The Purge - Die Säuberung [2013]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. Juli 2013
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: The Purge
Laufzeit: 85 min.
Produktionsland: USA / Frankreich
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: James DeMonaco
Musik: Nathan Whitehead
Darsteller: Ethan Hawke, Lena Headey, Adelaide Kane, Max Burkholder, Edwin Hodge, Rhys Wakefield, Tony Oller, Arija Bareikis, Tom Yi, Chris Mulkey, Tisha French, Dana Bunch


Kurzinhalt:
Im Jahr 2022 gibt es in den USA kaum Kriminalität und beinahe keine Arbeitslosigkeit. Die Wirtschaft boomt und die allermeisten Menschen leben in Wohlstand. Zu verdanken haben sie es den neuen Gründervätern, die einige Jahre zuvor ein neues Konzept eingeführt haben. Jedes Jahr, am 21. März ab sieben Uhr abends, sind für zwölf Stunden alle Verbrechen legal. Selbst die Notrufnummern werden in dieser Zeit abgeschaltet. Diese alljährliche Säuberung soll den Menschen die Gelegenheit geben, ihre Aggressionen abzubauen – augenscheinlich mit Erfolg.
Für James Sandin (Ethan Hawke), der Sicherheitssysteme verkauft, brachte die "Purge-Nacht" auch Reichtum mit sich. Zusammen mit seiner Frau Mary (Lena Headey) und seinen Kindern Zoey (Adelaide Kane) und Charlie (Max Burkholder) beteiligt er sich nicht an der Säuberung, behindert sie aber auch nicht. Doch dann öffnet Charlie einem verletzten Fremden (Edwin Hodge), der vor einer Gruppe geflohen ist, die Tür und bietet ihm Zuflucht. Wenig später klingeln diese an James' Tür und der freundliche Anführer (Rhys Wakefield) verlangt die Auslieferung des Fremden. Sonst werden sie das Haus stürmen und auch die Sandins wären nicht vor ihnen sicher. Es beginnt ein Kampf, buchstäblich um Leben oder Tod ...


Kritik:
Die Ausgangssituation bei The Purge - Die Säuberung mit einer in einem Gebäude eingeschlossenen Gruppe, die sich gegen Angreifer zur Wehr setzen muss, erinnert an John Carpenters Assault – Anschlag bei Nacht [1976] mit der Ausnahme, dass bei jenem Film die angreifenden Gangs kein wirkliches Gesicht bekamen. Dadurch wirkten sie nicht nur unfassbarer, sondern auch unbesiegbarer. Nimmt der Anführer der schwer bewaffneten Angreifer bei The Purge seine Maske ab, verliert er etwas von seiner Bedrohlichkeit. Und das, obwohl Rhys Wakefield die Rolle mit einer beängstigenden Ähnlichkeit zu Heath Ledgers Joker aus The Dark Knight [2008] verkörpert. Doch daran allein liegt es nicht, dass die düstere Zukunftsvision von Autor und Regisseur James DeMonaco zu wenig packt.

Wir befinden uns in Amerika im Jahr 2022. Die Arbeitslosenquote ist so niedrig, dass es kaum lohnt, eine Statistik zu führen, Kriminalität wurde so gut wie ausgerottet und die Wirtschaft floriert. Erreicht haben dies die neuen Gründerväter dadurch, dass für eine Nacht im Jahr jegliche Verbrechen ungestraft bleiben. Zwölf Stunden lang darf eingebrochen, geraubt, geplündert, vergewaltigt und gemordet werden. Notrufe werden in der Zeit nicht angenommen. Wer es sich leisten kann, riegelt sein Haus mit modernen Sicherheitssystemen ab, wie sie James Sandin verkauft. Wer sich das nicht leisten kann, wird die nächste Purge-Nacht vermutlich nicht erleben. So sehr im Vorfeld der Nacht der Säuberung die Waffenverkäufe in die Höhe schießen, so viel Arbeit haben die Bestatter hinterher. Kritiker des Systems werden im Film zitiert mit der Aussage, dass die Säuberung nur dazu dient, sich der sozial Schwachen zu entledigen. Wer sonst außer Obdachlosen oder denjenigen ohne einen persönlichen Panikraum Zuhause wird in aller Regel Opfer der Purge?

Die Sozialkritik, die The Purge anbringt, ist nicht zu überhören. Wer ist insbesondere in den USA heute Opfer von Gewaltverbrechen? Sterben mehr junge Farbige alljährlich durch Schusswunden, oder wohlhabende Weiße? Die Feststellung, dass die Säuberung funktioniert, man dies an der Kriminalitätsstatistik und den Arbeitslosenzahlen sehen kann, ist spätestens dann als Lüge entlarvt, wenn man sich ansieht, wie viele Menschen in jener Nacht ums Leben kommen. Die angestaute Wut, den Neid und den Hass in zwölf Stunden zu bündeln, kanalisiert und verschiebt das Problem, beseitigt aber nicht die Ursache.

Seinen beiden Kindern den Sinn der Säuberungsnacht begreiflich zu machen, fällt Sandin schwer. Seine Teenager-Tochter Zoey hat mit ihrem – James' Meinung nach zu alten – Freund Henry andere Interessen und sein Sohn Charlie empfindet das Konzept der Purge-Nacht als unmenschlich. Zu hoffen, er wäre das vernünftigste Mitglied der Familie, wäre allerdings zu früh gefreut. James und seine Frau Mary beteiligen sich zwar nicht an der Säuberung, billigen sie aber. Dass die Missgunst ihrer Nachbarn durch den Wohlstand der Sandins stetig zunimmt, übersehen sie dabei. Doch wer kann es James verdenken, mit den Sicherheitssystemen angesichts der Purge-Nacht Geld zu verdienen?

Die Nacht könnte für die Sandins ebenso ruhig wie die letzten verlaufen, würde Charlie nicht einen Obdachlosen ins Haus lassen, der auf der Flucht vor einer Gruppe Schwerbewaffneter in die Wohnsiedlung gekommen ist. Die mordlustigen Purge-Verfechter verlangen lediglich die Auslieferung des namenlosen Mannes. Sonst werden sie das Haus stürmen und auch vor den Sandins nicht Halt machen. Als wäre das nicht genug, hat sich Zoeys Freund Henry vor der Abriegelung ins Haus geschlichen mit der Absicht, mit James von Mann zu Mann zu sprechen.
Kommen beide Storyfäden zusammen, erwartet einen die spannendste Sequenz des Films. Doch was danach folgt, wird der interessanten Grundidee nicht gerecht. Vor allem aber ist es nicht überraschend. Wir sehen, wie James all seine Überzeugungen über Bord wirft, als seine Familie in Gefahr gerät und The Purge zeigt auch, wozu Mary fähig ist, wenn ihr Leben davon abhängt. Selbst für die Kinder wird die Welt nach der Säuberungsnacht nie wieder so sein wie zuvor. Aber es sind all diejenigen Entwicklungen, die wir ohnehin erwarten würden. Der Twist zum Schluss hin ist dabei gelungen, aber nach dem Erscheinen der Personen auch absehbar.

Autor und Regisseur James DeMonaco entblättert die verschiedenen Ansichten und Meinungen zu dem Konzept der Säuberung und zieht unüberhörbare Parallelen zu unserer Gesellschaft. Doch selbst wenn die Belagerung des Hauses der Sandins in die letzte Phase geht, kommt kaum Spannung auf. Beginnt das Finale, ist es angesichts des Vorlaufs beinahe zu kurz und das Schicksal jener Figuren berührt erstaunlich wenig. Einerseits, weil ihr moralisches Verständnis vollkommen fremdartig ist, andererseits, weil sich selbst die einzig vermeintlich vernünftige Figur so abstrus verhält, dass man mit ihr nicht mehr mitfiebern kann. Dass sie in einem stockfinsteren Haus, in dem sie sich ungesehen verstecken soll, mit der Taschenlampe umher leuchtet, um zu sehen, ob dort jemand ist, der nach ihr sucht, scheint da geradezu ein Kavaliersdelikt.


Fazit:
Nicht nur den Hauptdarsteller hat Filmemacher James DeMonaco von Das Ende - Assault on Precinct 13 [2005], dem Remake von John Carpenters Klassiker, übernommen. Er selbst lieferte hierfür sogar das Skript und verarbeitet in The Purge - Die Säuberung eine ähnliche Idee. Diese liest sich bedeutend spannender, als der Film letztendlich geworden ist. Die durchweg gute Besetzung sollte es eigentlich nicht schwer machen, mit den Sandins mitzufiebern, doch es kommen viele Aspekte und seltsame Entscheidungen ihrerseits zusammen, um dies zu verhindern.
Weswegen Hauptfigur James den geflohenen Obdachlosen nicht einmal bei der Verteidigung des Hauses helfen lässt, ist ebenso unverständlich, wie weshalb sich sein tolles Sicherheitssystem überhaupt so leicht ausschalten lässt. Dass der stimmungsvolle Thriller Zeit lässt, über solche Ungereimtheiten nachzudenken, ist kein gutes Zeichen. Immerhin ist er erstaunlich und erfreulich zurückhaltend, was die Gewaltdarstellung betrifft, richtet sich aber schon inhaltlich zwangsläufig an ein erwachsenes Publikum. So bleibt nach den kurzweiligen eineinhalb Stunden das Gefühl, dass man aus der Materie auch mit der offenen Gesellschaftskritik, einen packenderen Thriller hätte machen können.