Zero Days [2016]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 6. März 2017
Genre: Dokumentation

Originaltitel: Zero Days
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Alex Gibney
Musik: Will Bates
Personen: David Sanger, Emad Kiyaei, Eric Chien, Liam O'Murchu, Gary D. Brown, Eugene Kaspersky, Sean McGurk, Michael Hayden, Gary Samore, Olli Heinonen, Ralph Langner


Hintergrund:

Als im Juni 2010 das Computervirus Stuxnet entdeckt wurde, stellte es eine vollkommen neue Art von Bedrohung dar. Nicht nur, dass sich die Software bereits auf sehr vielen Computern der Welt befand, sie war unentdeckt dorthin gekommen und selbst Spezialisten auf dem Gebiet der Antivirensoftware wussten nicht, was Stuxnet überhaupt anrichten würde. Filmemacher Alex Gibney arbeitet die Ursprünge der Software, die Wirkung – die sich speziell in die Steuerung von Frequenzumrichtern bspw. für spezielle Motoren beschränkte – und die Auswirkungen, die ein solcher Angriff einer neuartigen Schadsoftware auch im Umgang der Cyberkriegsführung bedeutet, auf.


Kritik:
Am Ende von Alex Gibneys Zero Days, seiner beinahe zweistündigen Dokumentation über die Ursprünge und Auswirkungen des Stuxnet-Computervirus sowohl in ziviler, als auch gesellschafts- und weltpolitischer Hinsicht, weiß man nicht, ob man ruhiger schlafen kann angesichts der Erkenntnisse, oder nicht. Seine Aufarbeitung besitzt den Erzählrhythmus eines Thrillers und eine Tragweite, die der Öffentlichkeit wohl damals nicht bewusst gewesen ist. Vor allem ist sie auf eine Art und Weise präsentiert, dass es von der ersten Minute an packt.

Dass die Entdeckung von Stuxnet bereits sieben Jahre zurückliegt, kann man sich kaum vorstellen. Im Sommer 2010 erlebte man selbst besonnene IT-Experten in heller Aufregung angesichts eines Schadprogramms, einer Malware, die scheinbar aus dem Nichts kommend, Computer mit dem Windows-Betriebssystem auf der ganzen Welt befallen hatte. Und man wusste nicht, was es tat. Filmemacher Gibney lässt mehrere Experten der bekanntesten Antivirensoftwarefirmen zu Wort kommen, die Stuxnet damals analysiert hatten. Man könnte nun befürchten, dass Zero Days in einem Strudel unzugänglichen Fachjargons untergeht, doch das Gegenteil ist der Fall. Die Dokumentation nimmt der Thematik ihre sperrige Aura und ersetzt sie durch einfach beschriebenes Wissen, das zu Beginn jedoch arg abstrakt klingt.

Nachdem die Spezialisten der schieren Komplexität des Virus beinahe ehrfürchtig Respekt zollen, macht Zero Days einen inhaltlichen Sprung in die Vergangenheit des Nahen Ostens. Dabei wirft Gibney einen detaillierten Blick in das iranische Atomprogramm und die Beziehungen des über Jahrzehnte isolierten Landes zu seinen geografischen Nachbarn sowie der westlichen Welt. Hierin liegt der einzig wirkliche Vorwurf, den man der Dokumentation machen kann, denn auch wenn die politischen Verstrickungen grob skizziert werden, Gibney geht für diejenigen, die mit dem Wechsel des Mächteverhältnisses in der Region und den daraus resultierenden internationalen Konflikten nicht vertraut sind, nicht genügend in die Tiefe, um die Zusammenhänge schnell zu erfassen.

Füllt Zero Days die scheinbar existierende Lücke zwischen dem Thema Stuxnet mit der Entwicklung des iranischen Atomprogramms, zeigt er in einem einfachen Beispiel, welche Auswirkung das Virus mit seiner speziellen Programmierung auf einzelne Komponenten hatte, dann ist es, als würden viele Puzzleteile an die richtige Stelle fallen.
Im Anschluss macht sich Gibney einer Detektivgeschichte gleich daran, diejenigen ausfindig zu machen, die für die Erstellung der Malware verantwortlich waren. Er tut dies, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu urteilen, sondern darauf aus, eine Diskussion zu entfachen, welche Bedeutung diese Art der Cyber-Kriegsführung für die Welt haben wird.

Anstatt bloßer Anschuldigungen und Schuldzuweisungen, lenkt Zero Days zum einen den Blick darauf, wie Stuxnet einen Präzedenzfall hinsichtlich eines Cyberangriffs gegen einen souveränen Staat darstellt, zeigt aber gleichzeitig den Weg dorthin, wo die öffentliche Debatte hinführen muss, damit die Welt lernt, mit einer Waffe umzugehen, deren Gefährlichkeit der einer Wasserstoffbombe nicht unterlegen ist.
Das ist nicht nur spannend dargebracht und wichtig, es richtet die Aufmerksamkeit des Publikums auf ein Thema, das im Grunde frisch und nicht ansatzweise geklärt ist, aber dennoch bereits wieder aus den Köpfen der Bevölkerung verdrängt scheint.


Fazit:
Die Ausgangslage, die Dokumentarfilmer Alex Gibney hier vorstellt, erinnert an Techno-Thriller, wie sie üblicherweise in Hollywood erzählt werden. Sieht man, wie Technologie benutzt wird, um am anderen Ende der Welt eine Katastrophe auszulösen, dann scheint das unwirklich. Zero Days arbeitet die Zusammenhänge um das Stuxnet-Computervirus auf, die in dem Nachspiel des Bekanntwerdens im Sommer 2010 der Öffentlichkeit wenn, dann nur in Form von Brotkrumen zugänglich waren. Das Ergebnis ist eine Dokumentation, die sowohl auf Grund ihres strukturierten Aufbaus packt, wie auch durch die Botschaft, die Gibney vermittelt. Die ist bedeutend weniger anklagend was das Geschehene anbelangt, sondern vielmehr hinsichtlich dessen, dass die Verschwiegenheit über den Ursprung und die beabsichtigte Wirkung der Malware dazu führt, dass keine Debatte darüber geführt wird, welche Waffen in diesem Cyberkrieg eingesetzt werden dürfen. Es ist der wichtigste Denkanstoß, den man sich für das digitale Zeitalter überhaupt vorstellen kann.