Jack Ryan: Staffel 2 [2019]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 28. September 2020
Genre: Action / Thriller / Drama

Originaltitel: Jack Ryan: Season 2
Laufzeit: 369 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Phil Abraham, Andrew Bernstein, Dennie Gordon
Musik: Ramin Djawadi
Besetzung: John Krasinski, Wendell Pierce, Noomi Rapace, Jordi Mollà, Cristina Umaña, Francisco Denis, Jovan Adepo, Michael Kelly, John Hoogenakker, Benito Martinez, Tom Wlaschiha, Susan Misner, Michael O’Neill


Kurzinhalt:

Inzwischen als Dozent für die CIA tätig, warnt der Analyst Dr. Jack Ryan (John Krasinski) seine Zuhörerschaft vor den Gefahren, die im strategisch entscheidend gelegenen Venezuela schlummern können, als der befreundete Senator Moreno (Benito Martinez) an ihn herantritt. Geheimdienstberichten zufolge wurden Container nach Venezuela geliefert, die Waffen enthalten könnten. Ryan erhält die Erlaubnis, Nachforschungen vor Ort anzustellen und findet sich zusammen mit James Greer (Wendell Pierce) inmitten des Wahlkampfes von Venezuelas Präsident Nicolás Reyes (Jordi Mollà) wieder, der alles dafür tun würde, seine Wiederwahl zu sichern. Umso mehr, da der Gegenkandidatin Gloria Bonalde (Cristina Umaña) gute Chancen eingeräumt werden. Nach einem Attentat wird Ryan auf die Agentin Harriet (Noomi Rapace) aufmerksam, doch ob sie auf derselben Seite stehen, kann er nicht wissen. Dafür überschlagen sich in Venezuela zunehmend die Ereignisse, die Auswirkungen jenseits der Landesgrenzen haben könnten …


Kritik:
Nachdem die Macher mit der ersten Staffel einen unerwartet gelungenen Neustart der Romanfigur von Tom Clancy im filmischen Medium präsentiert haben, hat Jack Ryan: Staffel 2 bedauerlicherweise in jeder Hinsicht bis auf eine das Nachsehen gegenüber dem vorigen Jahr. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Geschichte aus dem Auge verliert, was für eine Person der CIA-Analyst im Grunde ist. Entpuppen sich Nebencharaktere schließlich als interessanter denn die Titelfigur, haben die Autorinnen und Autoren für die kommende dritte Staffel eindeutig Nachholbedarf.

Dabei beginnt die achtteilige Geschichte überaus vielversprechend und verschlägt Dr. Jack Ryan, der vorübergehend einen Posten beim Kongress übernommen hat, nach Venezuela, wo Präsident Nicolás Reyes internationale Geschäfte eingegangen sein soll, deren Absichten sich nicht zuordnen lassen. Gleichzeitig kommt Ryans ehemaliger Vorgesetzter James Greer, der als stellvertretender Dienststellenleiter in Moskau tätig ist, Vorkommnissen auf die Spur, die ihn ebenfalls nach Venezuela führen. Dass das eingespielte wenn auch ungleiche Team aus Ryan und Greer hier nicht von Beginn an gemeinsam auftritt, sondern beide separate Ziele verfolgen, hält die Figuren zwar interessant, doch stellt die Story die Verbindung zwischen ihnen zu früh wieder her, so dass letztlich die Frage bleibt, was damit gewonnen ist, dass sie nicht gemeinsam gestartet haben. Wird Jack in Venezuela in ein tödliches Attentat verwickelt, nimmt Staffel 2 spürbar Fahrt auf und präsentiert mit dem Attentäter Max sowie der Agentin Harriet überaus interessante neue Figuren. Nur leider werden diese allesamt nicht merklich entwickelt. Würde Jack Ryan eine Laufzeit von mehr als 20 Episoden umfassen, könnte man verstehen, dass diese Charaktere die Geschichte nur einen Teil des Wegs voranbringen, doch in Anbetracht der komprimierten Erzählung, scheinen die Auftritte beinahe wie eine Verschwendung.

Parallel erhält das Publikum Einblick in die unterdrückende Regentschaft des skrupellosen Präsidenten Reyes, der sich aus den ärmlichen Verhältnissen seines Landes emporgearbeitet hat, aber nicht in der Lage scheint, sein Volk zu demselben Reichtum zu verhelfen, über den er inzwischen verfügt. Was ihn motiviert und weshalb er geworden ist, wer er ist, wird nie in dem Maße deutlich, wie die Macher den Bösewicht in der ersten Staffel beleuchtet haben. Allenfalls mit Reyes’ Berater und Freund aus Kindertagen, Miguel, erhalten die porträtierten Machthaber eine gewisse Schattierung. Das Highlight der Figuren ist jedoch Reyes’ Gegenkandidatin bei der kommenden Präsidentschaftswahl, Gloria Bonalde, die im Grunde nur antritt, um ihren verschwundenen und mutmaßlich von Reyes entführten Ehemann zu vertreten. Ihre Momente zählen allesamt zu den stärksten der Staffel.

Die schwerwiegenderen Probleme von Jack Ryan: Staffel 2 hängen jedoch damit zusammen, wie Jack Ryan als Figur dargestellt wird. Dass seine Freundin aus der vorigen Staffel nicht mehr zu sehen ist, ist ein Versäumnis, das man noch akzeptieren könnte. Was ihn jedoch als Charakter bislang auszeichnete, war seine Integrität und sein Idealismus. Keines von beiden ist hier zu sehen. Es ist vielmehr, als wäre Jack Ryan durch Jack Bauer aus der Serie 24 [2001-2010] ersetzt worden. War er zuvor ein Analyst, der mit Daten jongliert und sich eher zufällig in einer außergewöhnlichen Situation wiederfand, der Probleme am Schreibtisch löste und Nebenfigur war, wenn Spezialeinsatzkräfte die Schurken dingfest machten, ist er hier buchstäblich ständig an vorderster Front. Er setzt sich über sämtliche Befehle hinweg, stürmt in Rambo-Manier Anwesen und entledigt sich mehr Bösewichter, als sonst irgendjemand in der Staffel. Dass er außerdem alles daran setzt, einen politischen Umsturz herbeizuführen, gemeinsam mit Mitstreitern in fremdes Hoheitsgebiet eindringt, um bleihaltig für Gerechtigkeit zu sorgen, und all das schlussendlich ohne jegliche Auswirkung bleibt, passt ins Bild eines waffenstarrenden Actionhelden.

Kurzum, Jack Ryan ist von der zurückhaltenden, charmanten und sogar etwas jungenhafte idealisierten Figur der ersten Staffel meilenweit entfernt. In der Rolle ist John Krasinski nach wie vor sehenswert, nur hat sie kaum etwas mit der des Vorjahres gemein. Dass die Story vor allem in der letzten Episode inhaltlich maßlos über das Ziel hinausschießt und rücksichtslose Selbstjustiz propagiert, fügt sich bedauerlicherweise in die Staffel ein und soll vielleicht überdecken, dass zuvor zahlreiche Sprünge innerhalb der Geschichte keinen großen Sinn ergeben. So wird ein Feuer in einem Stadtviertel gelegt, ohne dass der Sinn dahinter klar würde, was aus einem von Max’ Opfern wird, wird nie aufgelöst, und wie eine US-Eingriffstruppe, die im Dschungel Venezuelas abgeschnitten war, entkommen kann, behalten die Macher ebenfalls für sich. Gleichzeitig erscheinen aber nicht alle Nebenhandlungen wirklich notwendig, insbesondere dann nicht, wenn wie beispielsweise bei dem für die Spezialeinheit rekrutierten Soldaten schließlich nichts aus der Figur wird. Die vermeintlich große Wendung am Ende hinsichtlich Reyes’ Verstrickungen haben Thriller-Kenner dabei bereits nach der Hälfte der Staffel durchschaut.
Es klingt, als wäre Jack Ryan: Staffel 2 inhaltlich eine Enttäuschung, doch das wäre sichtlich zu negativ.

Tatsächlich überzeugt die zugrundeliegende Geschichte durch aktuelle Bezüge, insbesondere was Korruption in denjenigen Ländern anbelangt, die im Grunde über die wertvollsten Bodenschätze verfügen. Anstatt viele Verbindungen jedoch unausgesprochen zu lassen und das Publikum dazu zu bringen, selbst Schlussfolgerungen zu ziehen, wie noch im Jahr zuvor, ist Staffel 2 von Jack Ryan spürbar geradliniger und dabei deutlich mehr auf Action, denn auf analytischen Thriller geeicht. So wird aus dem sympathischen CIA-Beamten von nebenan ein Action-Superheld, der kompromisslos seinen Weg geht. Das spricht auch auf Grund der auf weniger Ebenen parallel erzählten Geschichte ein etwas anderes Publikum an, ist aber stets unterhaltsam. Gleichzeitig aber auch ein Schritt in die falsche Richtung.


Fazit:
Handwerklich gibt es an der zweiten Season der Agenten-Serie nichts zu bemängeln. Im Gegenteil, im Vergleich zur ersten Staffel fällt auf, dass diese mehr „aus einem Guss“ erscheint. Aufwändig produziert, gibt es hier an vielen Stellen keinen Unterschied zu großen Leinwandproduktionen, wobei unter anderem bei manchen Stunts wie der Verfolgungsjagd von Jack und Max bestimmte Übergänge zu fehlen scheinen, als wollte man Kosten sparen. Der hohe Gewaltgrad ordnet die Serie spürbar bei Erwachsenenunterhaltung ein, doch bleibt die Charakterisierung der verschiedenen Figuren trotz der Laufzeit der zusammenhängenden Story erstaunlicherweise auf einem niedrigen Niveau. Außer, dass die Titelfigur hier wie ein Elitekämpfer auftritt, erfährt das Publikum beispielsweise nichts Neues über ihn. Die politischen Verstrickungen in Venezuela sind dabei bedeutend interessanter und die Figuren vielschichtiger, als Jack oder James Greer, der ebenfalls kaum weiterentwickelt wird. So bleibt Jack Ryan: Staffel 2 spürbar hinter ihren Möglichkeiten und erscheint vor allem in den letzten Episoden phasenweise derart übertrieben, als hätten die Macher aus einem Klischeehandbuch für Hollywood-Filme in den 1980er-Jahren abgeschrieben. Ein zurückhaltenderer Ansatz hätte der Geschichte hier gutgetan. Immerhin ist das Gezeigte stets unterhaltsam und durchweg gut gespielt. Das macht es einfacher, über Vieles hinwegzusehen. Wie wenig manche Figuren jedoch zu tun bekommen, ist am Ende regelrecht enttäuschend.