Joey: "Auf nach Hollywood!" (Pilotfilm) [2004]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 26. September 2004
Genre: KomödieOriginaltitel: Joey: "Pilot"
Laufzeit: 26 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Kevin S. Bright
Musik: Transcenders
Darsteller: Matt LeBlanc, Paulo Costanzo, Drea de Matteo, Andrea Anders, Jennifer Coolidge
Kurzinhalt:
Nachdem sich seine Freunde in New York so stark weiterentwickelt, geheiratet und Kinder bekommen haben, zieht es den Schauspieler Joey Tribbiani (Matt LeBlanc) nach Los Angeles, wo ihn seine neue Agentin Bobbi (Jennifer Coolidge) gleich bei mehreren Shows unterbringen möchte. Doch nachdem sich Joey in seinem neuen Apartment, das ihm seine Schwester Gina (Drea de Matteo) vermittelt hat, eingelebt hat, erhält er für seine Shows lauter Absagen.
So steht Joey nach kurzer Zeit ohne Job da, und als wäre das nicht genug, möchte sein Neffe Michael (Paulo Costanzo), Ginas Sohn, bei ihm einziehen, um der Obhut seiner Mutter endlich entfliehen zu können. Eine Vorstellung, die Gina gar nicht gefällt. Als Joey dann auch noch erfährt, dass seine gut aussehende Nachbarin Alex (Andrea Anders) verheiratet ist, sehnt er sich doch nach New York zurück.
Kritik:
Als im Mai 2004 nach über 10 Jahren die beliebteste und erfolgreichste Sitcom ihrer Zeit, Friends [1994-2004] zu Ende ging, verabschiedeten sich die Fans sowohl mit einem lachenden, als auch einem weinenden Auge. Nicht nur, dass die Macher sich stets bemüht hatten, die Figuren glaubhaft zu halten, sie weiterzuentwickeln und doch für genügend Humor zu sorgen, in den 10 Jahren waren einem die sechs Freunde schlicht ans Herz gewachsen und auch wenn in der letzten Staffel die meisten losen Enden zusammengeknüpft wurden, in der finalen Episode auch viele Fragen beantwortet wurden, der Abschied fiel einfach nicht leicht.
Zu dem Zeitpunkt stand allerdings schon fest, dass der in den USA beliebteste Charakter Joey, gespielt von Matt LeBlanc, eine eigene Serie bekommen würde, die nach den Ereignissen von Friends spielte. Das Geschehen wurde von New York nach Los Angeles verflagert und Joey sollte hier nun einen neuen Anfang wagen. Skeptisch waren die Fans aber trotz der Tatsache, dass dieselben Autoren wie bei Friends verpflichtet wurden – in den Zuschauerzahlen spiegelte sich das insofern wider, als dass Friends durchschnittlich bis zu 30 Millionen Fans vor die Fernseher locken konnte, wohingegen bei Joey etwas mehr als 15 eingeschaltet hatten. Es ist freilich schwer, wenn nicht gar unmöglich, Joey anhand der ersten 25 Minuten einschätzen zu wollen, und es ist auch nicht gerecht, die Serie mit Friends zu vergleichen, doch müssen sich die Macher beides gefallen lassen. Dabei fällt am offensichtlichsten auf, dass Joey alles andere als schlecht ist, als Comedy-Serie feiert sie sogar einen soliden Einstand, besser als damals Friends, und doch werden einige der größten Probleme der Serie schon nach so kurzer Zeit klar und man darf gespannt sein, inwieweit die Macher diese auszuräumen vermögen.
Das Skript versteht es sehr gut, die neuen Figuren einzuführen, ebenso den neuen Haupthandlungsplatz der Sitcom, und doch verwundert es einen als Zuschauer, dass gleich zu Beginn Joey wieder seine Arbeit als Schauspieler verliert und damit etwa in die Situation geworfen wird, in der er in der Mitte von Friends gefangen war. Zudem scheinen seine Umgangsformen mit der Nachbarin Alex weit von dem entfernt, wohin sich Joey früher in der Sechsergemeinschaft entwickelt hatte, man wird das Gefühl nicht los, dass der Charakter in vielerlei Hinsicht wieder ein ganzes Stück weit zurückgeworfen wurde, um ihn hier von Neuem entwickeln zu können.
Dass Joey die Hauptfigur der Serie ist, steht auch nach der kurzen Zeit schon außer Frage, immerhin ist jede einzelne Szene auf ihn zugeschnitten, die anderen Figuren bereiten meistens nur seine witzigen Sprüche vor, ohne selbst welche liefern zu dürfen. Dabei ist mit dem Mutter-Sohn Gespann Michael und Gina Tribbiani doch genügend Zündstoff für weitere Entwicklungen gegeben. Man darf gespannt sein, wie die Macher dies weiterverfolgen werden. Ob die grundsätzliche Anlage von Joeys verheirateter Nachbarin Alex glücklich gewählt ist, wird sich weisen, denn als mögliche Liebesbeziehung scheint sie gerade zu Beginn zu unterkühlt und nicht witzig genug. Mit Joeys Agentin Bobbi hat man hingegen versucht, einen ähnlichen Charakter wie Estelle in Friends zu kreieren, nur dass Joeys frühere Agentin bedeutend mehr Charisma und Charme besaß.
So hinterlässt das Skript einen zwiespältigen Eindruck, einerseits sind manche Sprüche, insbesondere diejenigen von Joey, wirklich gut gelungen und lassen auch schnell das bekannte Flair des Charakters aufkommen, andererseits wirken die neuen Figuren noch zu grob umrissen, als würden sie im Schatten der Hauptfigur stehen, ohne selbst zur Geltung zu kommen, als dass man hier Prognosen treffen könnte. Man kann nur hoffen, dass sich die Autoren nicht allzu viel Zeit lassen, Joey wieder eine Arbeit als Schauspieler zu geben, immerhin hatten Fans von Friends (und die sind nun einmal die Hauptzielgruppe) dieses Thema schon zur Genüge durchlebt.
Abgesehen davon bietet der Pilotfilm eine interessante Grundlage, insbesondere mit den zwei neuen Hauptcharakteren in Joeys Leben, so dass man sich auf weitere Folgen ohne Zweifel freuen kann.
Die Darsteller sind hingegen ein wenig schwieriger einzuschätzen, wobei das Urteil bei Matt LeBlanc (der in jenem Jahr zudem für einen Emmy für seine Rolle in Friends nominiert war) recht eindeutig ist. Nicht nur, dass ihm die größere Aufmerksamkeit der Autoren und des Publikums ziemlich zu gefallen scheint, er geht in seiner Rolle auch vollends auf, schlüpft ohne Umschweife wieder in die bekannte Hülle des sympathisch-trotteligen Joey. Dabei agiert er doch mit seinen Kollegen am Set, anstatt sich vor sie ins Rampenlicht zu stellen. Ihm zuzusehen macht wirklich Spaß, und seinetwegen freut mich sich auch auf die kommenden Episoden.
Paulo Costanzo, der Joeys Neffen Michael mimt, nimmt man seine Rolle ohne weiteres ab, auch wenn er bislang nicht sehr viel zeigen darf. Seinem natürlichen Umgang mit Joey ist es zu verdanken, dass die Szenen mit den beiden wirklich gelungen sind, er verkörpert zweifelsohne den ausbaufähigsten Charakter.
Nicht so einfach ist es bei Drea de Matteo (ihre Serienrolle wurde in Friends von K.J. Steinberg verkörpert), die zuvor in der Mafia-Serie Die Sopranos [1999-2007] mitgewirkt hatte, und für ihre Rolle dieses Jahr auch endlich den verdienten Emmy mit nach Hause nehmen durfte. Dass sie eine gute Darstellerin ist, steht außer Frage, problematisch ist es jedoch, wenn man sie als Komödiendarstellerin einschätzen soll. Einerseits sind einige ihrer Sprüche wirklich gut, andererseits scheint sie gerade bei den witzigen Momenten mitunter zu verkrampft, vielleicht auch, weil sie an solche Rollen bislang nicht gewöhnt ist. Bleibt abzuwarten, ob sich das bessert, auf ihre Weiterentwicklung darf man gespannt sein.
Von Joeys Nachbarin Alex, gespielt von Andrea Anders, ist ebenfalls noch nicht viel zu sehen, und auch sie scheint etwas steif und distanziert, was aber auch daran liegen kann, dass sie erst im Nachhinein für die Rolle gecastet wurde. Ursprünglich hätte die Rolle von Ashley Scott gespielt werden sollen, die auch für die erste Episode vor der Kamera stand. Da das Studio jedoch mit den Zuschauerreaktionen nicht zufrieden war, wurden ihre Szenen vor Ausstrahlung nochmals mit Anders nachgedreht.
Joeys Agentin Bobbi wird von Jennifer Coolidge gespielt, bislang bekannt unter anderem aus der American Pie [1999]-Reihe; ob sie eine dauerhafte Rolle bekommen wird, oder nur hin und wieder auftritt, ist wohl noch nicht entschieden, in der Pilotfolge hingegen besticht sie durch das überzeichnetste Schauspiel, das man seit langem in einer Prime-Time-Serie zu sehen bekam. Mit einer viel zu ausladenden Mimik und Gestik und einem betont lauten und langsamen Sprechen macht sie selbst die witzigen Momente ihres Auftritts zunichte.
Alles in allem überzeugt die Besetzung mit guten Darstellern, die momentan aber alle hinter Matt LeBlanc zurückstehen. Ob und wann sich das ändert, kann man hingegen noch nicht sagen, es bleibt aber zu hoffen, dass es möglichst bald geschieht, denn auch wenn LeBlanc dem Druck durchaus gewachsen ist, er allein kann nicht für alle anderen Figuren entschädigen.
Inszenatorisch gibt sich Serienerfinder und Regisseur Kevin S. Bright gewohnt routiniert, fängt die Episode in guten, wenn auch sehr studioartig wirkenden Bildern ein, worunter insbesondere die Aufnahmen auf der Terrasse von Joeys Apartment leiden. Was etwas verwundert sind die in Zeitraffer laufenden Überblendungen zwischen zwei Szenen, die unnötigerweise ein Tempo suggerieren, wo keines notwendig ist, und auch stilistisch nicht zum Rest der Serie passen wollen.
Die Musik hält sich angenehm im Hintergrund und fällt nicht negativ auf, so eingängig wie bei Friends ist sie jedoch nicht. Gute Chancen auf einen Sommerhit hat hingegen das Titellied "Sunny Hours" von Long Beach Dub All-Stars.
Handwerklich gibt es somit kaum etwas zu bemängeln, und wenn man nach den ersten 25 Minuten wirklich etwas kritisieren möchte, dann sind es allenfalls die Möglichkeiten, die sich die Autoren mit der derzeitigen Charakterkonstellation anscheinend verbaut haben. Nicht nur, dass allein Joey für die Witze und Sprüche sorgt, die Limitierung auf bedeutend weniger Figuren, wovon zwei auch schon mit dem Hauptcharakter verwandt sind, bindet den Machern in vielerlei Hinsicht die Hände.
Bei Friends war jeder Darsteller für eine andere Art Humor verantwortlich, einer war für die Grimassen und Pointen verantwortlich, der andere für witzige Versprecher und skurrile Situationen, wieder ein anderer für körperliche Akrobatik – bislang ist der einzige, der all das auf seine Schultern laden soll Matt LeBlanc, dem dies jetzt zwar noch nichts auszumachen scheint, der aber früher oder später daran zerbrechen könnte, und sei es nur, weil die Fans bei witzigen Gelegenheiten auch einmal die anderen Darsteller sehen möchten. Man darf also hoffen, dass die Macher den anderen Charakteren ebenso humorvolle Attribute attestieren werden, anstatt sich voll und ganz auf ihren Hauptcharakter zu verlassen.
Bis dahin darf man Joey in vollen Zügen genießen, zwar bewegt sich die Serie nicht auf dem gewohnten Niveau von Friends, doch wie damals braucht jede Serie ihre Zeit, um einen eigenen Rhythmus zu finden. Die Dauer, die den Produzenten von den Zuschauern dafür aber eingeräumt wird, ist in der heutigen Zeit leider immer kürzer. Von daher freuen sich die Zuschauer auf die kommenden Episoden, angesichts der spärlichen Konkurrenz bei guten Sitcoms fällt das nicht schwer.
Fazit:
Joey nach der kurzen Zeit einzuschätzen ist verständlicherweise kaum möglich, fest steht aber, dass die Macher es gut verstanden haben, die aus Friends gewohnte Stimmung aufzufangen und die Hauptfigur Joey als Sympathieträger der Serie zu etablieren. Dass dabei viele frühere Entwicklungen des Charakters auf der Strecke geblieben scheinen, ist jedoch ein Wermutstropfen, den man als gegeben hinnehmen muss.
Der Pilotfilm gibt sich witzig, aber glücklicherweise nicht klamaukig, die neuen Figuren wirken allesamt interessant und sind bis auf eine Ausnahme auch solide gespielt. Matt LeBlanc fühlt sich ein seiner größeren Rolle sichtlich wohl, was man ihm auch anmerkt. Trotzdem sollte man darauf hoffen, dass auch die anderen Charaktere bald weiterentwickelt werden, als Vorlagen liefernde Statisten scheinen sie jedenfalls verschwendet.