Jurassic World: Ein neues Zeitalter [2022]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 8. Juni 2022
Genre: Action / Science FictionOriginaltitel: Jurassic World Dominion
Laufzeit: 147 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Colin Trevorrow
Musik: Michael Giacchino
Besetzung: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Laura Dern, Sam Neill, Jeff Goldblum, DeWanda Wise, Mamoudou Athie, Isabella Sermon, Campbell Scott, BD Wong, Omar Sy, Dichen Lachman, Justice Smith, Scott Haze, Elva Trill
Kurzinhalt:
Seit einigen Jahren bereits leben Dinosaurier auf dem Festland unter den Menschen. Inzwischen hat sich ein Schwarzmarkt gebildet, auf dem die wiedererweckten Urzeitwesen gehandelt werden, während die Firma „Biosyn“ unter Dr. Lewis Dodgson (Campbell Scott) bemüht ist, den Tieren in einem speziellen Reservat Zuflucht zu bieten und sie gleichzeitig zu studieren. Unterdessen verstecken sich Owen Grady (Chris Pratt) und Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) zusammen mit Maisie Lockwood (Isabella Sermon) in den Sierra Nevada Mountains. Doch als Maisie auf Grund ihres enthüllten Geheimnisses gekidnappt wird, machen sich Claire und Owen auf, sie zu befreien. Unterdessen wendet sich Dr. Ellie Sattler (Laura Dern) an Dr. Alan Grant (Sam Neill). Sie wurde auf eine Plage urzeitlicher Heuschrecken aufmerksam gemacht, die droht, außer Kontrolle zu geraten und eine weltweite Hungerkrise auszulösen. Ellies Ansatzpunkt, die Verantwortlichen ausfindig zu machen, ist Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum). Doch um Beweise für ihre Vermutungen zu sammeln, müssen sie sich in die Höhle des Löwen begeben – und wie Owen und Claire, die von der Pilotin Kayla (DeWanda Wise) unterstützt werden, in ein Herrschaftsgebiet der Dinosaurier …
Kritik:
Mit Jurassic World: Ein neues Zeitalter schließt Filmemacher Colin Trevorrow nicht nur seine Filmreihe um die Welt mit wieder zum Leben erweckten Dinosauriern ab, sondern führt sie auch erzählerisch mit der Jurassic Park-Trilogie, die all dies überhaupt erst begann, zusammen. Das Ergebnis ist aufwändig gemachte Unterhaltung mit viel Nostalgiewerten, ebenso vielen Dinosauriern und treffender Kritik an der Macht von Großunternehmen, die nur dem Profit verpflichtet sind. Doch es steuert auch kaum wirklich Neues bei und ist handwerklich spürbar weniger ausgereift als die früheren Filme der Reihe. Dabei erweisen sich gerade die Actionszenen als die schwächsten Momente des inzwischen sechsten Dinosaurier-Abenteuers und sind beinahe 30 Jahre nach Steven Spielbergs Genre prägendem Jurassic Park [1993] in keinem Moment so unerwartet oder mitreißend wie damals.
Die Geschichte selbst setzt einige Zeit nach den Ereignissen von Jurassic World: Das gefallene Königreich [2018] an. Lebende Dinosaurier sind ein Teil unserer Welt. Die in Freiheit lebenden Tiere haben sich immer weiter ausgebreitet und es floriert inzwischen ein Schwarzmarkt sowohl für lebende Dinosaurier als auch für den Handel mit ihren Produkten – Körperteile und Fleisch. Auch werden sie teils illegal in Farmen gezüchtet, während die Firma „Biosyn“ im Immunsystem der Urzeitechsen pharmazeutisches Potential sieht und für die Tiere daher in einem riesigen Areal in den Dolomiten ein Reservat geschaffen hat, in dem sie erforscht werden.
Auf diesen aktuellen Stand bringt das Publikum ein eingespielter Nachrichtenbeitrag, der darüber hinaus Szenen aus den als Prolog im Internet veröffentlichten Kurzfilmen enthält. Anschließend werden die aus den vergangenen Jurassic World-Filmen bekannten Figuren Claire und Owen vorgestellt, von denen Claire ein Dinosaurier-Baby aus einer illegalen Farm befreit, während Owen in den schneebedeckten Bergen der Sierra Nevada Dinosaurier wie ein Cowboy mit dem Lasso einfängt, um sie anschließend in Sicherheit zu bringen. In der Umgebung hat sich auch Raptorendame Blue niedergelassen und ein Junges bekommen. Das stellt ebenso ein Mysterium dar wie die Zukunft der zur Teenagerin herangewachsenen Maisie, deren Geheimnis im letzten Film gelüftet wurde und die nun von Owen und Claire versteckt wird. Der zweite große Storystrang beginnt mit dem Auftauchen einer neuen globalen Plage, riesigen, urzeitlichen Heuschrecken, deren Schwarm Felder wie Nutztiere dahinrafft. Dies ruft Dr. Ellie Sattler auf den Plan, die sich hilfesuchend an den Archäologen Dr. Alan Grant wendet. Nicht nur, dass irgendjemand diese Heuschrecken aus urzeitlicher DNA gezüchtet haben muss, damit wird offenbar bewusst eine globale Hungerkrise in Kauf genommen, denn die gigantischen Insekten greifen nicht die von einem bestimmten Hersteller patentierten Samen an. Das klingt interessant, nur verrät Jurassic World: Ein neues Zeitalter unmittelbar im nächsten Satz, wer dafür verantwortlich ist und so suchen Sattler und Grant Dr. Ian Malcolm auf, um Beweise für das zu sammeln, was sie und das Publikum schon wissen.
Diese zwei Erzählstränge, denjenigen mit den Figuren der neuen Filme und den mit den aus den Jurassic Park bekannten Charakteren, führt Trevorrow schließlich zusammen. Doch obwohl es hier genügend zu erzählen gibt, von den vielen Anspielungen und Verweisen ganz zu schweigen, wirklich packend ist dies selten. Wenigstens dann nicht, wenn Blues Junges und Maisie gekidnappt werden und aus den bisherigen Filmen Figuren wie der von Omar Sy gespielte Barry Sembène oder BD Wong als „Jurassic Park“-Wissenschaftler Dr. Henry Wu, wieder eingebunden werden. Sy verschwindet ebenso wie die interessante Bösewichtin Santos einfach aus der Erzählung, während Wu auf wundersame Weise die Bildfläche verlässt und ganz am Ende wieder auftaucht – als hätte das Skript nicht gewusst, was es mit ihm in der Zwischenzeit anfangen soll. Hinzu kommen zahlreiche neue Figuren wie die Pilotin Kayla Watts, die ein wenig wie eine weibliche Version von Han Solo anmutet, oder Biosyn-Firmenchef Dodgson, der wohl nicht von Ungefähr an ein Abziehbild des CEO eines der größten Techunternehmen unserer Zeit erinnert. Als absehbarer Schurke ist er jedoch überaus schwach und sein Schicksal mehr als vorhersehbar.
Doch klingt all das negativer, als Jurassic World: Ein neues Zeitalter tatsächlich ist, denn es verbergen sich hier viele, viele gute Ideen. Angefangen von der Darstellung des Dinosaurier-Schwarzmarkts in Malta, der zwar erschreckend, aber vermutlich nicht unwahrscheinlich ist. Oder die grundsätzliche Idee der Verfolgungsjagd mit den Raptoren auf Malta, die sich ergibt, als Owen und Claire versuchen, Maisie zu retten. Nicht nur in der Filmvorschau sieht die Sequenz mitreißend aus, sie wartet mit gelungenen Einfällen auf, die der bisher gesehenen Dinosaurier-Action neue Impulse verleihen. Doch ist die Sequenz handwerklich alles andere als überragend umgesetzt, fehlen doch einzelne Übergänge zwischen den Einstellungen. Beispielsweise zu Beginn, wenn man nicht zu sehen bekommt, wie der LKW der Schurken losfährt, oder zum Ende hin, wenn man keine Übersicht bekommt, wie weit es noch bis zur Rettung vor den Raptoren ist. Wie auch in einer späteren Sequenz mit Alan und Ellie in einem Minenschacht, bei der, sobald das Tempo anzieht, keine Übersicht mehr vermittelt wird, wer sich wo in der Szene befindet, bleibt das Gefühl, Colin Trevorrow hätte etwas mehr Zeit gebraucht, die Szenen zu entwickeln. Entkommt Maisie aus dem Labor – und wird offenbar von keinem Sicherheitspersonal je gesucht – hat das Publikum nicht das Gefühl, als wäre sie besonders clever, sondern mehr, als wären alle anderen Figuren nur ausgesprochen dämlich, und machen sich die Helden am Ende auf den Rückweg in die Zentrale, hat man keine Vorstellung davon, wo sie sich auf dem Gelände überhaupt befinden oder wie weit der Weg ist.
Womöglich sind die Verantwortlichen von Jurassic World: Ein neues Zeitalter daran auch gar nicht interessiert. Stattdessen präsentieren sie ihre Vision einer Welt, in der Menschen mit Dinosauriern leben müssen. Wie das aussehen könnte, beweist ein durchaus gelungener Moment zu Beginn mit Maisie und zwei riesigen Dinosauriern in einem Sägewerk. Auch zu sehen, dass Raptoren keine Beutetiere jagen, sondern deren Jäger, ist ein gelungener Einfall. Es führt, wie schon der ursprüngliche Jurassic Park vor Augen, was in einer Welt geschieht, in der die Menschheit in ihrer Überheblichkeit versucht, das Gleichgewicht der Natur zu beeinflussen. Doch sieht man Alan Grants Reaktion auf die Frage, ob er wisse, wie viel Strom der Perimeterzaun des ursprünglichen „Jurassic Park“ geführt habe, kann man förmlich die mitreißende Sequenz des ersten Films vor sich sehen, die, perfekt auf mehreren Ebenen konzipiert und inszeniert, sich in das Gedächtnis eingebrannt hat. Dies gelingt dem Filmemacher hier zu keinem Moment. Ausstattung und Bauten sind erstklassig, die Dinosaurier so lebensecht wie eh und je, aber gerade die stockend erzählten Actionmomente, die stets nur eine Erzählebene abdecken, enttäuschen mit ihren fehlenden Übergängen. So versickern deren Ideen und kein Abschnitt ist so packend wie er sein könnte.
Dies ist nicht der schwächste Teil der Reihe und durchweg unterhaltsam ist er zudem noch. Doch er ist weder so überwältigend oder einprägsam wie Spielbergs Beiträge, oder wie in Anbetracht des nahenden Abschlusses der „Jurassic-Ära“, wie die Plakate zum Film vermuten lassen, zu erhoffen war. Das ist letztendlich doch schade.
Fazit:
Fans der Reihe werden ihre wahre Freude haben, die vielen Anspielungen, insbesondere an den ersten Film, aufzudecken. Derer gibt es nicht nur zahlreiche, sie sind teils so omenhaft, dass es einem mehr als nur ein Lächeln ins Gesicht zaubert. So auch vor allem der Auftritt der drei aus Teil eins bekannten Figuren, die hier perfekt eingebunden sind. Ein Schlagabtausch zwischen Malcolm und Sattler ist das Highlight des Films und ihr Zusammenspiel, auch mit den neuen Figuren, eine wirkliche Freude. Insoweit führt Jurassic World: Ein neues Zeitalter die ursprüngliche Trilogie mit den Jurassic World-Filmen merklich zusammen und gibt den Figuren Einiges zu tun. Die vielen schönen Charaktermomente und gelungenen Ideen sind überdies mit erstklassigen Bildern veredelt. Auch die Verweise an die Verantwortung großer Unternehmen sind treffend. Aber wundert man sich kurz vor Ende, dass es gar keinen epischen Kampf zwischen den größten Dinosauriern des Films gegeben hat, wird dieser von den Verantwortlichen prompt nachgeliefert. So wird das grundlegende Problem des Films überdeutlich: Wir haben all das schon gesehen, mehr als einmal, dabei Vieles besser strukturiert und mitreißender. Wen das nicht stört, wer zweieinhalb Stunden unterhaltsames Action-Spektakel mit Dinosauriern erwartet, das dem Titel auch gerecht wird, und dabei die aus dem ersten Film bekannten Figuren mit den neuen vereint sehen möchte, wird genau das finden. Das ist mehr wert, als man im ersten Moment vermuten würde.