Glass [2019]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. Januar 2019
Genre: Thriller / Horror / Fantasy

Originaltitel: Glass
Laufzeit: 129 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: M. Night Shyamalan
Musik: West Dylan Thordson
Darsteller: James McAvoy, Bruce Willis, Samuel L. Jackson, Sarah Paulson, Spencer Treat Clark, Anya Taylor-Joy, Charlayne Woodard, Luke Kirby, Jane Park Smith, Diana Silvers, Adam David Thompson, Marisa Brown


Kurzinhalt:

19 Jahre nachdem David Dunn (Bruce Willis) entdeckte, dass er unverwundbar ist und eine übermenschliche Stärke besitzt, vollbringt er des nachts unerkannt Heldentaten, unterstützt durch seinen Sohn Joseph (Spencer Treat Clark). Seit die Presse von dem unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidenden Kevin Wendell Crumb (James McAvoy) berichtete, der drei junge Frauen entführte und mindestens drei Morde beging, ist David auf der Suche nach ihm. Als sie schließlich aufeinandertreffen, werden sie von Einsatzkräften um Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) gefangengenommen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Patienten von der Wahnvorstellung zu heilen, sie seien übernatürliche Superhelden. Zur Therapie holt sie auch den hochintelligenten, aber ruhig gestellten Elijah Price (Samuel L. Jackson) hinzu, der zusammen mit Kevins Fähigkeiten eine unbezwingbare Bedrohung darstellt …


Kritik:
Wenn der Abspann beginnt werden vermutlich nicht wenige Kenner von M. Night Shyamalans Film Unbreakable [2000] fragen „darauf habe ich fast 20 Jahre lang gewartet?“. Die ersehnte Fortsetzung des ungewöhnlichen, optisch ausgefeilt und ruhig erzählten Superhelden-Films verknüpft dessen Geschichte mit derjenigen von Shyamalans Split [2016]. Wer nicht mit beiden Werken vertraut ist, wird sich hier nicht zurechtfinden, und wer beide kennt, wird von den Ereignissen vermutlich vor den Kopf gestoßen werden. Dabei ist Glass weniger ein Abschluss als ein Anfang und das, obwohl das Ende ganz anders ausfällt, als man erwarten könnte.

Die Geschichte setzt nur kurz nach den Ereignissen von Split an, in dem sich die junge Casey in der Gewalt des Entführers Kevin befand, der unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung litt und sich schließlich in eine übermenschliche Bestie verwandelte. Der aus Unbreakable bekannte, unverwundbare David Dunn ist seit der Entdeckung seiner Fähigkeiten nachts als schemenhafter Rächer unterwegs und auf der Suche nach „der Horde“ (ein Zusammenschluss aus einigen von Kevins Persönlichkeiten), die erneut vier junge Frauen entführt hat. Sie beide werden von Einsatzkräften um Ärztin Ellie Staple gestellt und in Gewahrsam genommen. Diese ist der Überzeugung, dass David und Kevin auf Grund einer psychologischen Störung der Meinung sind, sie hätten Superkräfte, und ihnen mit einer Therapie geholfen werden kann. Dafür holt sie auch den in der Psychiatrie vor sich hin vegetierenden Elijah Price hinzu, der seinerzeit Davids Gabe zutage förderte.

Es ist kaum zu viel verraten, wenn man sagt, dass dies noch nicht die ganze Geschichte ist, immerhin zeigt auch die Filmvorschau, dass sich Elijah Kevins Persönlichkeiten zunutze macht. Erstaunlich ist allerdings, wie lange Glass benötigt, um überhaupt an diesem Punkt anzukommen. Das erste Aufeinandertreffen zwischen David, der von den Medien als ‚Overseer‘ bezeichnet selbst von der Polizei gesucht wird, und der Bestie lässt nicht lange auf sich warten. Doch dann verlagert der Filmemacher das Geschehen in ein Sanatorium, wo sich Dr. Staple – bestens ausgerüstet mit Vorrichtungen, welche die Schwachpunkte der Figuren nutzen, um sie in Schach zu halten (woher auch immer ihr diese bekannt sind) – ihrer annimmt und eine „Therapie“ beginnt. Dabei wiederholt sie mehrmals, dass es keine Superhelden gibt, sie keine übernatürlichen Fähigkeiten besitzen. Sowohl ihnen gegenüber als auch ihren Angehörigen, die die Gefangenen nicht besuchen dürfen. Bis es erneut zu einem packenden Höhepunkt kommt, ist der Film so gut wie vorbei. Auf dem Weg dorthin erzählt der Filmemacher die Ursprungs- und Hintergrundgeschichten der Figuren erneut, die das Publikum jedoch ohnehin bereits kennt. Inhaltlich tritt die Story lange Zeit schlicht auf der Stelle.

Man muss Shyamalan allerdings dafür bewundern, wie viel Liebe zum Detail er bei Glass walten lässt. Nicht nur, dass er mit Anya Taylor-Joy die aus Split bekannte Casey zurückbringt, auch Elijahs Mutter wird erneut von Charlayne Woodard gespielt, während der inzwischen erwachsene Spencer Treat Clark wieder in die Rolle von Davids Sohn Joseph schlüpft. Sie tragen ebenso wie die eingestreuten Rückblicke, die zum Teil aus entfernten Szenen von Unbreakable bestehen, die es nicht in die endgültige Filmfassung geschafft hatten, ungemein zum Zusammenhalt dieses filmischen Universums bei. Aber vor allem die Beteiligung der Nebenfiguren scheint die längste Zeit über unnötig, mit Ausnahme von Joseph, der seinen Vater bei dessen Heldentaten hilft. Versammeln sie sich alle zum Finale, ergibt sich die Zusammenkunft nicht aus der Geschichte. Sie sind vielmehr da, weil das Drehbuch sie hier haben möchte.

Auch handwerklich ist Shyamalan darum bemüht, seinen bisherigen Werken treu zu bleiben. Bedeutsame Perspektiven, eine durchgehende Farbgebung, all das findet sich wieder. Mit den Kampfszenen aus dem jeweiligen Blickwinkel der Personen versucht er zudem, einen frischen Aspekt einzubringen. Aber gerade angesichts der Rückblicke wirkt der Look hier zu glatt und mit den zahlreichen Referenzen auf Social Media sowie den permanenten Einblendungen von Überwachungskameraaufnahmen beraubt er seinen Film einer Zeitlosigkeit, die vor allem Unbreakable heute immer noch auszeichnet.

Fans von Split werden bemerken, dass obwohl James McAvoy von allen Beteiligten am meisten Zeit im Rampenlicht zugeschrieben bekommt, der Horror-Aspekt so gut wie gar nicht existiert. So beeindruckend es ist, ihm bei seinen Wechseln zwischen den Persönlichkeiten zuzusehen, wenn selbst die übrigen Beteiligten teils schmunzeln müssen, wenn beispielsweise der neunjährige Hedwig zum Vorschein kommt, wird deutlich, dass die Figur einen Großteil ihrer Bedrohlichkeit verloren hat. Wer seinerzeit Unbreakable zu schätzen wusste, wird hingegen vom Verlauf der Geschichte an sich überrumpelt. Ist das Gezeigte bis zum ersten Aufeinandertreffen zwischen David und der Bestie erstaunlich wenig packend, steigt die Hoffnung, dass mit dem Ausbruch aus dem Institut endlich der Film beginnt, auf den man gewartet hat. Doch es wird ein Szenario angekündigt, das viel Potential hätte, aber nie eintritt. Wie die Ärztin, die immer dasselbe wiederholt, kommt die Geschichte nicht vom Fleck. Selbst die kurzen Rückblicke aus Unbreakable und Split zeigen eindrucksvollere Momente als irgendetwas, was es an Neuem hier zu sehen gibt. Zusammen mit einem Schluss, der einen ungeachtet der Möglichkeiten und dass man wissen möchte, wie es weitergeht, unzufrieden zurücklässt, ist das doch leider recht enttäuschend.


Fazit:
Jeder gute Moment wird mindestens von einem eingerahmt, der entweder von der Idee oder der Ausführung her enttäuscht oder deplatziert wirkt. Seine Ambitionen in allen Ehren, M. Night Shyamalan ist und bleibt sein eigener größter Feind. Anstatt eine gute Geschichte zu erzählen, die der ein oder anderen Hollywood-Konvention folgt, ist er so sehr darum bemüht, unvorhersehbar zu bleiben, dass er dafür den gelungenen Abschluss eines seiner Herzensprojekte opfert. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass kaum jemand im Publikum wird erahnen können, wie die Geschichte jener Figuren in Glass endet. Der Plot-Twist ist garantiert – aber das ist für sich genommen noch kein Kompliment. Dass das Ende dafür sorgt, dass man weder Split, noch Unbreakable nochmals wird unbefangen ansehen können, macht es auch nicht besser. James McAvoys Kraftakt ist erneut beeindruckend und auch Samuel L. Jackson lässt Facetten seiner damals so tragischen Figur durchblitzen. Aber so wie Bruce Willis selbst beinahe amüsiert und gelangweilt zugleich scheint, er nie recht in Fahrt kommt, tut es auch der Film nicht. Schade.