4 Tage bis zur Ewigkeit [2022]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Februar 2023
Genre: Drama / Liebesfilm

Laufzeit: 103 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Konstantin Korenchuk, Simon Pilarski
Musik: Markus Zierhofer
Besetzung: Lea van Acken, Eric Kabongo, André Hennicke, Carsten Strauch, Reiner Wagner, Dieter Rupp, Deryl Kenfack, Helmut Rieker


Kurzinhalt:

Deutschland im 19. Jahrhundert. Der Sturz aus großer Höhe nimmt Idilia (Lea van Acken) die Orientierung. Sie findet sich in einer Höhle wieder, unter einer Burgruine, wie sie später herausfindet. Ihr Notiz- und Tagebuch hilft ihr dabei, sich zu erinnern, was sie hierher geführt hat. Dass sie die Verblote des unsympathischen Franz Hagerberg (André Hennicke) ist, der mit einem Varieté durch die Lande zieht, in dem rassistische Ressentiments bedient werden, während Exotik verheißen wird. Teil der sogenannten „Völkerschau“ ist der abessinische Darsteller Caven (Eric Kabongo), der davon träumt, in Paris als Akrobat aufzutreten. Während sich Idilia an eine Romanze mit Caven erinnert, wird ihre Situation in der Ruine zunehmend verzweifelt. Ohne Wasser bleibt ihr nur wenig Zeit, auf sich aufmerksam zu machen, oder sich zu befreien. Dabei fällt es ihr in Anbetracht des Nahrungsentzugs sowie ihrer Verletzungen zunehmend schwerer, Wirklichkeit und Fiktion auseinander zu halten …


Kritik:
Seit mehr als 150 Jahren existiert im Rheinland die Sage der erst 17jährigen, aus Edinburgh stammenden Idilia Dubb, deren Leiche im Jahr 1860 in der Burg Lahneck gefunden wurde, neun Jahre, nachdem sie verschwand. Was sie dorthin geführt hatte und wie sie auf den Tod wartete, schrieb sie in einem Tagebuch nieder, das bei ihrem Leichnam gefunden wurde. In 4 Tage bis zur Ewigkeit zeigen die Filmemacher Konstantin Korenchuk und Simon Pilarski ihre Interpretation des Überlebenskampfes. Doch so lobenswert die Ansätze, so wenig überzeugend ist das Gesamtbild.

Die Geschichte beginnt damit, dass die junge Idilia in ein Höhlensystem fällt. Durch den Aufprall kann sie sich an nichts erinnern. Ihr einziger Gefährte ist eine Schildkröte, die sich in einem Picknickkorb befand, den sie bei sich hatte. Darin war auch ihr Tagebuch, das sie liest, um zu verstehen, was sie hierher geführt hat. Langsam kommen ihre Erinnerungen zurück und sie weiß wieder, dass sie die Verlobte des deutlich älteren Franz Hagerberg ist. Die Hochzeit ist bereits in drei Wochen und Franz, der sie körperlich bedrängt, während sie den Anstand wahren will, betreibt einen kolonialistischen Wanderzirkus, in dem er als „Völkerschau“ Menschen, aber auch Tiere, aus afrikanischen Ländern, die er auf Expeditionen hat anwerben oder stehlen lassen, ausstellt. Das Geschäft läuft schleppend und die Attraktionen sind nur Schau. Deshalb soll der aus dem Kaiserreich Abessinien (heutiges Äthiopien) stammende Caven nicht mehr als afrikanischer Krieger auftreten, sondern als „Menschenfresser“, und einen Kampf mit einem anderen Mann bestreiten. Zwischen Idilia und Caven beginnt eine Romanze. Diese Erinnerungen kommen auf, während Idilia selbst versucht, aus der Höhle zu klettern, dabei erinnert sie sich immer mehr, welche Entscheidungen sie in diese Position gebracht haben.

Die Themen, die 4 Tage bis zur Ewigkeit dabei aufgreift, sind so modern wie zeitlos. Angefangen von der Rolle der Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft, weshalb Idilia ihre Leidenschaft des Zeichnens und Schreibens unter Franz nicht weiterverfolgen soll. Oder dass er über sie verfügen will. Ebenso der alltägliche Rassismus ausgehend von Hochstapler Franz, der seine Schauspielerinnen und Schauspieler als minderwertig betitelt, letztlich jedoch nur die Sensationslust seines primitiven Publikums befriedigt. Doch sind all diese Aspekte in eine Geschichte eingebettet, die diese nur darstellt, ohne wirklich etwas mit ihnen anzufangen. Sie sind mehr ein Hintergrund, um Idilia als Figur vorzustellen, aber eine Komplexität, dass sie beispielsweise anfangs die rassistischen Ansichten teilen würde, ihre Auffassung jedoch korrigiert und ihren Charakter verändert, existiert nicht. Stattdessen wird gezeigt, wie sie in der Höhle, die aus einem Wirrwarr von Gängen besteht, aus dem Nichts Feuer macht, wie sie der Schildkröte, die sie Dave nennt, all ihre Handlungen und Gedanken erklärt, wobei diese Äußerungen freilich für die Zuschauerinnen und Zuschauer gedacht sind, als wüssten die sonst nicht, was Idilia bewegt. Erschwerend kommt hinzu, dass Idilia stets betont amüsant, aufgesetzt keck, fast lächelnd erzählt, als wäre dies für sie nur ein Abenteuer. Eine Verzweiflung in Anbetracht der für sie lebensbedrohenden Situation – auf sich gestellt ohne Nahrung oder Wasser – entwickelt sich in der ersten Filmhälfte nicht.

Unterbrochen wird ihre Suche nach einem Ausgang durch Rückblenden, die mitunter durch einen Blick in ihr Tagebuch hervorgerufen werden, manchmal einfach so, und die sowohl ihre unglückliche Zweckbeziehung zu Franz verdeutlichen als auch ihre Liebschaft mit Caven, die sich von einem Moment auf den anderen entwickelt, ohne dass die Charaktere eine nennenswerte Chemie miteinander entwickeln konnten. Dass die Rückblicke auch Momente umfassen, in denen sie selbst gar nicht zugegen ist, fällt da kaum mehr ins Gewicht. Wohl aber die optische Präsentation von 4 Tage bis zur Ewigkeit, der man nicht nur anhand der begrenzten Anzahl an Figuren das knappe Budget ansieht. Schnelle Kamerafahrten, Zooms und eine weichgezeichnete Optik mit überstrahlenden Hintergründen wirken sehr modern, bis hin zu Makroaufnahmen der Zunge der Protagonistin, wenn sie diese gen Himmel reckt, in der Hoffnung, dass es regnen würde. Ein stimmiges Gesamtbild stellt sich daher nicht ein, selbst wenn die Ausstattung ungeachtet des Studioambientes an sich durchaus vielversprechend ist.

Über Vieles hiervon kann man hinwegsehen, auch darüber, dass die romantische Liebesgeschichte, die die musikalische Untermalung verheißt, durch den einstudiert distanziert wirkenden Umgang der beiden für sich genommen überzeugenden Akteure nie überspringt. Aber wenn Idilia nach Tagen ohne Wasser, mit nie ausgeheilten Wunden im Oberarm, einer Mischung aus Rambo und MacGyver gleich zuerst eine Leiter improvisiert zusammenzimmert, eine Kanone mit Schießpulver abschießt, die sie in der verlassenen Burgruine findet, sich selbst operiert und ihre Wunde ausbrennt sowie aus Steinen eine Treppe über die Burgmauer baut, dann weiß man nicht, ob dies ernst gemeint oder Satire sein soll.
Unbestritten, auf Grund des Nahrungsentzugs vermischen sich in ihrem Delirium Fantasie und Wirklichkeit. Dies zum Ausdruck zu bringen, entspricht künstlerischer wie filmischer Freiheit. Doch den Regisseuren gelingt es nicht, ihren Abstieg in diese Zwischenwelt herauszuarbeiten. Kommen in der zweiten Filmhälfte kurz hintereinander zwei Traumsequenzen oder Dialoge, die Idilia mit sich selbst führt, dann hat es vielmehr den Anschein, als würde 4 Tage bis zur Ewigkeit um jeden Preise die Laufzeit strecken wollen. Das ist schade um die interessanten Ansätze, die hier schlummern.


Fazit:
Es gibt mehrere Aspekte, die einen bei Konstantin Korenchuks und Simon Pilarskis historischem Liebesdrama ratlos zurücklassen. Zum einen folgen die Wechsel zwischen der Erzählung in der Burgruine und Idilias Erinnerungen keinem wirklichen Rhythmus. Auch passen zahlreiche Dialoge nicht zu der Zeit, in der die Geschichte spielt. Nicht zuletzt wirkt die Liebesbeziehung nie romantisch oder leidenschaftlich stimmungsvoll. Dass sie einander anziehen, wird nicht greifbar. Idilia als starke, selbstbewusste Frauenpersönlichkeit vorzustellen, wäre eine gute Idee, doch entdeckt sie just in dem Moment, da sie sie benötigt, eine Armbrust in der Ruine, machen es sich die Verantwortlichen erzählerisch schlicht zu einfach. Wie auch mit Schildkröte Dave als wenig glaubwürdiger Wilson-Ersatz (siehe Cast Away - Verschollen [2000]). Wahrheit und Fiktion verschwimmen zu lassen, ist ein interessanter Ansatz und spiegelt sich auch in den Dialogen wider, wenn es heißt, „der Schlüssel zur Freiheit ist die Fantasie“. Nur vermag die moderne Optik mit der inhaltlichen Ausrichtung der Geschichte nicht zusammen zu passen, selbst wenn einige Perspektiven für sich genommen malerisch anmuten. Nicht nur Hauptdarstellerin Lea van Acken ist dem mühelos gewachsen, auch sonst ist 4 Tage bis zur Ewigkeit ein Film mit offensichtlich guten Absichten, einer Geschichte, die gesellschaftliche Tabus, nicht nur jener Zeit, aufgreift. Doch so lobenswert diese Ansätze im Kern sind, sie sind auf eine Weise verbunden, dass ihre Wirkung großteils verpufft, bis hin zu einem imaginären Epilog, der keinerlei Auswirkung auf die Geschichte, noch eine erinnernswerte Aussagekraft besitzt. Das mag sich als Idee zu lesen interessant anhören, die filmische Umsetzung ist hingegen enttäuschend.