Jagd auf einen Unsichtbaren [1992]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Juli 2020
Genre: Science Fiction / Komödie / Thriller

Originaltitel: Memoirs of an Invisible Man
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: USA / Frankreich
Produktionsjahr: 1992
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: John Carpenter
Musik: Shirley Walker
Besetzung: Chevy Chase, Daryl Hannah, Sam Neill, Michael McKean, Stephen Tobolowsky, Jim Norton, Pat Skipper, Paul Perri, Richard Epcar, Steven Barr, Gregory Paul Martin, Patricia Heaton


Kurzinhalt:

Finanzanalyst Nick Halloway (Chevy Chase) ist ein Schürzenjäger und weiß obendrein, das Beste aus seinem Job herauszuholen, ohne sich dabei zu verausgaben. Direkt, nachdem ihm Alice (Daryl Hannah) den Kopf verdreht hat, begibt er sich unausgeschlafen zu einem wichtigen Geschäftstermin. In dem Gebäudekomplex finden auch wissenschaftliche Experimente statt, und als Folge eines Unfalls wird Nick unsichtbar. Weiß er selbst anfangs noch nicht, wie ihm geschieht, sieht CIA-Agent Jenkins (Sam Neill) das Potential eines Agenten, der überall hingehen könnte, ohne entdeckt zu werden. Als Nick erfährt, was die CIA mit ihm vorhat, flieht er und macht sich auf die Suche nach einem Weg, wieder sichtbar zu werden. Doch Jenkins ist ihm mit seinen Leuten nicht nur dicht auf den Fersen, sondern mitunter auch einen Schritt voraus. So ist am Ende Alice die Einzige, an die sich Nick wenden kann. Selbst, wenn er sie damit auch in Gefahr bringt …


Kritik:
John Carpenters Jagd auf einen Unsichtbaren erinnert in vielerlei Hinsicht an Filme, mit denen Regisseur Jack Arnold in den 1950er-Jahren bekannt geworden ist. Creature-Features wie Der Schrecken vom Amazonas [1954], Tarantula [1955] oder Die unglaubliche Geschichte des Mr. C [1957] zeichneten sich weniger durch die Ausführung der Geschichte aus, als durch ihre interessante Grundidee. Und dadurch, dass sie die Filmemacher ermöglichten, bis dahin nie Dagewesenes auf die Leinwand zu zaubern. Eines lässt ausgerechnet Carpenter als Meister des Horror-Genres (Das Ding aus einer anderen Welt [1982] oder Halloween - Die Nacht des Grauens [1978]) leider vermissen: Die Ernsthaftigkeit. Obwohl die ernsteren Aspekte dessen, was mit der Hauptfigur hier geschieht, kurz angerissen werden, die „Memoiren eines Unsichtbaren“, wie der Filmtitel korrekterweise lauten sollte, beschreiben eine Liebeskomödie mit einem Hauch Science Fiction. Damit verschenken die Macher viel Potential.

Hierzu soll gesagt sein, dass Carpenter nicht der ursprüngliche Regisseur des Projekts gewesen ist. Doch nachdem sich der Star der Produktion, Chevy Chase, mit Ivan Reitman (Ghostbusters - Die Geisterjäger [1984]) überworfen hatte, fiel die Wahl auf John Carpenter. Dass der jedoch bei weitem nicht die Art der künstlerischen Kontrolle innehatte, wie er es gewohnt war, sieht man auch daran, dass dem Filmtitel nicht sein Name vorangestellt ist, wie oftmals der Fall. Er hatte offenbar mit Chase und Ko-Darstellerin Daryl Hannah „zu kämpfen“, die dem Studio unverzichtbar schienen. Genutzt hat es wenig, am Ende war Jagd auf einen Unsichtbaren kein finanzieller Erfolg vergönnt. Das könnte unter anderem daran liegen, dass der Geschichte eben die vorgenannte Ernsthaftigkeit fehlt, oder dass sich das Publikum schlicht mehr versprochen hatte. Dabei gibt es einige gute Ideen zu entdecken und auch der Unterhaltungswert ist unbestritten. Es sind vielmehr einige kreative Entscheidungen, die den Spaß am Zusehen mindern – und die Tatsache, dass die Story nur selten die Zugkraft entwickelt, die sie aufbauen müsste, um mitzureißen.

Dabei basiert Jagd auf einen Unsichtbaren auf dem gleichnamigen Roman von Harry F. Saint aus dem Jahr 1987 und nicht auf H. G. Wells’ Klassiker Der Unsichtbare [1897]. Die Geschichte wird erzählt als Rückblick, genauer gesagt als Videoaufnahme des Titel gebenden Mannes, Finanzanalyst Nick Halloway, der bei einem Treffen der Anteilseigner eines Technologieunternehmens einen Unfall verursacht, durch den das Gebäude, in dem sich das Labor befindet, und er selbst, unsichtbar werden. Mit Haut und Haaren – und seiner Kleidung. Als der skrupellose CIA-Agent Jenkins auf Nicks Zustand aufmerksam wird, sieht er in ihm eine perfekte Waffe, doch Nick entkommt und wird fortan gejagt. Gleichzeitig hindert sein neuer Zustand ihn daran, der Frau, die er kürzlich kennengelernt hat, Alice, nahe zu sein. Diese zwei Erzählstränge, einerseits die Liebesgeschichte um Alice und Nick, andererseits um Nick auf der Flucht vor Jenkins und seinen Helfern, versucht John Carpenter gleichzeitig zu erzählen, doch es gelingt ihm nur bedingt.

Ein grundlegendes Manko daran ist, dass Nick Halloway anfangs nicht sehr sympathisch ist. Er wird als Frauenheld beschrieben – und unterstreicht dies in seinem Umgang mit Alice in der nächsten Sekunde. Dann gibt er sich als nur mäßig an seiner Arbeit interessiert, um am nächsten Tag vollkommen verschlafen bei einem Geschäftstermin zu sitzen und sich in einem fremden Gebäude in einem Büro hinzulegen. Wieso sich das Publikum für sein Schicksal interessieren sollte, wird nicht so recht klar, zumal Alice für eine gewisse Zeit quasi aus der Geschichte verschwindet, nur um dann in der zweiten Hälfte eine größere Rolle zu spielen. Der interessantere Aspekt, wie sich jemand, der unsichtbar ist, tatsächlich wehren können sollte, wie er inmitten einer Menschenmenge trotzdem isoliert ist, wird zwar kurz angerissen, aber die Einsamkeit, die mit Nicks neuer Situation einhergeht, wird nicht wirklich beleuchtet.
Dafür, und das ist die Verbindung zu den eingangs genannten, Genre prägenden Filmen von Jack Arnold, wartet Jagd auf einen Unsichtbaren mit Eindrücken auf, die das Publikum in dieser Form noch nie zuvor gesehen hatte. Sich selbst bewegende Stühle oder in der Luft schwebende Stifte waren auch 1992 nichts wirklich Neues. Aber zu sehen, wie ein Unsichtbarer einen Kaugummi kaut, oder sein Gesicht angemalt wird und man diese „Maske“ von vorn und von hinten betrachten kann, ist ebenso verblüffend, wie wenn nur seine Kleidung scheinbar Squash spielt oder am Strand joggt.

Diese Bilder sind es auch, die bei Jagd auf einen Unsichtbaren in Erinnerung bleiben. Dass Nick Halloway die meiste Zeit jedoch nicht wirklich unsichtbar ist, sondern die übrigen Beteiligten um ihn herum spielen, als wäre er schlicht nicht da, ist der Herangehensweise der Filmemacher geschuldet. So bekommt man Hauptdarsteller Chevy Chase nicht nur ständig zu sehen, es zerstört zusehends die Illusion eines wirklich unsichtbaren Protagonisten. Nichtsdestotrotz, die Trickeffekte sind, wenn auch aus heutiger Sicht oftmals leicht zu erkennen, für die damalige Zeit wegweisend, aufbauend auf den technischen Meilensteinen Abyss – Abgrund des Todes [1989] und Terminator 2 – Tag der Abrechnung [1991], die die hier gezeigten Bilder überhaupt erst ermöglichten. Sieht man John Carpenters Film als reine Unterhaltung und als Leinwand für die technischen Möglichkeiten jener Zeit, ist er immer noch sehenswert. Dass die Geschichte hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt, ist dabei spürbar schade.


Fazit:
Es muss nicht einmal an Hauptdarsteller Chevy Chase liegen, aber die Hauptfigur an sich ist weder sonderlich interessant, noch ist seine Flucht wirklich packend. Auch verpasst die Geschichte die Chance, eine Dringlichkeit aufzubauen, wie dass er seinen Zustand nur in einer gewissen Zeit umkehren kann. Anfangs scheint er darauf zwar aus, doch auch diesen Storyzweig verlieren die Macher aus den Augen. Dafür nimmt die Liebesgeschichte in der zweiten Filmhälfte spürbar mehr Raum ein. Bedauerlicherweise ist die Chemie zwischen den beiden Hauptakteuren schwerer zu finden, als der unsichtbare Protagonist. Nimmt die Geschichte Fahrt auf in den wenigen Actionmomenten, zeigt Regisseur John Carpenter, dass er handwerklich tadellose Action umzusetzen vermag. Die eingebetteten Trickeffekte sind mitunter auch heute noch staunenswert, für die damaligen Verhältnisse ohnehin. Wenn Nick isst oder raucht, sieht das klasse aus und das nur stellenweise unsichtbare Labor zu Beginn ist schlicht fantastisch. Auch die Musik von Shirley Walker ist ein Highlight, ebenso wie Sam Neill, der als Schurke zumindest Vieles wieder wettmacht, was Chase vermissen lässt. Ungeachtet des Unterhaltungswerts, lässt Jagd auf einen Unsichtbaren viel Potential ungenutzt.