Ulrich Hefner: "Die dritte Ebene" [2008]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. August 2008
Autor: Ulrich Hefner

Genre: Unterhaltung / Action / Science Fiction

Originalsprache: Deutsch
Gelesen in: Deutsch
Ausgabe: Gebundene Ausgabe
Länge: 654 Seiten
Erstveröffentlichungsland: Deutschland
Erstveröffentlichungsjahr: 2008
ISBN-Nr. (gelesene Ausgabe): Bertelsmann Club Buch-Nr: 090945


Kurzinhalt:
Überall auf der Welt geschehen im Frühjahr und Sommer 2004 seltsame Ereignisse. Zwei Astronauten einer Shuttlemission sind nach der Landung aus einem tranceähnlichen Zustand nicht aufzuwecken, eine Schamanin in Venezuela scheint unter ähnlichen Symptomen zu leiden, und nach einem Blut weinenden Marienbild in Venedig glaubt man, die Stürme, die zu ungewöhnlich früher Jahreszeit über die Meere und Küsten der Welt peitschen wären Vorboten einer Sintflut. In der Tat scheinen sich die Hurrikans in jenem Jahr zu häufen und immer mächtigere Wolkengebilde entstehen, die noch mehr Verwüstung anrichten.
Der Parapsychologe Brian Saint-Claire soll zusammen mit der Schlafforscherin Suzannah Shane die Hintergründe für das Verhalten der Astronauten für die NASA aufklären, während Sheriff Dwain Hamilton im Socorro County in New Mexiko urplötzlich mit mehreren Leichen konfrontiert wird, die nicht in das an sich friedliche Bild seines Distrikts passen.
Sie alle ahnen nicht, was vor ihnen liegt, und welchen Einsatz es von ihnen fordern wird, aber nur wenn sie die Hintergründe aufklären können, können sie noch Schlimmeres verhindern, und der nächste Sturm braut sich bereits zusammen …


Kritik:
Nach seiner Ausbildung zum Polizisten, widmete sich Ulrich Hefner der Literatur und veröffentlicht mit Die dritte Ebene vielleicht sein ambitioniertestes Projekt. Als Techno-Thriller konzipiert, spielt der Roman zum größten Teil in den USA, handelt von Amerikanern und Kanadiern, die allerlei Abenteuer zu bestehen haben und einer Verschwörung auf die Schliche kommen müssen.
Aber bis es soweit ist, ist es ein langer Weg. Zu lange, wie es scheint, und auch die Mittel, mit denen der Autor seine Aussage unterstreicht, wirken stellenweise unpassend. Den Lobeshymnen des Verlags wird der Roman jedenfalls nicht gerecht, auch wenn die Hintergrundgeschichte durchaus erzählenswert wäre. Was einem als Leser aber am stärksten zu schaffen macht, und das trifft sogar diejenigen, die sich aktiv für den Umweltschutz einsetzen, ist das Anprangern der globalen Klimapolitik und die Prophezeiungen vom Klimawandel, die so oft wiederholt werden, dass es schon einer Litanei gleicht.

Die Geschichte selbst ist in mehrere Bücher aufgeteilt, die im Frühjahr, Sommer und Herbst 2004 spielen. Da entwickelt sich die Erzählung auch gleich auf mehreren Ebenen, sei es der Parapsychologe Brian Saint-Claire, die Psychologin Suzannah Shane oder aber den bodenständigen Sheriff Dwain Hamilton. Was bereits am Anfang überrascht, sind die häufigen Szenenwechsel, die meist schon nach zwei bis drei Seiten erfolgen und von einer Story zur nächsten springen. Dadurch wird zwar ein relativ hohes Tempo erreicht, das aber die Erzählung immer dann ins Stocken bringt, wenn nicht an der Hauptgeschichte weiter erzählt wird. Bezüglich der Kapiteleinteilung scheint sich Hefner bei Dan Brown zu orientieren, der ebenfalls mit vielen kleinen Kapiteln und entsprechenden Cliffhangern am Ende die Lesegeschwindigkeit erhöht.
Doch mäandriert die Story von Die dritte Ebene gerade in der ersten Hälfte relativ lange vor sich hin, Nebenfiguren werden etabliert und mit einem Hintergrund versehen, nur um in der zweiten Romanhälfte dann reihenweise dahingerafft zu werden. Dies im Übrigen auch von namenlosen, gesichtslosen Killern, so dass man als Leser nicht einmal ein Gegengewicht zu all den sympathischen Figuren bekommt, und einen Antagonisten erkennt, den es irgendwann zu überwältigen gilt. So plätschert der Roman vor sich hin, wiederholt sich in seinem Aufbau mit den ständigen Hurrikan- und Unwetterbeschreibungen und scheint sich nicht so recht entschließen zu können, was er will. Man hätte mühelos auch mehrere Hauptfiguren zu einer zusammenfassen können, um eben das Schema Hinweis-gefunden-Person-muss-beseitigt-werden durchbrechen zu können.
Auch die lange Einleitung mit der NASA, die letztlich nichts mehr mit der Geschichte zu tun hat, hätte man abkürzen können und sollen. Der technische Aspekt hinter der Verschwörungsgeschichte ist dabei nicht uninteressant, auch wenn zu wenig erklärt wird, um das Thema (im Stile von Michael Crichton) den Lesern verständlich zu machen. Doch scheint der Roman in der vorliegenden Form eher eine erste Fassung ohne weitere Überarbeitungen zu sein.

Die Figuren sind dabei nicht uninteressant, wobei Hauptfigur Brian Saint-Claire jedoch eine der schwächsten, weil klischeebeladensten darstellt. Shane hingegen überzeugt durch ihre menschliche Seite und die Tatsache, dass sie eben nicht alles weiß und kann, wohingegen Sheriff Hamilton ohne Frage der größte Sympathieträger ist. Aber auch Wayne Chang und James Paul sind grundsätzlich gut ausgearbeitet, nur im eigentlichen Sinne verschenkt.
Eine richtige Entwicklung gibt es bei den Charakteren nur in wenigen Fällen und bis ein eindeutig gezeichneter Bösewicht auftaucht dauert es auch eine ganze Weile. Dass dieser dann eher für Schmunzeln, als fürs Fürchten sorgt, macht seine Aufgabe nicht einfacher.
So erfüllen die vorgestellten Figuren zwar ihre Anforderungen, und im Falle von Suzannah Shane fiebert man auch mit, wenn sie ihre Abenteuer zu bestehen hat, doch in den meisten Fällen berührt ihr Schicksal erst dann, wenn es bereits besiegelt ist.

Dramaturgisch lässt Die dritte Ebene insofern Wünsche offen, als dass der Roman wie erwähnt merklich zu lang geraten ist. Ganze Storyelemente und Nebenhandlungen hätte man ohne Mühe entfernen können, ohne die Erzählung zu beeinflussen, aber um das Tempo zu erhöhen.
Wer angesichts dessen, was der Autor im Roman mit New Orleans vorbereitet, ein ungutes Gefühl bekommt, sollte eines nur bedenken: Die dritte Ebene wurde im Jahr 2004 bereits geschrieben und fertig gestellt, vom Verlag aber erst dieses Jahr veröffentlicht. So sorgt es zwar für Verwunderung, dass man hierzu kein Vorwort oder eine kurze Erklärung am Beginn einfügte, doch Hefner selbst kann man insofern keinen Vorwurf machen. Seine Beschreibungen wecken Erinnerung an Hurrikan Katrina, der immerhin mit seinen Fluten beinahe 1500 Menschen in New Orleans allein in den Tod riss. Das war im Sommer 2005. Ulrich Hefner siedelt seinen Roman im Entstehungsjahr 2004 an und entwirft ein weitaus schrecklicheres Szenario in der Stadt. Leser sollten im Hinterkof behalten, dass der Autor mit seinen Schilderungen traurigerweise seiner Zeit voraus war.
Nichtsdestoweniger scheint insbesondere das Finale sehr weit hergeholt, von an sich braven Bürgern Außergewöhnliches fordernd, obwohl eine Einheit der speziell ausgebildeten Marines bereit steht. Dies wirkt nicht nur unglaubwürdig, es bietet in dem Sinn auch nicht diejenigen Höhepunkte, die man sich davon versprochen hätte.

Was die Lesefreude stellenweise unnötig trübt sind die Dialoge, die zwar zahlreich sind, aber an den ungeeignetsten Stellen unwirklich und künstlich wirken. Wie vielen deutschen Autoren gelingt es Hefner ebenfalls nicht, seinen Figuren natürliche Gespräche zuzuschreiben. Bedenkt man außerdem, dass es sich eigentlich um Amerikaner handelt, die was den Wortschatz angeht meist auf noch einfachere Konstruktionen und Ausdrücke ausweichen, klingen die Worte noch hochgestochener – und unglaubwürdiger. Durch fehlende Zeitangaben scheinen manche Storyebenen zudem gleichzeitig zu passieren, während bei anderen mehrere Tage dazwischen liegen. Auch hier wäre eine geordnetere Strukturierung besser gewesen.
Was dem Autor hingegen sehr gut gelingt sind die Umgebungsbeschreibungen, mit deren Straßenverläufen oder Schilderung der Flora und Fauna ein lebendiges Bild im Kopf des Lesers erzeugt wird. Auch wenn die Stürme entstehen vermittelt er die Erscheinungen lebhaft und glaubwürdig.

Insofern ist es schwierig, Die dritte Ebene abschließend zu bewerten, denn während gute Ansätze zu erkennen sind und auch manche Aspekte des Romans überzeugen, verliert sich der Autor nicht nur in mitunter unfreiwillig komischen Dialogen, sondern auch in einer zu aufgeblähten Geschichte, die man bedeutend kürzer hätte effektiver erzählen können.
Der französische Flieger und Schriftsteller Antoine de Saint-Exupery hat hierzu einmal gesagt, "Ein Text ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann". Dies hätte sich auch Ulrich Hefner zu Herzen nehmen sollen, dann würde sein erster Techno-Thriller in besserer Erinnerung bleiben.


Fazit:
Angepriesen wird Ulrich Hefner als neuer Star am deutschen Autorenhimmel. Es verbirgt sich hinter Die dritte Ebene auch ein durchaus interessantes Konzept, das auf den über 600 Seiten aber deutlich zu lang geraten ist, in den Dialogen großteils durch unnatürliche Äußerungen enttäuscht und ein arg konstruiertes letztes Drittel zu bieten hat, dessen letztliche Auflösung auch nicht in dem Sinne packt, wie man es nach einer so langen Vorarbeit hätte vermuten können.
Ohne Zweifel hat der Autor seine Sachgebiete recherchiert, auch wenn bis auf die Wettermesshintergründe nicht viel Neues zu lesen ist. Doch während der Roman an Stereotypen genügend zu bieten hat, scheinen die ständigen Ortswechsel in den ersten 400 Seiten den Zusammenhalt der Geschichte eher zu stören, als zu fördern, und auch die Art und Weise, wie Nebenfiguren als "Kanonenfutter" herhalten müssen, macht keinen Spaß zu lesen. Hier hätte man viel straffen und den an sich sehr flott zu lesenden Roman noch um einiges an Tempo erweitern können.
Für einen deutschen Techno-Thriller mag dies durchaus ein ehrenwerter Einstand sein, doch zählt er weder zu den besten des Genres, noch zu den uneingeschränkten Empfehlungen. Dafür ist der Roman zu holprig und für das amerikanische Setting auch merklich zu europäisch erzählt.

Auf Grund einer Richtigstellung und bereitgestellten Hintergrundinformationen durch den Autor des Romans wurde diese Kritik nach ihrer Veröffentlichung überarbeitet.
Weitere Informationen hierzu finden Sie hier.