Art Bell & Whitley Strieber: "Sturmwarnung" [1999]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. April 2008
Autoren: Arthur W. "Art" Bell & Louis Whitley Strieber

Genre: Dokumentation / Drama

Originaltitel: The Coming Global Superstorm
Originalsprache:
Englisch
Gelesen in: Englisch
Ausgabe: Taschenbuch
Länge: 287 Seiten
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 1999
Erstveröffentlichung in Deutschland: 2004
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): 0-7434-7065-6


Kurzinhalt:
Regelmäßige Überflutungen, Wirbelstürme ungeahnten Ausmaßes, Winter- und Sommermonate, die mit den kalendarischen nicht mehr übereinstimmen, Taifune in Gebieten, die bislang keine entstehen lassen konnten und Tornados jenseits der 450 Stundenkilometer sind Zeichen dafür, dass das weltweite Wetter nicht mehr in jenen Bahnen verläuft, die wir seit über 100 Jahren kennen.
Auch dass jedes Jahr ein neuer Höchsttemperaturrekord gesetzt wird und die offensichtlich und bewiesen zurückgehenden Eismassen auf der Welt unterstreichen das Naturdrama, das überall Globale Erwärmung genannt wird. Paradox ist dabei, dass Globale Erwärmung früher oder später zu einer neuen Eiszeit führen wird – weil sich die Natur irgendwann ausbalancieren wird.
Eine Möglichkeit einer solchen Balance wäre mittels eines weltweiten Supersturms, der alle bisher dagewesenen Unwetterszenarien bei weitem überschreitet. Hinweise, dass solche Stürme bislang die Erde in regelmäßigen Abständen heimgesucht haben, gibt es, oder werden zumindest vermutet. Angesichts der immer größeren Naturkatastrophen stellt sich außerdem die Frage, wie weit sind wir vom nächsten entfernt?


Kritik:
Niemand würde sich offen gegen die weltweiten Menschenechte einsetzen – oder für Tierversuche – oder gegen den Umweltschutz. Es sind Themen, die alle Bewohner dieses Planeten betreffen, und dementsprechend wichtig sind sie auch für den Fortbestand unserer Spezies. Doch aktiv dafür eintreten, mit Protesten oder Beispielen vorangehend, findet sich kaum jemand, zumindest ein verschwindend geringer Anteil der Bevölkerung. Das schon deshalb, weil es meist mit Aufwand verbunden ist; entweder finanziell oder zeitlich. Darum reden auch alle Menschen vom Umweltschutz und der Erhaltung der Natur auf der einen Seite, kaufen für sich allein einen der immer beliebter werdenden SUVs oder werfen Müll, Zigarettenkippen und Kaugummis auf die Straße, statt in den fünf Meter weiter stehenden Mülleimer. Die Menschen sind eben, und das hat die Geschichte ebenso gezeigt, faul und bequem.
Auch wenn zuletzt Nobelpreisträger Al Gore mit seinem oscargekröntem Dokumentarfilm Eine unbequeme Wahrheit [2006] (basierend auf Vorträgen, die erschon seit Jahren rund um den Globus hält) auf das brisante und hoch aktuelle Thema unserer Natur aufmerksam macht, knapp zwei Jahre später scheint allenfalls die Industrie gefallen am Umweltschutz gefunden zu haben. So kann man überall Energiesparlampen, umweltfreundliche Verpackungen und Ressourcen schonende Kraftfahrzeuge erwerben, die allesamt merklich mehr kosten, als das Umwelt verpestende Pendant. Will heißen selbst hier scheint der durchschnittliche Bürger kurzsichtig und diejenigen, die für die Treibhausgase und die Globale Erwärmung verantwortlich sind, bereichern sich nun an den Versuchen, das Dilemma in den Griff zu bekommen.
Das spekulative Dokudrama Sturmwarnung, das im Original mit "Der kommende, weltweite Supersturm" reißerischer klingt, erschien in den USA bereits vor knapp 10 Jahren und wurde seinerzeit mancherorts gut akzeptiert, von allen konservativen Parteien und Kritikern allerdings in der Luft zerrissen. Man vertrat damals wie heute (und von Autoren wie Michael Crichton in Welt in Angst [2004] noch geschürt) die Haltung, 'es könnte eine Globale Erwärmung geben, ob es ein Problem ist, wissen wir nicht, ob wir daran schuld sind ebenso wenig, aber es ist sicher besser wir warten ab und studieren das Phänomen, bevor wir handeln'. In Europa wurde der Roman besser aufgenommen – in Deutschland erschien er erst zusammen mit Roland Emmerichs Supersturm-Szenario The Day After Tomorrow [2004], dessen Prämisse auf dem Roman basiert.

Die beiden Autoren Bell und Strieber legen dabei von Anfang an fest, worauf ihre Erzählung hinauslaufen wird, wollen aber im Verlauf des Romans die verschiedenen Hintergründe erläutern, die auch herrschen müssen, damit es zu einem Supersturm kommen könnte. Zwar können sie seine Existenz, beziehungsweise die Tatsache, dass es sich dabei um ein zyklisches Phänomen handelt, nur mit Indizien stützen, doch etablieren sie ihre Vermutungen dabei so gekonnt und ausschweifend, dass man als Leser schnell in dem erschreckenden Szenario gefangen ist. Als schwierig erweist sich dabei lediglich die Entscheidung der Autoren, Fiktion und Sachschilderung zu mischen.
So wechseln sich die fachbezogenen Hintergründe und Erklärungen ab mit kursiv gedruckten Kapiteln, in denen aus fiktiver Sicht gezeigt wird, wie wir Menschen einen solchen Supersturm erleben könnten. Dabei werden auch einige Charaktere eingeführt, anhand derer verschiedene Situationen gezeigt werden. Dieser Spagat ist leider nur in begrenztem Maße gelungen, hauptsächlich deswegen, weil man sich als Leser ebenso voyeuristisch wie betroffen fühlt und mitunter sogar Spaß an den chaotischen Schilderungen und den apokalyptischen Zuständen findet. Hätten die Autoren den Weg Crichtons gewählt, das Szenario ausschließlich als fiktiven Roman zu erzählen und ihre sämtlichen Fachinformationen so unterzubringen, hätte das Buch vermutlich auch einen größeren Erfolg gehabt.
Als reiner Sachroman leidet The Coming Global Superstorm unter der Tatsache, dass viele "Fakten" rein spekulativ ausfallen, es zwar Hinweise und Indizien gibt, diese aber nur jeweils durch ein oder zwei andere Autoren gestützt werden. Ganz ohne Zweifel herrscht inzwischen in der Fachwelt Einigkeit darüber, dass ein Abschmelzen der Polkappen zu einem geringeren Salzgehalt des Meerwassers führt – und dieser schließlich die empfindlichen Wasserströmungen stören könnte. Sollte der Golfstrom in der Tat versiegen, stünde weltweit (und insbesondere in der nördlichen Hemisphäre) ein Wetterchaos bevor, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Ob allerdings die mythischen Andeutungen, gefundene Artefakte und die Tatsache, dass es "Hinweise" auf eine alte Zivilisation gibt, von der bis auf ihre Monumente keinerlei Spuren übrig geblieben sind, "Beweis" genug ist, um festzustellen, es muss eine solche Zivilisation gegeben haben und sie wurde von einem Supersturm ausgelöscht, sei dahingestellt. Dies klingt einerseits zu fantastisch und lässt sich nicht wirklich erhärten. Nur weil Archäologen sich manche Monumente der Weltgeschichte nicht erklären können, muss eine von den Autoren aufgestellte Hypothese noch lange nicht als alleingültig zutreffen.

Als ebenfalls schwierig erweist es sich, dass die Autoren in ihren Kapiteln immer wieder Andeutungen auf kommende Themen des Buches machen, die zwar erst später erklärt werden, aber bereits bekannt werden, um den Leser zum weiterblättern zu animieren. Das erinnert frappierend an die Technik bestimmter Dokumentationssendungen im Fernsehen, bei denen kurz vor der Werbeunterbrechung gesagt wird, wie es in wenigen Minuten weitergeht. Das Bell und Strieber diese Technik aber sehr oft verwenden, fällt es umso stärker ins Gewicht, je schnell man den Roman liest.
Ansonsten vermag Sturmwarnung durchaus zu unterhalten und auch zu fesseln, zumal die Hobbyforscher einige Fragen und Vermutungen gesammelt haben, die schon seit vielen Jahren aus verschiedensten Quellen bekannt sind – und bis heute nicht beantwortet wurden. Sei es nun die Tatsache, dass die Sphinx zu einer Zeit entstanden sein soll, die merklich vor der Zeit der Pharaonen liegt, oder aber, dass die Mayas ihre Kulturstätten neuesten Erkenntnissen nach nur benutzten, nicht aber erschaffen haben; von wem die Mayastädte stammen, ist bislang ungeklärt.
Auch die geologischen Abfolgen und klimatologischen Zusammenhänge werden ansprechend und vor allem verständlich vorgebracht, doch fehlt dem Buch in diesem Zusammenhang leider eines: die Überzeugungsfähigkeit eines Bildes. Hätten die Macher das Buch mit Landkarten zu den beschriebenen Epochen versehen, oder aber Wechselwirkungen der Meeresströmungen, Windbewegungen bildlich verdeutlicht, hätte ihre Warnung auch einen durchschlagenderen Erfolg. Ganz zu schweigen von Illustrationen, wie die Welt oder bekannte Städte nach einem solchen Supersturm aussehen würde. Zwar liest sich eine fünfzehn Meter hohe Schneemauer sehr eindrucksvoll, anschaulich zu sehen, wie wenig von den Häusern einer Großstadt danach tatsächlich noch übrig bleiben würde, ist allerdings ein anderes Erlebnis.

Sprachlich gibt es an Sturmwarnung nichts zu bemängeln, das Buch liest sich sehr flott und bleibt doch auch für Einsteiger leicht verständlich. Manche Abschnitte wirken allerdings, als hätten die Autoren sie mehrmals überarbeitet und dabei die Satzstruktur nicht intakt gelassen. Grundsätzlich kann man The Coming Global Superstorm hier aber nichts vorwerfen.
Was bleibt ist eine interessante und packende Schilderung einer Naturkatastrophe, die so abwegig gar nicht ist. Wie wahrscheinlich sie aber ist, sei dahingestellt. Angesichts von Naturkatastrophen wie dem Hurrikan Katrina, der innerhalb von nur einer Woche im August 2005 den US-Bundesstaat Louisiana und New Orleans so verwüstete, dass die Region noch Jahrzehnte benötigen wird, um sich zu erholen, kann man aber nicht behaupten, dass das Wetter heute noch so wäre, wie noch vor 50 Jahren. Dies beweisen erschreckend milde Winter und gleichzeitig Kältezeiten ungeahnten Ausmaßes. Insofern ist die Botschaft von Sturmwarnung, sich aktiv dafür einzusetzen, die Situation nicht schlimmer zu machen durchaus legitim, auch wenn an den Hintergründen und den Vermutungen der Autoren gezweifelt werden darf.


Fazit:
Das Wetter, so sagt man, ist immer für eine Unterhaltung gut. Und es entzieht sich unserer Kontrolle – oder nicht? Zwar können wir das Wetter selbst nicht steuern, doch können wir es bewusst und unbewusst auf eine Art und Weise beeinflussen. Interessanterweise stellen die beiden Autoren Art Bell und Whitley Strieber heraus, dass es ein solches Phänomen wie einen Supersturm schon früher gegeben haben könnte, lange vor Zutun des Menschen. Doch beschleunigen wir durch unsere Verschmutzung der Umwelt und mittels der Globalen Erwärmung die Faktoren, die zu einem neuen Supersturm führen könnten – und die in einem Maße, dass uns nicht genug Zeit bleiben könnte, uns darauf vorzubereiten, geschweige denn uns zu schützen.
Es ist ein erschreckendes Szenario, das die beiden Autoren in Sturmwarnung entwerfen und ich war gefesselt und fasziniert von den simplen und verständlichen Erklärungen, die die beiden Hobbymeteorologen für die Zusammenhänge und Hintergründe eines solches Sturms liefern. Auch die Tatsache, dass sie sich Kulturen und Artefakten widmen, die der Wissenschaft heute noch Rätsel aufgeben, macht die kurzweilige Lektüre mehr als interessant – und lehrreich.
Doch fielen meiner Meinung nach diejenigen Kapitel heraus, die den Verlauf eines weltumspannenden Supersturms aufzeigen und den Leser mit einigen Figuren mitfiebern lassen. Dies scheint der Thematik entweder nicht angemessen, oder aber schlicht nicht recht ausgearbeitet – hätte man dies in zwei getrennten Büchern behandelt, hätte es womöglich anders gewirkt, so allerdings erscheint es voyeuristisch.
Nichtsdestotrotz bleibt der Roman wichtig und – und Beweisbarkeit der Behauptungen außer Acht gelassen – notwendig, um die Menschen aufzurütteln und zu einem aktiven Umweltschutz zu bewegen. Die Begründung, dass einer allein nichts verändern könne, ist dabei nur eine Ausrede, sich nicht selbst zu engagieren; und ein Eingeständnis an die eigene Unfähigkeit.