Sherlock: "Der blinde Banker" [2010]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. März 2012
Genre: Krimi

Originaltitel: Sherlock: "The Blind Banker"
Laufzeit: 87 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Euros Lyn
Musik: David Arnold, Michael Price
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Martin Freeman, Una Stubbs, Zoe Telford, Loo Brealey, Gemma Chan, Al Weaver, Bertie Carvel, Daniel Percival, Paul Chequer, Howard Coggins, Janice Acquah, Jack Bence


Kurzinhalt:
Seb Wilkes (Bertie Carvel), ein Studienkollege von Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch), bittet den Ermittler, einen ungewöhnlichen Fall zu übernehmen. Trotz modernster Sicherheitstechnik ist es einem Einbrecher gelungen, in eine obere Etage einer Bank einzudringen, und ein Büro mit Graffiti zu besprühen, ohne Spuren zu hinterlassen. Gestohlen wurde nichts, aber Sherlock soll herausbekommen, wo die Schwachstelle in der Überwachungsanlage liegt. Er selbst ist aber weit weniger daran interessiert, wie das Graffiti dorthin kam, als für wen die Botschaft gedacht ist.
Zusammen mit Dr. Watson (Martin Freeman) geht er einer Spur nach und findet wenig später die Leiche des Bankers Eddie Van Coon (Daniel Percival). Doch dies wirft noch mehr Fragen auf: Auch Van Coons Apartment war von innen verschlossen und keine Zeichen eines Einbruchs erkennbar. Während Watson eine Stelle als Aushilfsarzt annimmt und dabei Sarah (Zoe Telford) kennenlernt, wird Holmes in der Wohnung der Museumsrestauratorin Soo Lin Yao (Gemma Chan) von einem Unbekannten überrascht. Wie es scheint, ist der Ermittler einer großen Organisation auf der Spur, die offenbar auch vor mehrfachem Mord nicht zurückschreckt ...


Kritik:
Mit Der blinde Banker vollzieht die Krimireihe Sherlock den Schritt vom Pilotfilm, der durch sein ungewohntes Setting überraschen konnte, hin zur Routine einer Serie, selbst wenn sie nicht im 45-Minuten Format erzählt wird, sondern als knapp eineinhalb Stunden dauernde Fälle. Dass hierbei das Gefühl des Unbekannten, des Neuen, verloren geht, ist nicht ungewöhnlich. Bedauerlich ist allerdings, wie schnell die Macher auf bestimmte Elemente verzichten, die Ein Fall in Pink [2010] nicht nur sehenswert machten, sondern das Ermittlerduo so treffend vorgestellt hatten.

Dazu zählt beispielsweise, dass die Kombinations- und Beobachtungsgabe von Sherlock Holmes weit weniger visualisiert wird. Man sieht ihn zwar wie in Trance über bestimmten Details grübeln, doch zu sehen, wie sein Verstand arbeitet, wie er die Details aufnimmt und zusammensetzt, bleibt einem meist vorenthalten. Überhaupt erfahren wir wenig Neues über ihn als Charakter, außer, dass sein neuer Auftraggeber mit ihm studiert hatte. Doch ist dies, wenn man es so möchte, der dritte Beginn von Der blinde Banker. Der erste stellt eine junge Frau vor, die als Restauratorin in einem Museum arbeitet. Wovor sie solche Angst hat, dass sie mit furchterfülltem Blick in die Kamera sieht, wissen wir nicht und werden es so schnell auch nicht erfahren. Denn dann lenkt der Krimi seinen Blick auf Dr. Watson, der beim Einkaufen an einer Selbstbedienerkasse scheitert, und Sherlock Holmes, der sich in seiner Wohnung gegen einen vermummten Schwertkämpfer behauptet. Wie es dazu gekommen ist, wer der verhüllte Angreifer ist, erfährt man allerdings nicht. Die Auseinandersetzung wird mit keinem weiteren Wort mehr erwähnt. Weshalb es jedoch wichtig ist, Watsons Einführung zu erläutern liegt daran, dass die Drehbuchautoren kaum ein Detail vorstellen, das nicht wichtig wäre. Und auch wenn es eine Zeit lang dauert, ehe sie die beiden Storybögen um die Museumsangestellte Soo Lin Yao und Holmes' neuen Fall zusammenführen, die Geschichten interessieren, weil sie durchdacht erscheinen. Zwar soll Holmes eigentlich nur klären, wie seltsames Graffiti in einer mit modernster Sicherheitstechnik ausgestatteten Bank auftauchen konnte, doch bei seinen Nachforschungen stößt er auf eine Leiche. Was folgt ist stellenweise verwirrend dargebracht, und auch die Annahmen der Ermittler, die zu immer neuen Hinweisen führen, scheinen bisweilen aus der Luft gegriffen. Doch wenn die Hintermänner eines Verbrecherrings schließlich entlarvt werden und der Krimi eine sehr persönliche Bedrohung für die Figuren erzeugt, ist man im letzten Drittel auch wieder gefesselt.

Wo Inspector Lestrade geblieben ist, fragt man sich schon darum nicht, weil es bei Dr. Watson im Privatleben vorangeht – sollten die Macher diese Richtung weiter verfolgen.
Schließlich sind die letzten Minuten dafür verantwortlich, dass man auch am nächsten Fall interessiert ist, immerhin wird hier eine Verbindung zu einer Person hergestellt, die man bereits vorgestellt glaubte. Der blinde Banker nimmt sich erstaunlich viel Zeit, die Geschichte selbst zu umreißen und dann in Fahrt zu bringen, doch so ausgereift dies wirkt, dass keine neuen Charakterzüge der Figuren vorgestellt werden, ist ein wenig enttäuschend. Dafür gibt es an der handwerklichen Umsetzung nichts zu bemängeln und auch die rhythmische Musik, die gelegentlich das bereits vorgestellte Thema von Sherlock einstreut, trägt dazu bei, die Spannung in den richtigen Momenten anzuziehen und die humoristischen Ansätze zu unterstreichen.
Bedauerlich ist nur, dass der frische, originelle Touch des Serieneinstands hier verflogen ist und auch die exzentrischen Protagonisten "normaler" erscheinen, als bei letzten Mal. Doch darüber helfen nicht zuletzt die sympathischen Darsteller hinweg, denen es gelingt, sowohl dem gesteigerten Actiongrad, als auch den skurrilen Momenten Rechnung zu tragen.


Fazit:
Vom Pilotfilm Ein Fall in Pink gab es zwei Versionen. Die erste wurde nie offiziell ausgestrahlt und die Figur des Sherlock Holmes in der endgültigen Fassung mit seinem exzentrischen Verhalten unnahbarer – und genau das macht ihn so interessant. In Der blinde Banker ist von seiner Arroganz und seiner Kombinationsgabe zwar immer noch gleich viel zu sehen, doch erfährt man es als Zuseher nun so, wie die umstehenden Personen. Statt an seinen Gedankengängen teilzuhaben, wird man mit seinen Schlussfolgerungen konfrontiert. Dadurch gerät leider das Miträtseln ins Hintertreffen.
Dafür wartet der Krimi mit einer Geschichte auf, die auf Grund ihrer Figuren und deren Verflechtungen untereinander interessiert. Die handwerkliche Umsetzung ist wie gewohnt gelungen und routiniert, aber nicht so einfallsreich und für das Genre innovativ. Wie zuvor überzeugt der Krimi durch eine tadellose Besetzung, die von den beiden Hauptdarstellern ebenso profitiert, wie von den gut besetzten Nebenrollen. Nicht zuletzt die letzten Minuten, mit denen die Macher den Bogen zu ihrer Hintergrundgeschichte schließen, machen den ohnehin unterhaltsamen TV-Film für Interessenten der Reihe zum Muss.