Jack Ryan: Staffel 1 [2018]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. September 2020
Genre: Thriller / Action / Drama

Originaltitel: Jack Ryan: Season 1
Laufzeit: 400 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Morten Tyldum, Daniel Sackheim, Patricia Riggen, Carlton Cuse
Musik: Ramin Djawadi
Besetzung: John Krasinski, Wendell Pierce, Abbie Cornish, Ali Suliman, Haaz Sleiman, Dina Shihabi, Nadia Affolter, Arpy Ayvazian, Karim Zein, Marie-Josée Croze, Stéphane Krau, John Magaro, Amir El-Masry, Chadi Alhelou, Kamel Labroudi, Timothy Hutton


Kurzinhalt:

Als CIA-Finanzanalyst Jack Ryan (John Krasinski) eine Reihe verdächtiger Überweisungen entdeckt, ist er sich sicher, dass dahinter ein bislang von den Geheimdiensten nicht beachteter Terrorist steckt: Suleiman (Ali Suliman). Entgegen der Anweisungen seines neuen Vorgesetzten James Greer (Wendell Pierce) lässt Ryan die Gelder einfrieren. Sein Schachzug zeigt Wirkung und so wird Ryan von seinem ersten Treffen mit der Ärztin Cathy Mueller (Abbie Cornish) abberufen und fliegt in den Jemen, um die Spur Suleimans zu verfolgen. Die Ermittlungen deuten darauf hin, dass dieser zusammen mit seinem Bruder Ali (Haaz Sleiman) ein neues Terror-Netzwerk aufbaut, das international Anschläge durchführt. Die von Ryan abgefangenen Überweisungen lassen vermuten, dass ein großer Angriff bevorsteht. Suleimans Frau Hanin (Dina Shihabi) ist unterdessen um das Wohl ihrer Kinder besorgt und steht vor einer weitreichenden Entscheidung …


Kritik:
Mit John Krasinski schlüpft der fünfte Darsteller in die Rolle des Titel gebenden CIA-Analysten Jack Ryan. Das nur wenige Jahre nach dem misslungenen Neustart einer Filmreihe um die beliebte Romanfigur von Tom Clancy mit Jack Ryan: Shadow Recruit [2014]. In Staffel 1 von Jack Ryan stellen die Macher eindrucksvoll heraus, weshalb Geschichten um den sympathischen Charakter überaus erfolgversprechend sind. Der Neustart im Mini-Serien-Format ist überaus gelungen, bietet aber noch Potential für Verbesserungen.

In acht Episoden erzählt Jack Ryan eine politisch aufgeladene Thriller-Story mit bedauerlicherweise hochaktuellen Bezügen. Im Zentrum steht zwar der Analyst des Geheimdienstes CIA, doch nimmt vor allem die Figur seines Gegners erstaunlich viel Raum ein. Die Geschichte erzählt keine der mehr als zwei Dutzend Vorlagen nach, sondern greift Themen auf, die man beim Blick in die Tageszeitung wiedererkennen könnte. Es beginnt damit, dass dem Finanzanalyst Ryan Überweisungen auffallen, von denen er der Meinung ist, sie könnten mit dem jemenitischen Terroristen Suleiman in Verbindung stehen. Von dem wird bislang nur gesprochen, die Geheimdienste beschäftigt er bis dahin noch nicht. Entgegen der Anweisungen seines neuen Vorgesetzten James Greer, lässt Ryan die Transaktionen einfrieren und wird so auf Suleimans Netzwerk aufmerksam. Was dann beginnt, sollte möglichst nicht verraten werden, auch wenn die Entwicklung der Story keine großartigen Überraschungen bereithält.

Ungeachtet mancher Actionmomente lebt Staffel 1 von Jack Ryan vielmehr von der Glaubwürdigkeit dessen, was gezeigt wird. Ein Angriff auf eine Glaubensgemeinschaft zählt unweigerlich zu den erschreckendsten und verstörendsten Momenten, doch auch wenn Fluchtwege zusammen mit den Machenschaften, die hinter der unfassbaren Not der betroffenen Menschen stehen, nachgezeichnet werden, macht die greifbare Darstellung des Gezeigten beinahe fassungslos. Dass dem so ist, liegt nicht nur an der hochwertigen und aufwendigen Produktion, sondern auch an den Figuren selbst, durch die man diese Geschichte beobachtet.
Was diesen „Ryan“ von den vorigen Interpretationen des langlebigen Romanhelden unterscheidet, ist sein Idealismus. Obwohl er ein versehrter Kriegsveteran ist, der die Nachwirkungen seiner Einsätze nicht nur am eigenen Körper, sondern auch dann sieht, wenn er nachts die Augen schließt, ist Ryan davon überzeugt, ohne die im schmutzigen Alltagsgeschäft der Geheimdienste oftmals erforderlichen Kompromisse zum Ziel gelangen zu können. In der Rolle ist John Krasinski erstklassig besetzt. Er verleiht seinem filmischen Alter Ego eine spürbare Konzentration und gleichzeitig ein überwältigendes Bedürfnis, das Richtige zu tun.

Die Integrität, die er ausstrahlt, macht ihn umso sympathischer in einer Story, in der die Rollen von Gut und Böse nicht immer eindeutig zu unterscheiden sind. Ohne in Klischees zu verfallen, schildern die Macher auch den Werdegang des Bösewichts und stellen dabei seine Motivation zumindest insoweit hervor, dass das Publikum nachvollziehen kann, weswegen er ein solch großes Gefolge an sich bindet. Doch gibt es bei Jack Ryan hier wenig Neues zu entdecken. Eine Stärke der ersten Staffel ist hingegen die Nebenhandlung um die Frau des Terroristenführers, die von Dina Shihabi preiswürdig verkörpert ist. Durch sie wird man in eine Situation versetzt, die letztlich nur Verluste hervorbringen wird. Ebenso die Figur des Drohnen-Piloten, sehenswert gespielt von John Magaro. Einer unpersönlichen Kriegsführung ein Gesicht zu verleihen und aufzuzeigen, was dies mit den Pilotinnen und Piloten anrichtet, ist insbesondere in Hinblick auf das militäraffine US-amerikanische Publikum ein gewagter Schritt, doch er verdeutlicht, dass die Macher gewillt sind, unbequeme Wege zu gehen.

Hier wird jedoch auch einer der beiden größten Schwachpunkte der Staffel deutlich: So interessant die Figur des Drohnenpiloten ist, sie ist für die Story am Ende nicht notwendig. Seine Entwicklung ist von der der eigentlichen Handlung beinahe vollkommen losgelöst, wäre es nicht um eine kurze Szene. Hätten die Macher ihn wenigstens beim Finale des acht Episoden umspannenden Erzählbogens eingebunden, könnte man die Notwendigkeit der Figur nachvollziehen, doch dieses Potenzial wird bedauerlicherweise verschenkt. So wie das Finale insgesamt. Nachdem die Geschichte in sieben Folgen teils auf mehreren Ebenen vorbereitet wird, gerät der eigentliche Abschluss schlicht enttäuschend und ist der Erwartung, die aufgebaut wird, nicht angemessen. Die letzten 45 Minuten sind damit die schwächsten der gesamten Staffel und lassen bis dahin eingebundene Nebencharaktere wie die mögliche Liebschaft für den zurückhaltend schüchternen Jack Ryan, die Epidemiologin Cathy, schlussendlich leider außen vor.

Handwerklich steht die von Amazon Studios produzierte und im Streamingangebot verfügbare Serie anderen kinotauglichen Produktionen dagegen in nichts nach. Die Drehorte wirken authentisch und unterstreichen mit der internationalen Verteilung in den USA, Europa und dem Nahen Osten das Metier, in dem sich Hauptfigur Jack Ryan bewegt. Die Actionszenen sind packend umgesetzt und entgegen des Trends vieler moderner Produktionen, verlassen sich die Macher nicht zu sehr auf verwackelte Handkameraeinstellungen, um Realismus zu suggerieren, sondern legen den Fokus auf den Thriller-Aspekt der Story, bei der sich manche Zusammenhänge dem Publikum erst dann erschließen, wenn auch Ryan und Greer an der Lösung angelangt sind.
Das alles ist sehenswert und erstklassig dargebracht, doch ändert dies nichts daran, dass man diese Art Geschichte schon mehrmals gesehen hat. Jack Ryan: Staffel 1 ist in vielerlei Hinsicht mehr die Variation von bekannten Themen, als ein wirklich neues. Mit der Begrenzung auf acht Episoden haben sich die Macher dabei unnötige Beschränkungen aufgelegt und man würde sich am Ende wünschen, dass die Staffel ein paar Folgen länger dauern würde, um die letzten Entwicklungen der Geschichte auch zu Ende erzählen zu können. Darüber hinaus kommen Figuren wie das Team um Ryan und Greer merklich kurz. Als Auftakt einer Neuinterpretation der bekannten Figur, ist dies aber mehr als nur gelungen und ein Highlight angesichts der Flut an Streamingsendungen.


Fazit:
Trotz der unterschiedlichen Filmschaffenden im Hintergrund macht Staffel 1 der Thriller-Serie Jack Ryan nie den Eindruck, als würde sie aus acht einzelnen Episoden bestehen. Vielmehr wirkt die zusammenhängende Geschichte, als wäre sie genau das, eine große Story. Die ist um ebenso bereichernde wie interessante Nebenhandlungen erweitert, die die Figuren vertiefen, inhaltlich neue Wege geht die Auftaktstaffel dabei jedoch nicht. Dafür wartet sie mit greifbaren Charakterentwicklungen auf und legt einen überraschenden Fokus auf Ryans Widersacher Suleiman. Dessen Plan ist so erschreckend wie glaubwürdig und sieht man die Geschichte sich entfalten, kommen nie Zweifel auf, dass sich das Gezeigte eben so zutragen könnte. Tadellos gefilmt und hochwertig produziert, überzeugt die Staffel insbesondere durch die gelungene Besetzung, angeführt von dem vermutlich besten Jack Ryan, den es bislang auf der großen oder kleinen Leinwand zu sehen gab. Würden sich die Macher zum Ende ihrer Geschichte etwas mehr Zeit nehmen, die Story in neue Richtungen zu entwickeln und zu einem langsameren Abschluss zu bringen, anstatt innerhalb einer Stunde alle Fäden zusammenzuführen, wäre der Auftakt noch besser gelungen.
Aber nicht nur für einen Einstand ist dies gelungene Thriller-Unterhaltung und darum eine klare Empfehlung.