The Night Manager [2016]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 18. August 2016
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: The Night Manager
Laufzeit: ca. 360 Min.
Produktionsland: UK / USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Susanne Bier
Musik: Victor Reyes
Darsteller: Tom Hiddleston, Hugh Laurie, Olivia Colman, Elizabeth Debicki, Tom Hollander, David Harewood, Douglas Hodge, Tobias Menzies, Antonio de la Torre, Aure Atika, Alistair Petrie, David Avery


Kurzinhalt:
Zum Höhepunkt des arabischen Frühlings arbeitet der ehemalige Soldat Jonathan Pine (Tom Hiddleston) als Nacht-Manager des noblen Nefertiti-Hotels im ägyptischen Kairo. Er macht die Bekanntschaft mit dem Gast Sophie Alekan (Aure Atika), der Geliebten von Freddie Hamid (David Avery), einem Angehörigen der einflussreichsten Familie der Stadt. Sophie bittet Pine, geheime Papiere zu kopieren, die aus Hamids Besitz stammen. Pine erkennt, dass die Dokumente ein umfangreiches Waffenarsenal belegen, und er lässt sie einem Bekannten zukommen, der für die britische Regierung arbeitet und die Unterlagen anschließend an die International Enforcement Agency in London leitet. Aber Hamid und seine Geschäftspartner erfahren von der Weitergabe der Informationen und sie verdächtigen schnell Sophie als Quelle. Trotz Pines Bemühungen, sie in Sicherheit zu bringen, wird Sophie ermordet und die wahren Täter entgehen ihrer Verhaftung.
Vier Jahre später ist Pine im Hotel Meisters im schweizerischen Zermatt tätig und noch immer plagen ihn Schuldgefühle am Tod Sophies. Als der erfolgreiche Unternehmer Richard Onslow Roper (Hugh Laurie) mit seinen Leuten im Hotel ankommt, sieht Pine einen Zusammenhang mit den Ereignissen in Kairo, und erneut reicht er wichtige Daten an die zuständige Stelle in London weiter. Dort wird die britische Ermittlerin Angela Burr (Olivia Colman) auf ihn aufmerksam. Sie und ihr amerikanischer Kollege Joel Steadman (David Harewood) versuchen schon seit Jahren, Ropers Verwicklungen in illegale Waffengeschäfte aufzudecken und ihn dingfest zu machen. Olivia nimmt Kontakt mit Pine auf und kann ihn überzeugen, sich undercover in den inneren Kreis von Roper einzuschleusen, um ausreichend Beweise zur Zerschlagung des internationalen kriminellen Netzwerks zu finden.
Pine erhält eine neue Identität und es gelingt ihm, Roper zu täuschen und schrittweise in Ropers Organisation und Machenschaften vorzudringen. Allerdings bleibt Ropers rechte Hand Lance Corkoran (Tom Hollander) misstrauisch, und Ropers Frau Jed (Elizabeth Debicki) sorgt für zusätzliche Spannungen.
Während Roper den Abschluss eines Millionen-Deals vorbereitet, spitzt sich die Lage zu, zumal Burr feststellt, dass in ihrer Behörde Personen auf Ropers Gehaltsliste stehen, die durch ihre Handlungen nicht nur die gesamte Operation kompromittieren, sondern auch Pines und ihr eigenes Leben gefährden.


Kritik:
Der 1931 geborene Brite John le Carré (bürgerlicher Name David John Moore Cornwell) ist seit fast 60 Jahren als Schriftsteller tätig und obwohl viele seiner Bücher zu den Besten ihrer Art zählen und er damit als einer der bedeutendsten Autoren unserer Zeit gilt, standen seine Werke in Bezug auf die Popularität von Anfang an im Schatten seines Landsmannes Ian Fleming, dessen Schöpfung James Bond heute weltberühmt ist.
Während Fleming mit den 007-Abenteuern die kurzweilige Unterhaltung seiner Leser beabsichtigt hatte, legt le Carré mit seinen Spionageromanen stets großen Wert auf eine authentische Darstellung des Agentengeschäfts und eine differenzierte Charakterisierung der Protagonisten. Die daraus resultierende Vielschichtigkeit der Geschichten und eher kühl agierende Hauptfiguren erschweren es dem breiten Publikum oft, richtig Zugang zu finden.
Dieser Umstand machte sich in vielen le-Carré-Verfilmungen bemerkbar. Konnten Der Spion, der aus der Kälte kam [1965], Der ewige Gärtner [2005] und Das Russland-Haus [1990] Erfolge verbuchen, blieben zuletzt sowohl Dame, König, As, Spion [2011], als auch A Most Wanted Man [2014] trotz namhaften Besetzungen und Kritikerlob kommerziell hinter den Erwartungen zurück – vermutlich, weil viele Kinobesucher von sperrigen Charakteren und fehlender Spannungsdramaturgie abgeschreckt wurden.

Vor dem Hintergrund, dass schon rund zweistündige Adaptionen die Geduld mancher Zuschauer strapazieren, ist es erstaunlich, dass die Macher für die Verfilmung von le Carrés Der Nacht-Manager [1993] das Format einer fast sechsstündigen TV-Mini-Serie gewählt haben. Nicht weniger überraschend ist es, dass die Serie den Spannungsbogen über die komplette Laufzeit halten kann und dem Stoff durch den Zeitgewinn genügend Raum zur Entfaltung gibt.
Dass The Night Manager formal einen anderen Weg als frühere le-Carré-Umsetzungen geht, wird bereits im Vorspann deutlich, der sich optisch unmissverständlich an den Titelsequenzen der Bond-Filme orientiert, was durch Viktor Reyes' eingängige Musik und den weiteren hervorragenden Score noch verstärkt wird. Dazu gesellen sich exotische Schauplätze und rasche Wechsel. Neben Ägypten und der Schweiz erstreckt sich das Geschehen noch auf Spanien, Mallorca, Marokko, die Türkei und England. All dies dient indes nicht dem Selbstzweck, es ergibt sich durchweg sinnvoll aus der Handlung.
Angesichts der Tatsache, dass die Romanvorlage vor über 20 Jahren veröffentlicht wurde, macht es betroffen, dass die Geschichte nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat und die dargestellten Strukturen samt Verstrickungen in Politik und Wirtschaft und der Zynismus des weltweiten Waffenhandels, der in der Regel im Verborgenen stattfindet, leider allzu realistisch erscheinen. Dem von David Farr verfassten Drehbuch gelingt es, dem Zuschauer die zu Grunde liegende Komplexität verständlich zu machen, ohne ihn damit zu überfordern. Durch ebenso vielschichtige Figuren bleibt das Interesse konstant hoch und unnötige Längen sind nicht auszumachen.
Sämtliche Folgen wurden von Susanne Bier ansprechend und ohne jegliche Patzer in Szene gesetzt, was wesentlich dazu beiträgt, dass The Night Manager den Eindruck eines langen Filmes hinterlässt und nicht episodenhaft wirkt.

Obgleich die Serie bis in die Nebenrollen exzellent besetzt ist, steht und fällt sie zwangsläufig mit der Verkörperung der beiden Antagonisten.
Seitdem vor einigen Monaten bekannt wurde, dass Daniel Craig möglicherweise als James Bond abgelöst werden soll, kommt immer wieder Tom Hiddleston als Nachfolger ins Gespräch. Wer sich den Loki-Darsteller aus den Marvel-Filmen (Thor [2011], The Avengers [2012] und Thor – The Dark Kingdom [2013]) schwer als Doppelnullagent mit der Lizenz zum Töten vorstellen kann, dem sei The Night Manager wärmstens ans Herz gelegt. Auch wenn die Serie nicht mit ähnlich aufwändigen Action-Sequenzen aufwarten kann, fesselt Hiddleston durch Charisma, physische Präsenz und Eleganz, die den Zuschauer von Anfang bis Schluss mitfiebern lassen.
Seinen Gegenspieler mimt Hugh Laurie, der den Meisten als Dr. House [2004-2012] vertraut sein dürfte, den er acht Jahre in der gleichnamigen Fernsehserie spielte. Seine Wahl als Bösewicht liegt zunächst nicht unbedingt auf der Hand, erweist sich aber als Glücksgriff, da Roper eben keine eindimensionale Figur ist, sondern in einer Szene den liebenden Familienvater gibt und in der nächsten mit diabolisch-verschmitztem Lächeln von der Durchschlagskraft von Gewehren und Effektivität von todbringenden chemischen Kampfstoffen schwärmt. Laurie schafft den Spagat zwischen charmantem Verführer und knallhart-skrupellosem Geschäftsmann mit beängstigender Leichtigkeit.
Abgesehen von den beiden Hauptdarstellern überzeugen insbesondere Elizabeth Debicki als Ropers innerlich zerrissene Ehefrau und Tom Hollander, dessen Corkoran in Pine einen Konkurrenten sieht, ihm von Beginn an nicht traut und dadurch maßgeblich zur bedrohlichen Stimmung beiträgt, dass Pine jederzeit auffliegen kann.
Hervorheben möchte ich darüber hinaus Olivia Colman, die als moralischer Fels in der Brandung dem Zuschauer ein ums andere Mal verdeutlicht, was auf dem Spiel steht. Wenn Angela Burr in einer Szene erzählt, was ihren erbitterten Kampf gegen Roper ausgelöst hat, ist das große Schauspielkunst.

The Night Manager entstand als Koproduktion der britischen BBC mit dem amerikanischen Sender AMC. In England wurden sechs Episoden mit jeweils ungefähr 60 Minuten gesendet. In den USA wählte man acht Folgen mit je rund 45 Minuten. Insgesamt ergibt dies in beiden Fällen eine ungekürzte Laufzeit von 360 Minuten.
In Deutschland zeichnet das ZDF für die Erstausstrahlung im Free-TV verantwortlich. Der Sender hat die Serie dabei zu drei Spielfilmen mit je zwischen 95 und 105 Minuten zusammengeschnitten. Die Verantwortlichen sprechen offen von einer "geringfügigen Kürzung". Insgesamt fehlt jedoch ungefähr eine Stunde. Ob dies nun "geringfügig" oder unwesentlich ist, möge jeder Zuschauer selbst entscheiden. Vielleicht wäre für das ZDF auch das Weglassen von 100 Seiten aus le Carrés 600 Seiten starkem Roman nur "geringfügig" – für den Autor dieser Rezension bietet indes nur das Wort "Zensur" eine angemessene Umschreibung für das Vorgehen des ZDF – und diese findet laut Artikel 5 Grundgesetz in Deutschland eigentlich nicht statt. Nach The Fall – Tod in Belfast [seit 2013] ist The Night Manager nun die zweite hochwertige Produktion innerhalb kurzer Zeit, die das ZDF bei Erstausstrahlung nur in gekürzter Form bereitstellt. Es bleibt abzuwarten, ob die ungeschnittene Fassung wie bei The Fall zu einem späteren Zeitpunkt – zum Beispiel auf ZDFneo – gezeigt werden wird.
Bis dahin haben interessierte Zuschauer hierzulande glücklicherweise noch eine andere Alternative, The Night Manager in voller Länge zu genießen: Amazon Prime Video hat zumindest momentan ebenfalls die komplette Serie im Angebot, und sie kann auf Wunsch sogar im empfehlenswerten englischen Original (mit optionalen deutschen Untertiteln) angesehen werden. Wer kein Amazon-Prime-Mitglied ist, kann einen kostenlosen Probemonat abschließen, was für die acht Episoden völlig ausreichend sein sollte.


Fazit:
Dank hoher Spannung und einem sympathischen Helden möchte auch der Zuschauer unbedingt wissen, was als Nächstes geschieht und ob dem "schlimmsten Mann der Welt" Roper und seinen Mitverbrechern das Handwerk gelegt werden kann.
Angefangen beim hohen Produktionsaufwand, über die sorgfältig ausgearbeitete, plausible und makellos inszenierte Story, bis hin zu den hervorragenden Schauspielern – The Night Manager beweist einmal mehr, dass Liebhaber anspruchsvoller Genre-Unterhaltung derzeit im Fernsehen (oder Internet-Streaming) oft besser aufgebhoben sind als im Kino.