Ganz weit hinten [2013]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 24. November 2013
Genre: Unterhaltung / Komödie / DramaOriginaltitel: The Way Way Back
Laufzeit: 103 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Nat Faxon, Jim Rash
Musik: Rob Simonsen
Darsteller: Liam James, Steve Carell, Toni Collette, Sam Rockwell, AnnaSophia Robb, Allison Janney, Zoe Levin, River Alexander, Rob Corddry, Amanda Peet, Maya Rudolph, Nat Faxon, Jim Rash, Adam Riegler
Kurzinhalt:
Von der Rückbank aus, den Blick nach hinten aus dem fahrenden Auto gerichtet, sieht Duncan (Liam James) nicht nur die Straße, sondern auch seine Zukunft hinter dem Horizont verschwinden. Zusammen mit seiner Mutter Pam (Toni Collette) begleitet er ihren neuen Freund Trent (Steve Carell) und seine Tochter Steph (Zoe Levin) in dessen Strandhaus für den Sommer. Stephs offene Ablehnung wird von Trents verletzendem, mitunter bereits erniedrigendem Umgang mit Duncan noch überboten und zu allem Überfluss wohnt im Nachbarhaus der dem Alkohol zugetanen Betty (Allison Janney) auch deren hübsche Teenager-Tochter Susanna (AnnaSophia Robb).
Um dem unangenehmen Zuhause zu entfliehen, fährt Duncan eines Tages mit dem Fahrrad in den Wasserpark Water Wizz, wo ihn Owen (Sam Rockwell) unter seine Fittiche nimmt und ihm sogar einen Job gibt. Seine Zeit im Park genießt er umso mehr, je schwieriger die Situation zwischen Pam und Trent wird. Als sich Susanna dafür zu interessieren beginnt, wo Duncan seine Tage verbringt, könnte sich alles zum Guten wenden – aber kein Sommer dauert ewig ...
Kritik:
Ganz weit hinten ist wie eine Reise in die Vergangenheit. Nicht zwangsläufig die eigene, aber eine, die zumindest erwachsenen Zuschauern sehr bekannt vorkommt. Gleichzeitig findet sich auch das junge Publikum darin wieder und vielleicht sogar die ein oder anderen Eltern, die sich in einer ganz ähnlichen Situation befinden, wie Trent und Pam hier. Es ist eine Geschichte, die das Leben immer wieder schreibt. Von Generation zu Generation neu. Vielleicht wiederholen wir sie auch nur, weil wir es in der eigenen Jugend selbst so erlebt haben.
Sie beginnt mit einer Frage, die für sich genommen schon verletzend genug ist; der neue Freund seiner Mutter, Trent, fordert den vierzehnjährigen Duncan auf, sich selbst auf einer Skala von eins bis zehn einzuschätzen. Inmitten der Pubertät, in seine eigenen Gedanken zurückgezogen, welcher Jugendliche möchte auf eine solche Frage antworten? Welcher Erwachsene? Duncan entscheidet sich für eine sechs – Trent erwidert, dass er ihn als eine drei sieht. Was für ein Mensch sagt so etwas zu einem anderen?
Steve Carell ist bekannt für seine lustigen Rollen, sein überkanditeltes Spiel und seine oft charmanten Figuren. Er mimt Trent so unverblümt, dass man ihm seine Absicht hinter der Eingangsfrage, nämlich dass er Duncan aus seinem Schneckenhaus locken möchte, während er den Sommer mit seiner Mutter Pam und Trents Tochter Steph in dessen Strandhaus verbringt, beinahe abkaufen würde. Die Filmemacher Nat Faxon und Jim Rash, für die Ganz weit hinten die erste Regiearbeit ist, erzählen ihr Lehrstück vom Erwachsenwerden ohne erhobenen Zeigefinger, außer vielleicht den gegen die Erwachsenen. Aber dafür mit viel Gespür für die Jugendlichen, ihre Träume und Ängste.
Wer weiß nicht, wie sich Duncan fühlen muss, wenn er eines Abends auf der Terrasse steht und die Tochter der Nachbarin ihn anspricht. Sein vernünftigster Satz fällt ihm ein, wenn sie sich schon auf den Weg zurück ins Haus macht und als er ihn ihr hinterherruft, ergibt sich eine Situation, in der er sich nur noch unwohler fühlt. Getrennt von seinem Vater, soll er Trent als neue Autorität in seinem Leben akzeptieren und man wird das Gefühl nicht los, dass dieser nicht davor Halt macht, Duncan bloßzustellen, nur um ihm den Platz in der neuen Hackordnung deutlich zu machen.
Der Sommer, den Duncan verbringt, wird einzig durch den Bademeister Owen aufgelockert, der in einem Wasserpark auf ihn aufmerksam wird und ihm sogar einen Job gibt. Duncan blüht auf, um abends wieder in das Haus zurückzukehren, in dem er sich nicht zuhause und auch nicht willkommen fühlt.
Durch die Musikauswahl, Trents alten Buick und die Kleidung im Allgemeinen, versprüht Ganz weit hinten einen Charme, den die älteren Zuschauer aus den 1980er Jahren kennen. Vielleicht erkennt man sich gerade deshalb so leicht darin wieder. Die Filmemacher ersparen einem große, dramatische Offenbarungen und bleiben vielmehr so greifbar, wie unbequeme Momente im wirklichen Leben ablaufen. Die Stationen, die Duncan durchläuft, sind nicht unbedingt neu, aber dank Liam James' schüchternem Spiel, fallen die kleinen Veränderungen in seinem Verhalten, sein sicherer Blick oder allein die Tatsache, dass er in den letzten 20 Minuten mehr erzählt, als die eineinhalb Stunden zuvor, umso mehr auf.
Seine Erlebnisse verändern sein ganzes Leben nicht über Nacht, es ist nicht so, dass am Ende alles gut wäre, ganz im Gegenteil. Und selten wird aus der ersten Verliebtheit eine Beziehung für's ganze Leben. Aber er gewinnt in seiner Zeit dort das Vertrauen in sich, das ihm helfen kann, sich durchzusetzen und vielleicht sogar, irgendwann einmal, wenn er selbst Kinder haben sollte, anders zu sein, als seine eigenen Eltern. Es ist eine Aussicht, die ihm Mut machen sollte. Und uns auch.
Fazit:
Es wird selten eine "richtige" Zeit dafür geben, dass Eltern auseinander gehen. Aber gibt es eine schlimmere Zeit für eine solche Trennung, als wenn die Kinder in der Pubertät sind? Ganz weit hinten zeigt uns, wie Duncan mit dieser Situation umzugehen versucht, wie er sich zurückzieht und verschließt, während der jüngere Sohn der Nachbarin genau ins andere Extrem verfällt. Und wir sehen, wie Erwachsene ihre neu gewonnene "Freiheit" ausleben, ohne darauf zu achten, welchen Eindruck sie bei ihren Kindern hinterlassen. In Owen findet Duncan eine Leitfigur, auch wenn er kein Vaterersatz, sondern mehr wie ein großer Bruder ist.
Hervorragend und charmant gespielt, von allen Beteiligten, insbesondere Sam Rockwell, Toni Collette, Liam James, Steve Carell und AnnaSophia Robb, lebt die Erzählung von Figuren, die einem vertraut vorkommen, auch wenn man sich daran kaum mehr erinnern kann. Ihre vielen Facetten kommen alle zur Geltung und statt einfacher Antworten gibt es Beobachtungen, aus denen ein jeder selbst seine Schlüsse ziehen soll. Ganz weit hinten ist aufmunternd einfühlsam erzählt, lebensnah und humorvoll. Und um so viel sehenswerter, als das übliche, laute Hollywood-Kino.