Mother! [2017]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. August 2018
Genre: Drama / Fantasy / Horror

Originaltitel: Mother!
Laufzeit: 121 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Darren Aronofsky
Darsteller: Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Ed Harris, Michelle Pfeiffer, Brian Gleeson, Domhnall Gleeson, Jovan Adepo, Amanda Chiu, Patricia Summersett


Kurzinhalt:

Als Sie (Jennifer Lawrence) erwacht, ist das große Haus verlassen. Das Haus, das sie renoviert, nachdem es zuvor abgebrannt war. Er (Javier Bardem) ist ein Schriftsteller, der keine neuen Worte zu Papier bringt. Eines Tages steht ein Mann (Ed Harris) vor ihrer Tür, den Er einlädt, in dem Haus zu bleiben. Wenig später trifft die Frau (Michelle Pfeiffer) des Mannes ein und kurz darauf ihr jüngerer (Brian Gleeson) und ihr ältester Sohn (Domhnall Gleeson). Es kommt zwischen den Söhnen zu einem tödlichen Streit, der erst der Anfang dessen darstellt, was sie in ihrem Haus erwartet. Denn je mehr Gäste Er einlädt, umso mehr fühlt Sie sich überfordert, bis nicht nur die Situation eskaliert, sondern die Dinge drohen, sich auf ewig zu wiederholen …


Kritik:
Darren Aronofskys Mother! ist kein Film, den man betrachten kann, oder sollte. Es ist ein visuell beeindruckendes Werk, bei dem man nicht umhin kommt, es zu erleben. Sei es durch die kraftvollen Darbietungen, den Handlungsablauf, der keinen Konventionen zu folgen scheint, oder des immer intensiver werdenden Chaos, das sich in dem beschaulichen, an den Garten Eden erinnernden Schauplatz abspielt. Die Wirkung all dessen wird für jede und jeden anders sein. Was am Ende aber bleibt ist die durchaus berechtigte Frage des Publikums, wozu all das – abgesehen vom künstlerischen Anspruch um seiner selbst Willen – dienen soll.

Nach einer kurzen, beunruhigenden Einstellung des Gesichts einer schwer misshandelten Frau, die von Flammen verzehrt zu werden scheint, beginnt der Film damit, dass eine junge Frau, gespielt von Jennifer Lawrence, in einem großen Haus erwacht. Es scheint ein altes Haus zu sein, das sie selbst renoviert. Ihr Mann, der ebenfalls nie mit Namen angesprochen wird, ist Schriftsteller – er erschafft und ist doch nicht in der Lage, etwas zu Papier zu bringen. Eines Tages treffen Fremde bei ihnen ein, zuerst ein Mann, dann eine Frau und schließlich deren beide Söhne, von denen einer den anderen im Streit tötet. Führt man sich den Handlungsablauf so komprimiert vor Augen, wird auch schnell deutlich, was Mother! darstellen soll. Dass die Geschichte eine Allegorie ist, ist offensichtlich, ich muss allerdings gestehen, dass es mir selbst erst beim Finale wie Schuppen von den Augen fiel, worauf.

Bis es soweit ist, nimmt sich Filmemacher Aronofsky viel Zeit, in der das Geschehen immer grotesker werdende Züge annimmt. So entdeckt die Frau (Lawrence), dass im Keller ein geheimer Raum eingemauert ist, und obwohl sich die ersten Gäste unangemessen zügellos benehmen, lädt ihr Mann immer mehr Fremde in das Haus ein, das zusehends verwüstet wird. Schließlich entwickelt der Blutfleck des Brudermordes gewissermaßen ein Eigenleben.
Was bei Mother! früh auffällt, ist das Fehlen eines greifbaren Zeitablaufs. Weder gibt es einen nachvollziehbaren Rhythmus für Tag und Nacht, noch für die Jahreszeiten selbst. Es ist, als würde die Handlung außerhalb dieses weltlichen Rahmens existieren, was gewissermaßen auch der Fall ist.

Handwerklich ist das vom ersten Moment an ungemein beeindruckend, mit einem Tondesign, das weniger durch die Abwesenheit der Musik überrascht, als durch die Abmischung dessen, was zu hören ist. Selten besitzen allein die Dialoge eine so bidirektionale Räumlichkeit wie hier. Der Sound umfasst gleichermaßen tiefe Bässe, die eindringlich verdeutlichen, dass hier etwas unter der Oberfläche brodelt, aber auch feine, hohe und beinahe zerbrechlich klingende Töne, die nur im Arbeitszimmer des Autors zu hören sind und in entscheidenden Moment in den Vordergrund gestellt werden.
Hinzu kommt eine Optik, die Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence auf eine Art und Weise in Szene setzt, die nichts verzeiht. Es ist, als würde die Perspektive aus der Person heraus auf sie umgedreht. Meist wird sie zentral und unnachgiebig eingefangen. Die Kamera bewegt sich stets bei und mit ihr. Die Bilder allein machen Mother! nicht erst beim überaus brutalen Finale merklich anstrengend.

In der tragenden Rolle gelingt Jennifer Lawrence eine bemerkenswerte Darbietung. So sehr, dass sich ihre Nominierung für den Schmähpreis der Goldenen Himbeere wohl am ehesten mit der Unverständlichkeit der Verhaltensweisen ihrer Filmfigur, als mit ihrer Darstellung derselben erklären lässt. Die übrige Besetzung ist nicht weniger gelungen. Doch es ist hiermit wie mit der Inszenierung selbst: Ohne über die längste Zeit die Bedeutung des Gezeigten zu verstehen, ist das zu beobachten zwar verstörend und beunruhigend, doch es fehlt eine nachvollziehbare Bezugsperson, damit es auch emotional mitnehmen würde. Unbestritten hat sich Regisseur Darren Aronofsky viele Gedanken gemacht, was er in Mother! zeigen möchte und wie. Sein ganzer Film ruft dem Publikum zu, dass dies mehr zu bedeuten hat, als man sieht. Nur verkommt das Werk so zum reinen Selbstzweck, anstatt tatsächlich etwas auszusagen.


Fazit:
Tolle Darbietungen, ein fantastisches Design, bei dem kein Detail dem Zufall überlassen ist, und eine buchstäblich bedeutungsschwangere Story; Filmemacher Darren Aronofsky hat in Mother! all das zu bieten, so dass nach seiner eigenen Aussage weder das Ausrufezeichen im Titel, noch dass dieser an sich klein geschrieben wird, ohne Grund bleiben. So eindrucksvoll das aus künstlerischer und kunstschaffender Sicht ist, es ist anzusehen nur aus eben diesen Gründen lohnenswert. Weder bewegt die Geschichte ihr Publikum, noch hat man das Gefühl, dies wäre abgesehen von einigen erschreckend gewalttätigen Momenten überhaupt beabsichtigt. Wer nicht weniger (oder mehr) erwartet, darf sich hier auf ein handwerklich eindrucksvolles Werk einstellen. Mitreißend oder gar eine inhaltlich bedeutsame Offenbarung ist das allerdings nicht und davon abgesehen merklich länger und mit inhaltlichen Wiederholungen versehen, als es hätte sein müssen.