Game of Thrones: Staffel 4 [2014]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 1. April 2022
Genre: Fantasy / DramaOriginaltitel: Game of Thrones: Season 4
Laufzeit: 577 min. (10 Episoden)
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 18 Jahren
Regie: D. B. Weiss, Alex Graves, Michelle MacLaren, Alik Sakharov, Neil Marshall
Musik: Ramin Djawadi
Besetzung: Peter Dinklage, Nikolaj Coster-Waldau, Lena Headey, Emilia Clarke, Kit Harington, Charles Dance, Natalie Dormer, Jack Gleeson, Sophie Turner, Maisie Williams, John Bradley, Rose Leslie, Kristofer Hivju, Rory McCann, Gwendoline Christie, Isaac Hempstead Wright, Conleth Hill, Aidan Gillen, Jerome Flynn, Sibel Kekilli, Iain Glen, Liam Cunningham, Stephen Dillane, Carice van Houten, Alfie Allen, Iwan Rheon, Hannah Murray
Kurzinhalt:
Nachdem Tywin Lannister (Charles Dance) die Bedrohung durch das Haus Stark ausgelöscht hat, widmet sich das Familienoberhaupt der Planung des Fortbestandes seiner Blutlinie. Dafür soll seine Tochter Cersei (Lena Headey) mit den Tyrells verheiratet werden und Tyrion (Peter Dinklage) mit Sansa Stark (Sophie Turner) Kinder zeugen. Doch dann erschüttert ein Mord Königsmund und Tyrion findet sich auf der Anklagebank wieder. Während Jamie Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) Brienne von Tarth (Gwendoline Christie) entsendet, das Versprechen, das er Lady Stark gab, zu erfüllen, findet Arya (Maisie Williams) im brutalen Krieger Bluthund (Rory McCann) einen Beschützer und Lehrmeister. Jon Schnee (Kit Harington) erholt sich von den durch Ygritte (Rose Leslie) zugefügten Verletzungen in der Schwarzen Festung, doch bereitet Tormund (Kristofer Hivju) zusammen mit Manke Rayder (Ciarán Hinds) einen Angriff auf die Große Mauer vor, bei dem die Nachtwache zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen ist. Unterstützt von Davos (Liam Cunningham) und der Roten Priesterin (Carice van Houten) sieht Stannis Baratheon (Stephen Dillane) nach seiner Niederlage die Möglichkeit, den Eisernen Thron doch noch erobern zu können, während Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) nicht nur ihre Gefolgschaft stetig vergrößert, sondern versteht, dass sie um zu herrschen, nicht nur eine Eroberin sein kann. Ihre stets größer und gefährlicher werdenden Drachen erschweren ihr dies zusehends …
Kritik:
Nach den schockierenden Ereignissen der Roten Hochzeit in Staffel 3 [2013], erschien der Ausklang jenes Jahres beinahe zahm und auch zu Beginn von Game of Thrones: Staffel 4 sind die Verantwortlichen damit beschäftigt, die vielen Figuren und ihre Intrigen für die kommenden Episoden in Stellung zu bringen. Dabei vereint das vierte Jahr der Fantasy-Serie die größten Stärken der vorangegangenen ebenso, wie deren größte Schwächen, wobei die Entwicklung der Charaktere am Ende abgeschlossener scheint, als zuvor.
Dass nicht alle Figuren die letzten Momente der Season erleben, ist dabei keine große Überraschung, mitunter aber doch, auf welche Art und Weise sie die Erzählung verlassen. Wie zuvor in Game of Thrones, gibt es auch in dieser Staffel Momente, die von einer geradezu abstoßenden Grausamkeit zeugen, deren Darstellung in dieser Brutalität weder notwendig ist, noch irgendeinen Zweck zu verfolgen scheint, bis auf den Umstand, dass das Publikum dadurch unterhalten werden soll. Doch führt das insbesondere in Anbetracht der Erzählung der Geschichte zu einem Dilemma. Grundsätzlich fiebert der überwiegende Teil des Publikums nicht mit menschenverachtenden Bösewichtern mit, sondern mit den Heldinnen und Helden der Story. Dass sich Figuren von einem zum anderen wandeln können, steht dabei außer Frage. Aber wenn man wieder und wieder sieht, wie Charaktere gequält werden und leiden müssen, verlangt es das ureigene Bestreben nach Gerechtigkeit, dass die Verantwortlichen hierfür irgendwann zur Rechenschaft gezogen werden. Doch gibt es auch in der aktuellen Staffel Figuren, denen entweder weiterhin Leid angetan wird, oder solche, die anderen Leid und Schmerzen zufügen, ohne dass dieses Unrecht gesühnt zu werden scheint. Die fatalistische Ansicht, dass dies nur die (subjektive) Realität widerspiegle, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter, denn es handelt sich dabei nicht um eine Nacherzählung tatsächlicher Ereignisse, sondern um eine bewusste Entscheidung der Drehbuchautorinnen und -autoren, die ab einem gewissen Punkt nicht dazu führt, dass das Publikum mit den Geschundenen mitfühlt, sondern sich emotional von sämtlichen Charakteren distanziert.
Immerhin, und dies ist ungeachtet des hohen Gewaltgrads durchaus positiv zu werten, werden die Storybögen mancher Figuren zu Ende geführt, während andere deutlich weniger Platz einnehmen, als noch im vergangenen Jahr. Staffel 4 rückt auf der einen Seite die vielleicht interessanteste Figur der gesamten Serie ins Zentrum, den von Peter Dinklage preiswürdig verkörperten Tyrion Lannister, der in der Erzählung deutlich eingeschränkter ist, als zuvor. Die ambivalente Wandlung von Jaime Lannister wird nach seiner Rückkehr nach Königsmund konsequent weitergeführt, während ihre Schwester Cersei, von Lena Headey nicht weniger eindrucksvoll verkörpert, nun mehr zu tun bekommt, als zuletzt. Welch unschätzbare Bereicherung Charles Dance als Patriarch Tywin Lannister darstellt, wird regelmäßig deutlich, wobei auch Jon Schnee als Figur immer weiter aufgebaut wird und in der vorletzten Episode „Die Wächter auf der Mauer“ einen entscheidenden Moment zugeschrieben bekommt. Diese 55 Minuten sind das Highlight des vierten Jahres und spielen, wie der Name bereits verrät, einzig an der Großen Mauer. Der auf mehreren Seiten ausgeführte Angriff der Wildlinge aus dem Norden ist handwerklich überragend, mit ausladenden Kamerafahrten, einem Spektakel mit unzähligen Charakteren, das viele Kinoproduktionen mühelos übertrumpft, und oft unsichtbaren Trickeffekten, die schlicht überragend gemacht sind. Hier wird Game of Thrones den vielen Vorbereitungen und Andeutungen der Figuren, die von einer großen Schlacht an der Mauer sprechen, gerecht und weckt Erinnerungen an die Schlacht um die Hornburg aus Der Herr der Ringe – Die zwei Türme [2002], die in ihrem Aufbau jedoch noch etwas dramatischer ausfällt.
Dagegen unterstreicht das Staffelfinale, das hieran anknüpft und mit Daenerys Sturmtochter endet – der es weiterhin schwerfällt, ihre drei immer größer, mächtiger und gefährlicher werdende Drachen zu kontrollieren – dass sich die Geschichte an anderer Stelle weit weniger schnell bewegt zu haben scheint. Unbestritten, wird dafür Daenerys als Figur fortentwickelt, doch ihr ursprüngliches Ziel, den Eisernen Thron zurückzuerobern, gibt sie dafür ein Stück weit auf. Charaktere wie Sansa Stark, oder auch Ser Davos und sein König Stannis Baratheon tauchen im vierten Jahr gefühlt deutlich seltener auf. Der Fokus der Geschichte verschiebt sich auf andere Figuren, bringt Arya Stark und ihren unwahrscheinlichen Beschützer, den Bluthund, ebenso voran wie Bran Stark, der seiner Bestimmung näher kommt. So interessant all dies ist und so brillant Dialoge wie Tyrions Verteidigung in „Die Gesetze von Göttern und Menschen“, Mahnungen wie die auch in dieser Staffel wiederholte, „Der Winter naht“, verhallen in gewisser Weise, solange sich die Story selbst um andere Aspekte kümmert. Andeutungen, was das Publikum erwartet, geben Figuren wie Manke Rayder, die im Finale ihre wahre Motivation offenbaren. Man kann nur hoffen, dass die kommende Staffel nicht zu lange wartet, diesen Charakteren mehr Platz einzuräumen.
Mag man Game of Thrones: Staffel 4 noch vorhalten, dass es der Story weiterhin schwerfällt, die vielen verschiedenen Handlungsstränge gleichermaßen fortzuerzählen, gibt es hinsichtlich der Umsetzung dieser so detailreichen Fantasywelt keinerlei Zweifel. Mehr als zuvor bestechen die 10 Episoden durch eine handwerkliche Finesse und einen merklichen Aufwand, der seinesgleichen sucht. Die unterschiedlichen Völker aus Westeros und Essos, von jenseits der Mauer und anderen Ländereien, könnten passender nicht eingefangen sein. Kostüme, Bauten, die Trickeffekte bei den Drachen allein, Game of Thrones ist hinsichtlich des Produktionsdesigns ein geradezu erschlagendes Erlebnis, das nicht zuletzt durch die vielen Aufnahmen in schier unberührter Natur veredelt wird. Wie beim Duell zwischen dem Bluthund und Brienne von Tarth zu sehen, der Wüste, in der sich Daenerys Targaryen aufhält, oder der mediterran anmutenden Schwarzwasserbucht. Zusammen mit den unzähligen Andeutungen zu der Jahrtausende zurückreichenden Geschichte, ist die Mannigfaltigkeit jener Welt überwältigend. So sehr, dass man sich umso mehr Zeit wünschen würde, sie entdecken zu dürfen.
Fazit:
Gleichwohl in der Darstellung zumindest nicht in der Häufigkeit so grausam wie noch in der letzten Staffel, richtet sich Game of Thrones auch im vierten Jahr ausschließlich an ein erwachsenes Publikum. Die Entwicklung, die die Verantwortlichen viele Figuren durchlaufen lassen, ist nicht nur gelungen, sondern zum Teil auch mutig. Immerhin werden dadurch etablierte Charaktere in ihrer Ausrichtung grundlegend geändert. Dass dies funktioniert, liegt zum einen an den mitunter erstklassig geschriebenen Dialogen und der erlesenen Besetzung, die auch die Zwischentöne entsprechend zur Geltung bringt. Angeführt von Darbietungen, die durchweg preisverdächtig sind, ist die Umsetzung des Roman-Epos Das Lied von Eis und Feuer [seit 1996] von George R. R. Martin auch in Hinblick auf das ebenso weitläufige wie weit verzweigte Fantasyuniversum über jeden Zweifel erhaben. Durchweg routiniert umgesetzt, sind es Highlights wie die kräftezehrende Schlacht um die Große Mauer, die viele Kinoproduktionen in den Schatten stellen. Die schiere Anzahl der Figuren macht es in Anbetracht der knappen Laufzeit von nur 10 Stunden, die hier inhaltlich wohl wieder ein Jahr umfassen, schwer, alle Charaktere auf dem Schachbrett der großen Hintergrundgeschichte entsprechend voranzubringen. Anstatt immer mehr Figuren vorzustellen, konzentrieren sich die Verantwortlichen eher auf bekannte, was kein Kritikpunkt darstellt. Doch würde man sich weiterhin wünschen, die Balance zwischen den unterschiedlichen Erzählsträngen wäre ausgewogener. Im Grunde ist dieser Vorwurf Zeugnis dafür, wie gelungen und interessant die zentralen Charaktere sind und wie sehr ihr weiteres Schicksal interessiert. Doch umso mehr stören Entscheidungen, Figuren wie Asha Graufreud für nur einen Auftritt zurück zu bringen, der überdies nirgendwo hinführt. Es ist beinahe, als würde sich die Geschichte hier verzetteln, anstatt voran zu schreiten. Damit lassen die Verantwortlichen Potential ungenutzt.