Without a Trace – Spurlos verschwunden: "Im Dunkel der Angst" [2004]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Februar 2005
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Without a Trace: "In the Dark"
Laufzeit: 41 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Paul Holahan
Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Peter Manning Robinson
Darsteller: Anthony LaPaglia, Poppy Montgomery, Marianne Jean-Baptiste, Enrique Murciano, Eric Close, Talia Balsam, Angela Goethals, Iyari Limon, Chris Owen, Mary Mara, Paul Schulze, Carlos Cervantes, Francis Capra, Timothy Busfield


Kurzinhalt:
Nachdem Jack Malone (Anthony LaPaglia) seinen Posten beim FBI in New York an seine Kollegin Vivian Johnson (Marianne Jean-Baptiste) abgegeben hatte, um mit seiner Frau Maria (Talia Balsam) nach Chicago zu ziehen, traf ihn Marias Entschluss, sich von ihm scheiden zu lassen, unvorbereitet und niederschmetternd.
Währenddessen wird Vivian mit ihrem ersten Fall als Team-Leiterin konfrontiert: Auf einem Campingelände wurden die kürzlich erblindete Kelly Corcoran (Angela Goethals) und ihre Betreuerin Louisa (Iyari Limon) entführt. Erste Spuren führen zu Louisas Bruder Tito (Francis Capra) und Trent Barker (Chris Owen), der als Bedienung in einem Restaurant arbeitet. Doch während Samantha (Poppy Montgomery), Danny (Enrique Murciano) und Martin (Eric Close) den verschiedenen Hinweisen nachgehen, läuft dem Team die Zeit davon – und Jack muss eine Entscheidung treffen, als er von Marias weiteren Absichten erfährt.


Kritik:
Mit der TV-Serie Die Schattenkrieger [1997-1998] begann Produzent Jerry Bruckheimer zum ersten Mal, für das Fernsehen zu produzieren – in jenem Fall nicht wirklich gewinnbringend. Sein zweiter Anlauf mit C.S.I. – Tatort Las Vegas [seit 2000] verlief hingegen sehr erfolgreich und bescherte dem Hollywood-Produzenten neben Traumquoten darüber hinaus einen neuen Ruf als Schirmherr hoher Serien-Qualität. Zwei Jahre später startete nicht nur der C.S.I.-Ableger CSI: Miami [seit 2002], sondern auch Without a Trace – Spurlos verschwunden [seit 2002], wenngleich letzteres eher ein Nischendasein führte, während die C.S.I.-Serien jede Woche neue Bestzahlen bei den Zuschauern einfahren konnten.
Dank zahlreicher Auszeichnungen (darunter bisher jedes Jahr für die Musik), mehrerer Emmy-Nominierungen (und einiger Prämierungen) für Beste Regie, sowie Bester Nebendarsteller (Charles Dutton), etablierte sich Without a Trace als Profil-Serie für den Sender CBS, wozu nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit dem richtigen FBI ihren Teil beitrug. Seit der dritten Staffel, die im September 2004 in den USA anlief, änderte sich jedoch das Bild – erstmals gewann Without a Trace die Gunst vieler Zuschauer um diese Uhrzeit und verwies das seit Jahren äußerst erfolgreiche Krankenhaus-Drama emergency room – Die Notaufnahme [seit 1994] bereits mit dem Staffel-Auftakt auf den zweiten Platz – am ganzen Abend war nur C.S.I. noch erfolgreicher. Dieser Trend setzte sich im Laufe der Staffel weiter fort, sodass das Team um Anthony LaPaglia eine stetig wachsende Fangemeinde verbuchen kann.
Betrachtet man im Rückblick insbesondere die zweite Staffel, verwundert das nicht weiter. Mit sehr guten Episoden, Charakterentwicklungen bei den Hauptfiguren und einer thematischen Brisanz wie in der Episode "Gnadenlos", in der das Team versuchte, ein selbstmordgefährdetes Kind zu finden, zählt die Serie zu den anspruchsvollen Unterhaltungsprogrammen im Fernsehen, und kann mit hoher Produktionsqualität und sehr guten Darstellern aufwarten.
So durfte man nach dem überraschenden Cliffhanger im Finale der zweiten Staffel gespannt sein, wie die Macher Jack Malones Situation und die Beziehungen innerhalb des Teams denn auflösen würden. So viel sei verraten: Eine richtige Auflösung erwartet den Zuschauer nicht in der ersten Episode der dritten Staffel, vielmehr werden sich die persönlichen Entwicklungen der Hauptfiguren über mehrere Folgen hinziehen, was ohne Zweifel zum weiteren Einschalten animiert. Für den Auftakt des neuen Jahres hat Autor und Serienerfinder Hank Steinberg ein sehr klaustrophobisches Szenario entworfen und wirft den Zuschauer nach einem kurzen Rückblick gleich mitten ins Geschehen einer sehr guten Episode, die aber nicht ganz die Höhepunkte der letzten Staffel erreicht.

Das Drehbuch geht dabei mit einer Schonungslosigkeit um die entführte blinde Kelly zugange, wie man es von Without a Trace nur aus wenigen Episoden gewohnt war. Es macht allerdings den Eindruck, als wollten die Autoren die beklemmende Stimmung der Nebenhandlung um Martin Fitzgeralds Kurzschlussreaktion bei einer Entführung im letzten Jahr beibehalten und auf die gesamte Serie ausdehnen. Steinberg gelingt es hier ausgesprochen überzeugend, die Hauptfigur Kelly Corcoran in ihren ungewohnten und neuen Lebensumständen glaubhaft zu gestalten, ohne in Klischees um ihre Erblindung zu verfallen. Auch wie sie ihre verbesserte Sensorik und Akustik einsetzen muss, um bei der Lösung des Falles zu helfen, kommt gut zur Geltung. Obwohl der Fall dem bekannten Schema von Verhören und falschen Fährten folgt, fesselt er den Zuschauer mit packender Ermittlungsarbeit.
Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass die Story um die Entführung verkürzt wurde, um die notwendigen und sicher wichtigen Szenen mit dem Privatleben der Team-Mitglieder, darunter Vivian Johnsons Umgang mit ihrem frisch erworbenen Posten, in der Episode unterzubringen. Anstatt dem Staffelauftakt mehr Zeit zu gönnen, wie dies bei anderen Serien (darunter 24 [seit 2001]) geschehen ist, hetzen die Autoren den tragischen und ansich immens spannenden Fall allzu schnell zu Ende und lassen so viel atmosphärisches Potential ungenutzt.
Das Skript von Hank Steinberg verbindet auf diese Weise zwar eine sorgfältig erdachte Geschichte mit den neuen Situationen der Serien-Figuren, lässt – um im 45-Minuten-Rahmen zu bleiben – jedoch beides zu kurz kommen. Hier hätte man sich schlichtweg mindestens zehn Minuten mehr Zeit gewünscht, um beide Aspekte des Drehbuches besser ausgearbeitet zu bekommen.

Über die Darsteller kann man sich indes nicht beschweren, obgleich Anthony LaPaglia, im letzten Jahr für einen Emmy nominiert, kaum zu sehen ist. Selbst in seinen wortkargen Momenten merkt man Jack die Anspannung, seinen inneren Zwiespalt angesichts der schwierigen Entscheidung, die vor ihm liegt, an – einerseits darf er seine Kinder nicht im Stich lassen, andererseits müsste er Vivian degradieren, sollte er seinen Job wieder zurückbekommen.
Auch Marianne Jean-Baptiste mimt ihre Rolle sehr gut, auch wenn sie erst in der zweiten Episodenhälfte richtig zum Zug kommt.
Poppy Montgomery und der häufig unterschätzte Eric Close (Dark Skies – Tödliche Bedrohung [1996]) haben dagegen deutlich mehr zu tun. Sie hatten in der zweiten Staffel zugegebenermaßen anspruchsvollere Szenen, überzeugen hier aber dennoch restlos.
Von Enrique Murciano war indes in den letzten Episoden relativ wenig zu sehen, was schade ist, gehört er doch zu den charismatischsten und geheimnisvollsten Team-Mitgliedern.
Ausnahmslos gelungen ist einmal mehr die Auswahl der Gast-Darsteller: Der aus 24 bekannte Paul Schulze hat ebenso wie Mary Mara lediglich einen Kurzauftritt, dafür darf Chris Owen (American Pie [1999]) zeigen, dass er wirklich gut spielen kann, und auch Iyari Limon überzeugt in ihrer Rolle. In besonderem Maße beeindruckt Angela Goethals als die blinde Kelly, wobei sie sowohl ihre kämpferische, als auch ihre zerbrechliche Seite zur Geltung kommen lässt.
Der gesamte Cast scheint, wie nicht anders zu erwarten, überaus motiviert und engagiert.

Inszenatorisch gibt sich Regisseur Paul Holahan, der nicht nur Produzent der Serie, sondern außerdem als Regisseur bei Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen [seit 2003] beteiligt ist, eher konventionell, fängt allerdings die spannenden Szenen mit einer merklich schnelleren Schnittarbeit und am Anfang einer gut eingesetzten Handkamera routiniert ein. Seine Stärken liegen ebenso in der souveränen Darsteller-Führung.
Handwerklich hätte man sich hier und da vielleicht einige innovativere Einstellungen gewünscht, die gerade in der letzten Hälfte der zweiten Season positiv auffielen – und Fans der Serie dürfte zudem auffallen, dass weder die bekannte Szene mit der verschwindenden Person zu Beginn, noch die gewohnten Überblendungen bei Rückblicken stattfinden – dafür erlauben sich die Macher aber auch keine Patzer.

Musikalisch verwundert nicht, dass trotz des geänderten Vorspanns die eingängige und schnelle Musik nicht angepasst wurde. Innerhalb der Episode streuen Reinhold Heil, Johnny Klimek und Peter Manning Robinson (One Hour Photo [2002]) das minimalistische Without a Trace-Thema selten und zurückhaltend ein, verweben es in bekannter Weise mit anderen Melodien und untermalen damit die Szenen angenehm unaufdringlich.
Zwar präsentiert sich der Score weiterhin sehr elektronisch, doch das passt zur Serie wie angegossen und verleiht mit den unterschwelligen Tönen der Episode nicht nur eine beunruhigende Stimmung, sondern unterstützt gleichzeitig die spannenden Momente gekonnt.

Was man bei der deutschen Fernsehen natürlich nie zu sehen bekommt, sind die Meldungen des echten FBI, das für jede Episode eine sogenannte "Amber Alert"-Meldung beisteuert. Das "Amber Alert"-System wurde 1996 eingeführt, nachdem in Texas die neunjährige Amber Hagerman entführt und ermordet wurde. Die Tragödie veranlasste die Gemeinde, bei Radio-Sendern anzufragen, ob man nicht spezielle Meldungen verbreiten könne, um auf solche Vorfälle aufmerksam zu machen und sie womöglich gar zu verhindern, oder zumindest aufklären zu helfen.
Bei Without a Trace werden seit der ersten Episode solche Meldungen mit angezeigt – ausgesucht vom FBI, nicht den Serien-Produzenten –, wobei sie seit der dritten Staffel nicht mehr am Ende der Folgen eingeblendet werden, sondern während der Episode, um so zu verhindern, dass viele Zuschauer nach der Folge umschalten, bevor sie die Meldung des vermissten Kindes sehen.

Dass sich die von Jerry Bruckheimer produzierte Serie nicht für alle Zuschauer eignet, sieht man schon an den schweren Themen, die Without a Trace bisweilen aufgreift. Sei es nun der Menschenhandel, Euthanasie, die Todesstrafe oder auch das Fehlverhalten der im Irak stationierten US-Soldaten – dies sind Schwerpunkte, die nicht nur in den USA ungern gesehen oder gehört werden.
Umso erfreulicher, dass die Serie trotz allem steigende Zuschauerzahlen vorweisen kann und sogar in Deutschland in der zweiten Staffel mehr Zuschauer vor den Fernseher locken konnte.
Zwar geriet der Staffelauftakt "Im Dunkel der Angst" nicht ganz so spannend, wie man das erwarten würde – vor allem, weil der Autor sichtlich Mühe hatte, die Story um die entführten Mädchen mit den notwendigen Entwicklungen und Entscheidungen von Jack Malone, Samantha Spade und Martin Fitzgerald unter einen Hut zu bringen. Trotzdem ist die Episode hervorragend gespielt, gut gefilmt und bei weitem besser als vieles andere, was derzeit im Fernsehen zu sehen ist.
Alte Fans werden sich vielleicht im ersten Moment über manche handwerklichen Änderungen des Serien-Konzepts wundern; ob diese bestehen bleiben, werden wohl erst die kommenden Folgen zeigen – und schlechter machen sie "Im Dunkel der Angst" sicher nicht.


Fazit:
Dass C.S.I. - Tatort Las Vegas einen erstklassigen Unterhaltungswert hat, ist unbestritten – Cold Case richtet sich indes mehr an die Drama-Liebhaber, während Without a Trace eindeutig eher Thriller-Interessierte anspricht. Kein Wunder, dass jede Serie ihr treues und vor allem meist eigenes Fan-Publikum gefunden hat.
Im Falle von Without a Trace waren Stammzuschauer gespannt, wie die Macher denn die Story um Jack Malone weiterführen würden, gerade von ihm ist im Auftakt der dritten Season allerdings kaum etwas zu sehen. Stattdessen erschreckt der dargebrachte Fall in erster Linie durch die klaustrophobische Ausgangslage der Opfer und die Kaltblütigkeit der Täter. Schauspielerisch überzeugen alle Beteiligten inklusive der Gastdarsteller und handwerklich gibt es ebenfalls nichts zu bemängeln.
Dennoch hätte man sich die erste Folge nach der Pause ein wenig spannender gewünscht. Autor Hank Steinberg musste in den 45 Minuten nicht nur einen neuen Fall thematisieren, sondern darüber hinaus die Entwicklung der Serien-Figuren weiterführen. Dabei bleibt aber zu wenig Raum und Zeit, um das volle Potential beider Story-Elemente ausschöpfen zu können. Trotzdem ist ihm mit "Im Dunkel der Angst" eine sehr gute Episode gelungen, die allenfalls unter der kurzen Lauflänge leidet.
Man darf darauf vertrauen, dass die Autoren aus der gestiegenen Popularität der Serie ihre Konsequenzen ziehen und wie bereits in den beiden vorangegangenen Staffeln auch in Zukunft hochwertige Thriller-Stories umsetzen werden. Mit dem ersten Zweiteiler innerhalb der Staffel (Episoden sechs und sieben) und der Fortsetzung einer exzellenten Folge aus dem zweiten Jahr stehen dem Zuschauer im weiteren Verlauf einige interessante Geschichten bevor, die das Einschalten ebenso lohnenswert machen, wie die glaubhaften und fesselnden Ereignisse um die sympathischen Hauptfiguren.