerten und knuffig animierten Figuren und einem Charme, den man den Shrek-Machern nicht zugetraut hätte.
Familiengerechte Unterhaltung auf hohem Niveau bietet die eineinhalbstündige Komödie nicht zuletzt durch die vielen witzigen Einlagen, die auch nach dem Abspann noch nicht Halt machen. Für die ganz kleinen Zuschauer ist das mitunter zu hektisch und zu laut, aber die groß gebliebenen Kinder können sich dabei köstlich amüsieren. Das liegt sowohl an der technisch eindrucksvollen Umsetzung, als auch an den gut gelaunten Sprechern; vor allem aber an Figuren, mit denen man durch die Höhen und Tiefen gerne mitfiebert.