Rita Falk: "Sauerkrautkoma" [2013]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Oktober 2013
Autor: Rita Falk

Genre: Krimi / Komödie

Originalsprache: Deutsch
Gelesen in: Deutsch
Ausführung: Hörbuch
Laufzeit: 6 Std. 49 Min.
Erstveröffentlichungsland: Deutschland
Erstveröffentlichungsjahr: 2013
Erstveröffentlichungsjahr der Ausgabe: 2013
ISBN-13-Nr. der Ausgabe: 978-3-86231-307-5

Sprecher: Christian Tramitz


Kurzinhalt:
Da Franz Eberhofer als Dorfpolizist im bayerischen Niederkaltenkirchen so erfolgreich ist, wird er in die Höhle des Löwen nach München versetzt, um dort für eine bessere Aufklärungsrate zu sorgen. Dass insbesondere sein Vorgesetzter über diesen Schritt nicht erbaut ist, ist nachvollziehbar – Eberhofer selbst ist es auch nicht. Zum einen, da ihn nun Stunden vom fabelhaften Essen der Oma und seinem Hund Ludwig trennen. Zum anderen, weil er noch weniger Zeit für seine Lebensgefährtin Susi hat. Ausgerechnet jetzt kehrt ihr ehemaliger Mitschüler Karl-Heinz, inzwischen ein erfolgreicher Computerexperte, in Susis Leben zurück und versucht offen, sie abzuwerben. Es scheint, als käme Eberhofer nicht um eine Heirat herum, wenn er Susi halten will.
Dabei hat er in München bereits mit seinem ersten Fall zu kämpfen, in den auch sein Papa verwickelt ist. In dessen zuerst entführtem und dann wieder aufgetauchtem Oldtimer lag im Kofferraum eine Leiche. Die vermutlich erwürgte, junge Branka stellt Eberhofer vor ein Rätsel. Umso mehr, da ihn die Spur nach Grünwald führt. Dort hatte Branka für die Familie Dettenbeck gearbeitet, die mit der kleinen Alexa, Sohn Damian und der Haushälterin Frau Schneller alles aufbietet, was eine gut betuchte Familie eben so aufbieten kann. Nur wer ist der Täter und was ist das Motiv?


Kritik:
In Rita Falks neuestem Provinzkrimi um den urbayerischen Polizisten Franz Eberhofer verschlägt es diesen auf Grund seiner umwerfenden Aufklärungsbilanz direkt nach München. Nach Winterkartoffelknödel [2010], Dampfnudelblues [2011], Schweinskopf al dente [2011] und Griessnockerlaffäre [2012] ist Sauerkrautkoma der inzwischen fünfte Roman um den freistaatlichen Ermittler. Die Hörbuchausgabe wird erneut von Christian Tramitz gelesen und entfaltet dank seiner Ausdrucksweise ein sofort spürbares Flair, das die Geschichte bis zum Schluss trägt. Aber während sich die Autorin sehr auf den humorvoll dargebrachten Lokalkolorit konzentriert, scheint sie zu vergessen, dass ihre Kriminalgeschichte ebenfalls erzählt werden will. Sie versucht, all den Figuren, die großteils aus vorigen Romanen bekannt sind, gerecht zu werden. Die Story allerdings kommt dabei mehr als einmal ins Stocken.

Es gibt den Ausspruch, München sei ein Dorf. Das dürfte nicht nur an dem Gemüt der Bewohner liegen und dem steht auch die Einwohnerzahl von beinahe eineinhalb Millionen Menschen im Weg. Doch Sauerkrautkoma als "Provinzkrimi" zu bezeichnen, lässt sich eher darauf zurückführen, dass Falk mehr Zeit darauf verwendet, Eberhofers Heimat Niederkaltenkirchen (ein Ort, der sich auf keiner Landkarte finden lässt) und dessen urige Urgesteine zu beschreiben, als die bayerische Landeshauptstadt. Dabei wäre die Möglichkeit doch günstig gewesen, abgelegene, weniger bekannte Orte in München so auch einer größeren Leserschaft nahezubringen. Man stelle sich nur eine Schnitzeljagd à la Dan Browns Sakrileg [2003] in München vor – aber ich schweife ab.

Den provinziellen Charme erhalten der Roman und auch die Hörbuchfassung insbesondere durch die Wortwahl und die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird. Grammatikalisch undenkbare Konstellationen, die jeder Schülerin und jedem Schüler angekreidet würden, finden sich hier von der ersten Seite an. Dass die Geschichte vom Ich-Erzähler geschildert wird, versetzt einen nur noch mehr in die Situation, dass Christian Tramitz die Erlebnisse wie in einem Gespräch schildert. Auch verwendet die Autorin viel Zeit darauf, Franz Eberhofers Privatleben zu beleuchten, das sich nicht nur durch seinen Weggang aus Niederkaltenkirchen in Aufruhr befindet.
Um seine Beziehung zur Susi steht es schlecht, seit ihr Mitschüler aus Kindertagen, Karl-Heinz, inzwischen ein erfolgreicher Computerspezialist, wieder in ihr Leben getreten ist und ganz offen um sie wirbt. Dabei glaubt Franz, er könne seinem Rivalen ein Schnippchen schlagen, indem er der Susi einen Antrag macht. Nur sollte er sich dabei nicht so ungelenk und plump anstellen, wie er es wiederholt tut. Darüber hinaus ist sein von ihm nicht wirklich geliebter Bruder wieder zuhause eingezogen, nach einem Streit mit seiner Frau Panida und als wäre all das nicht genug, wird Papas Opel Admiral zuerst gestohlen, und nachdem er wieder auftaucht, befindet sich im Kofferraum eine Leiche.

Die Ermittlungen ergeben, dass es sich bei der ermordeten Frau um eine Serbin namens Branka Ibranovic handelt und die Spur führt Eberhofer in Münchens Nobel-Stadtteil Grünwald zu der Familie Dettenbeck. Beginnt Falk die eigentliche Ermittlung, kommt in die gemächliche Erzählung durchaus Bewegung. Einen tatsächlichen Spannungsbogen gibt es aber nicht. Vielmehr trägt die kantige Hauptfigur das Geschehen weiter. Dabei verbirgt sich hinter dem Mord an dem Au-pair-Mädchen ein durchaus interessanter Fall. Um ein paar kleine Intrigen aufgebessert, hätte aus Sauerkrautkoma ein Tatort-würdiger Krimi werden können. Nicht zuletzt, da der Mord eine unvorhergesehene, zusätzliche Tragik beinhaltet.
Aber nicht nur, dass der Roman statt diesen Aspekt auszubauen, weiter auf die Urigkeit der "bayerischen Behäbigkeit" setzt, die sich vor allem in Eberhofers mangelndem Feingefühl ausdrückt (man kann nur hoffen, dass kein Polizist der Welt Hinterbliebenen den Tod eines geliebten Menschen auf diese Weise nahezubringen versucht), er reduziert das Wesen der Bayern auf viele bekannte Klischees. Von der mangelnden sprachlichen Anpassung an das amtsübliche Hochdeutsch, bis hin zu Lieblingsspeisen wie Leberkässemmeln oder Omas Knödel. Als angenehmes Hintergrundrauschen ist das zwar nie unangenehm, auch wenn einige Formulierungen hier herausfallen, und über weite Strecken durchaus amüsant, aber auch vollkommen belanglos.


Fazit:
Nicht unbedingt auf Grund der Länge, sondern eher auf Grund des Themas erinnert Sauerkrautkoma ein wenig an einen Groschenroman. Das Wort klingt dabei negativer, als es gemeint ist. Vielmehr bereitet es eine Geschichte auf, die durch Wiedererkennungsmerkmale wie die bayerischen Gepflogenheiten die Leser ansprechen soll. Das eigentliche Thema interessiert dabei deutlich weniger als die Situationen, die daraus entstehen und wie diese die Figuren handeln lassen. Der Sprachgebrauch ist mitunter überraschend derb, was wohl dem Lokalkolorit geschuldet sein soll. Dank Christian Tramitz' Lesung klingen aber auch diese Momente nie so hart, wie man sie verstehen kann. Wie er die Hauptfigur Eberhofer zum Leben erweckt, ist überaus gelungen und täuscht beinahe hinweg, dass "der Franz" im Grund genommen nicht direkt ist, sondern das Einfühlungsvermögen eines Vorschlaghammers besitzt. Zu sehen nicht zuletzt am durchaus überraschenden Ende.
Fans der Reihe wird auch das neueste Werk aller Voraussicht nach ansprechen, für sich genommen ist die Geschichte zu sehr Provinz und zu wenig Krimi. Der Charme des ländlichen Bayern lässt sich in die Landeshauptstadt aber nur schwer übertragen und so zählen die Szenen dort zu den schwächeren. Auch, weil es Autorin Rita Falk versäumt, der Stadt irgendeine neue Facette abzugewinnen.
Nach den vielen Lorbeeren im Vorfeld habe ich einen amüsanten, vielleicht sogar entlarvenden Krimi mit liebenswerten Figuren und vielleicht sogar pointiertem Humor erwartet. Doch sympathisch erscheint Franz Eberhofer nicht, es werden bekannte Klischees bedient, anstatt Neues zu entdecken und wenn Falks Spitze der Selbstironie der Verweis auf die Verfilmung ihres eigenen Romans ist, würde ich mich gern auf den Krimi verlassen können. Gerade der wird aber sträflich vernachlässigt. Sauerkrautkoma ist zwar unterhaltsam, aber weder zum Schreien komisch, noch wirklich packend.