A Single Man [2009]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 10. April 2011
Genre: DramaOriginaltitel: A Single Man
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Tom Ford
Musik: Abel Korzeniowski
Darsteller: Colin Firth, Julianne Moore, Nicholas Hoult, Matthew Goode, Jon Kortajarena, Paulette Lamori, Ryan Simpkins, Ginnifer Goodwin, Teddy Sears, Paul Butler, Aaron Sanders, Aline Weber, Keri Lynn Pratt
Kurzinhalt:
Acht Monate ist es her, dass Georges (Colin Firth) Lebenspartner Jim (Matthew Goode) bei einem Autounfall sein Leben verlor. Und damit George seinen Lebenswillen. Der Lehrer stürzt sich in seine tägliche Routine, um den Alltag zu bewältigen. Mit seiner alten Freundin Charley (Julianne Moore), die sich zu oft und zu sehr dem Alkohol hingibt, verbindet ihn nicht nur die Einsamkeit, sondern auch die Perspektivlosigkeit.
Zusammen mit seinen Unterlagen, hat George an diesem Morgen auch einen Revolver eingepackt. Er trifft alle notwendigen Vorbereitungen, sitzt in den Schulstunden seine Zeit ab, auch wenn sein Auge auf den jungen Kenny (Nicholas Hoult) fällt. Was er sich in den Kopf gesetzt hat für jenen Tag, will er auch zu Ende bringen. Doch immer wieder kommt Farbe in sein tristes Leben. Ob es genügt, um weiterzumachen?
Kritik:
"Der Tod ist die Zukunft", sagt George, die Hauptfigur in A Single Man. Dass er sich seine Gedanken dazu gemacht hat, merkt man daran, dass er offenbar plant, seinem Leben später am Tag ein Ende zu setzen. Der kammerspielartige Film beginnt damit, wie George aufwacht, seinen Tag beginnt, seine Kleidung herrichtet, seiner Routine nachgeht. Es könnte ein Tag wie jeder andere sein, würde man in seiner Hand nicht einmal einen Revolver sehen, den er weniger nachdenklich denn entschlossen in seiner Hand wiegt. Immer wieder erinnert er sich an Momente aus seiner Vergangenheit, eine Vergangenheit, die er mit Jim geteilt hatte, ehe ihm seine Liebe durch einen Unfall entrissen wurde. Acht Monate sind seither vergangen und für George war das Aufstehen seither immer ein Akt der Überwindung.
Es gibt Paare, bei denen ein Teil sehr introvertiert ist, während der andere als Bindeglied zur Gesellschaft funktioniert. Es scheint, als wäre dies bei George und Jim der Fall gewesen. Nur kann man nicht verstehen, was George so schmerzlich vermisst, wenn man nie erfährt, was er verloren hat. Angebote, eine neue Liebe zu finden, hat er genug. Doch er schlägt sie aus. In seinen Erinnerungen denkt er nur an die gemeinsame Zeit mit Jim, nur ist es nun schlimmer, was er seither allein ertragen musste, oder war es so viel schöner, was er verloren hat? Darüber verliert A Single Man zu wenig Zeit.
Im Unterricht, George ist Lehrer, fällt sein Blick immer wieder auf den jungen Kenny (Nicholas Hoult), der von George fasziniert scheint, auch wenn er eine Freundin hat. Es sind die frühen 1960er Jahre, und man könnte hinter den blauen Augen Kennys vermuten, dass der Teenager auf eine Entdeckung, eine Erfahrung aus ist – nur scheint er dafür beinahe zu naiv. Es ist ein interessantes Spiel, das Regisseur Tom Ford mit seiner Farbpalette anstellt. Kleidet er den Film zu Beginn hauptsächlich in Braun- und Grautöne, werden die Farben nicht nur intensiver, sondern auch wärmer, wenn George emotional angesprochen wird. Dies kann durch eine Erinnerung sein, durch eine Person oder sogar einen Gegenstand. Nicht nur, dass sich die Bilder dann auf wenige Elementen wie Lippen, Augen oder Gesichtspartien konzentrieren, es scheint das Leben durch Georges Augen regelrecht wieder zu pulsieren. So auch bei Kenny. Und später bei Charley, eine alte Freundin Georges, mit der er vor langer Zeit auch eine Beziehung hatte. Auch wenn sie sich der Fantasie hingibt, was geworden wäre, hätten sie eine Familie gegründet, scheint keiner von beiden dieses Gedankenspiel ernst zu nehmen. George und Charley existieren beide mehr in der Vergangenheit, denn im Hier und Jetzt. Sie sind nicht in der Lage, das Geschehene loszulassen. Doch erfährt man in A Single Man nicht viel über sie. Wie wurde George zu dem, der er war, bevor er durch Jims Unfall wurde, wer er ist? Man bekommt den Eindruck, als habe Jims Tod ihm zwar den Zugang zu einem fröhlichen Leben geraubt, gleichzeitig aber auch, dass Jim der einzige Grund für seine Freude war. Ist dies je so einfach, wenn man einen geliebten Menschen verliert?
Der Film mutet mit den zeitlosen, aber den 60er-Jahren angepassten Designeranzügen, den edlen Autos, Wohnungen und Accessoires an, wie ein überlanger Tom Ford Werbespot. In bedeutsamen Bildern eingefangen und künstlerisch choreografiert, doch letztlich mehr dem Look, denn den Figuren geschuldet.
Man mag hier argumentieren, dass diese künstliche Erscheinung, diese Fassade, die George aufrechterhält, das Einzige ist, was seine Einsamkeit erträglich macht. Dass er in der Routine eine Möglichkeit sieht, den Tag zu überstehen. An diesem Tag organisiert er, was getan werden muss, wenn er sein Leben Stunden später beendet. Und wäre es nicht um Kenny, der ihn unvermittelt aus seiner Reserve lockt, wäre er von dem Vorhaben auch nicht abzubringen. Colin Firth als am Leben verzweifelter, spielt George nicht egoistisch und selbstzerstörerisch. Er ist um seine Erscheinung bemüht und auch um Charley, die außer ihm niemanden zu haben scheint. Ihm gelingt ein subtiles Spiel, das die tiefe Traurigkeit und auch die aufblühende Lebensfreude erkennen lässt, auch wenn er es mit seiner Reservierung nicht nach außen trägt. Matthew Goode, Julianne Moore und Nicholas Hoult ergänzen dieses intime und bedeckte Porträt.
Für den Regieerstling, Modeschöpfer Tom Ford, muss die Geschichte eine persönliche Bedeutung haben. Viele Zitate und Erfahrungen hat der den Figuren zugeschrieben, auch wenn der Film auf dem Roman von Christopher Isherwood beruht. Auch haftet der Bildkomposition unumwunden ein künstlerisch anspruchsvoller Aspekt an. Selbst, was er an der Wandlung Georges aussagen möchte, ist nachvollziehbar. Und doch ergreift das Drama nicht genug, packt das Schicksal der Figuren nicht. Dafür ist A Single Man zu stilisiert.
Fazit:
Wenn jemand sagt, dass der Tod die einzige Erfahrung ist, die jeder Mensch mit den anderen teilt, kommt einem nicht von ungefähr der Verdacht, dass derjenige sich mehr mit dem Tod, denn mit dem Leben beschäftigt. Bei George ist dies seit seinem Verlust der Fall und selbst an dem von ihm gewählten letzten Tag seines Lebens hält er an seiner Routine fest. Was er tut, geschieht vielleicht aus Verzweiflung, doch ist es keine Verzweiflungstat, sondern wohl überlegt. So wie sein Vorhaben unausgesprochen bleibt, seine Handlungen aber unmissverständlich sind.
Regisseur Tom Ford erzählt die Geschichte seines Single Man in ebenso strukturierten Bildern, auf Hochglanz poliert und mit viel Bedacht auf den gezeigten Stil der jeweiligen Szene. Das wirkt nicht nur artifiziell stilisiert, sondern gleichsam unnahbar und insgesamt künstlich. Insofern berühren auch George und das Schicksal der Personen um ihn herum nicht. Es wirkt eben, wie alles im Film, nicht natürlich sondern so designt wie es wirken soll.