Enterprise: "Die Schockwelle" [2002]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 03. Oktober 2003
Genre: Science Fiction / Action / Unterhaltung

Originaltitel: Enterprise: "Shockwave"
Laufzeit: 82 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Allan Kroeker
Musik: Dennis McCarthy
Darsteller: Scott Bakula, Jolene Blalock, John Billingsley, Linda Park, Anthony Montgomery, Dominic Keating, Connor Trinneer, John Fleck, Matt Winston, Vaughn Armstrong, Gary Graham


Kurzinhalt:
Als ein Shuttle der "Enterprise" eine Kolonie der Paraaganer anfliegt, entzünden sich infolge des Antriebs die Gas-Schichten der Atmosphäre – über drei Tausend Kolonisten sterben. Auf der Suche nach der Ursache kommt die Crew um Captain Archer (Scott Bakula) nicht voran, die "Enterprise" wird auf Drängen der Vulkanier zur Erde zurückbeordert und der Vorstoß der Menschheit in die Tiefen des Alls abgebrochen.
Doch als Archer Besuch von Daniels (Matt Winston) erhält, deutet sich eine Verbindung zu den Suliban an: Es scheint, dass Silik (John Fleck) auf Anweisung seiner Kontaktperson aus der Zukunft den Zwischenfall hervorgerufen hat, um die Mission der Enterprise zu sabotieren.
Mit den Informationen, die Daniels der "Enterprise"-Crew zur Verfügung stellt, infiltriert die Crew einen Außenposten der Suliban, um Beweise für die Schuld der zwielichtigen Figuren zu sammeln. Auf dem Rückflug wird die "Enterprise" von den Suliban eingeholt – und Archer von Daniels in die Zukunft gebracht.
Allerdings ist dies nicht die Zukunft, aus der Daniels stammt. Archers Weggang aus seiner Zeitlinie, hat die Zukunft verändert, und beide sind nun auf einer zerstörten Erde gestrandet – mit wenig Hoffnung, in ihre eigene Zeit zurückzukehren.


Kritik:
Mit Die Schockwelle verabschieden sich die Autoren Rick Berman und Brannon Braga nicht nur aus der ersten Staffel von Enterprise, sie leiten gleichzeitig mit dem zweiten Teil die nächste Staffel ein. Was ihnen dabei besonders in den ersten 45 Minuten gelingt, ist die erfrischende Mischung einer ausgeklügelten, intelligenten Story, die die Hintergrundgeschichte um den Temporalen Kalten Krieg voranbringt, mit herausragenden Action-Szenen und Spezial-Effekten, die die Messlatte sowohl für die Serie selbst, als auch für das Science-Ficition-Genre im Fernsehen allgemein höherlegen.
Aber während der erste Teil von Shockwave – so der Originaltitel – einen hervorragenden Auftakt liefert, wissen die Autoren im zweiten Teil diesen leider nicht vernünftig aufzulösen. Statt mit Köpfchen und Twists die Story abzuschließen, kommen dann nämlich die üblichen Techno-Spielereien zum Einsatz, die mit wenig Erklärungen und viel Hoffen auf den guten Willen der Fans hinsichtlich der 'trans-temporalen' Technologie setzen. Nur leider trifft das eben nicht wirklich zu.

Es ist bei Star Trek (und zahlreichen anderen Serien) seit jeher ein bekanntes Problem, dass Zweiteiler, die die Staffelübergänge markieren, meist nicht am Stück geschrieben werden – und schlimmer noch, die Autoren geben das sogar offen zu. So verfassten Rick Berman und Brannon Braga zwar den ersten Teil von Die Schockwelle und machten sich Gedanken, wie sie die Geschichte auflösen würden. Teil zwei wurde jedoch erst Monate später geschrieben und verständlicherweise auch gedreht. Welche Mängel sich aus dieser klaren Abtrennung der Skripts ergeben, ist offensichtlich und wird bei den Episoden allzu deutlich. Sicher weist jede Folge eine eigene Dramaturgie auf, betrachtet man aber den Zweiteiler als Film, macht die gesamte Dramaturgie einen unvollständigen, holprigen und besonders in den letzten 40 Minuten äußerst langatmigen Eindruck.
Dabei wartet das Skripts grundsätzlich mit einigen guten Ideen auf, sei es nun die Vertrautheit unter der Crew zu Beginn, wie sie versucht, den Unfall bei der Kolonie zu erklären, oder auch ihre Zusammenarbeit, um Beweise für ihre Unschuld zu sammeln. Die Dialoge mit Daniels sind, wenngleich nur kurz, immer wieder eine Freude, und die Begegnung mit Archers Erzfeind, Silik, verspricht ebenfalls ein paar tolle Momente. Ohnehin legt das Drehbuch zu Beginn ein atemberaubendes Tempo vor und entfaltet in Windeseile eine komplexe und hintersinnige Story, die die Bedeutung der "Enterprise" im Temporalen Kalten Krieg – der großen Story-Arc der Serie – in den Mittelpunkt stellt.
Zudem bekommen sämtliche Figuren, angefangen bei Jonathan Archer, über Hoshi und Travis, bis hin zu Malcolm, 'Trip' und T'Pol spezielle Szenen zugeschrieben, die alle Darsteller zum Zuge kommen lassen. Dass die Crew hierbei die Befehle der Sternenflotte missachtet und stattdessen ohne Protest auf ihren Captain hört, ist ein geschickter und notwendiger Einfall der Autoren, um zu verdeutlichen, wie sehr die Crew seit dem Pilotfilm Aufbruch ins Unbekannte [2001] zusammengewachsen ist. Fans wird es zudem freuen, dass nach beinahe einer halben Staffel endlich das Quartier des zeitreisenden Daniels geöffnet wird, obwohl es leider nur kurz zu sehen ist.
Leider haben die Autoren nach diesem starken Anfang Mühe, den verzwickten Cliffhanger in der Mitte vernünftig zu Ende zu bringen. Statt einmal Mut zu beweisen und die Story nicht nach den 85 Minuten abzuschließen und alle Konsequenzen auf Null zu setzen, hätten sie Archer noch nicht wieder an Bord zurückkehren lassen können – doch wie bei Braga und Berman üblich, befindet man sich nach Shockwave wieder genau da, wo man angefangen hat. Die Art und Weise, wie die Autoren dies erreichen, wirkt mit den Ausflüchten ins Technologie-Nirvana extrem billig und wird der vielversprechenden Ausgangslage nicht gerecht. Darüber täuschen selbst intelligente Dialoge im zweiten Teil und der wirklich gelungene Einfall mit dem Ausbleiben des "Future Guy" aufgrund der Störung der Zeitlinie nicht hinweg.

Die Darsteller geben sich einmal mehr in beiden Episoden Mühe, ihre Charaktere glaubhaft zu verkörpern.
Von Scott Bakula routiniert angeführt – der hier gerade in den ersten 20 Minuten einige sehr gute Momente hat –, bekommt vor allem Jolene Blalock in der zweiten Episode Einiges zu tun.
Linda Park und Anthony Montgomery müssen sich dagegen weiterhin mit Statistenrollen zufrieden geben; trotzdem dürfen sie in einigen wenigen Szenen in Aktion treten.
Dass ausgerechnet John Billingsley in den Zweiteilern und den Story-Arc-Episoden um den Temporalen Kalten Krieg grundsätzlich im Hintergrund steht, ist unverständlich. Der ansich hoch talentierte Mime hätte in Die Schockwelle eine größere Rolle verdient.
Im Gegensatz dazu haben Dominic Keating und Connor Trinneer jeweils ein paar fordernde Szenen, die die Darsteller durchaus auskosten.
Dass man mit dem ebenso charismatischen Matt Winston eine gute Wahl getroffen hat, stellen die Macher besonders im zweiten Teil unter Beweis. Umso bedauerlicher ist deshalb, dass er in der ersten Staffel (und auch in den kommenden) nicht mehr häufig zum Einsatz kommen wird. Er macht seine Sache erstklassig, ebenso wie Vaughn Armstrong in einem kleinen Part.
John Fleck gelingt das bemerkenswerte Kunststück, sogar unter seiner herausragenden Suliban-Maske seine Mimik spielen zu lassen und die Zuschauer damit in seinen Bann zu ziehen.
Wie bei Enterprise üblich, ist die Besetzung tadellos ausgewählt und meistert ihre Rollen überzeugend und ohne Schwächen.

Inszenatorisch überrascht Allan Kroeker mit einer Mischung aus statischen Einstellungen und dezent bewegten Kamerafahrten, die dabei stets den notwendigen Fokus liefern. Innovative Perspektiven, der geschickte Einsatz von Licht und Schatten und im gleichen Maße fotografierte Spezial-Effekte, die nie aufdringlich wirken, und deren Inszenierung mit den normalen Szenen übergangslos harmoniert, zeichnen die handwerklichen Qualitäten der Episode aus.
Kroeker ist im Fernsehen kein Unbekannter und seit Mitte der 1980er Jahre bei zahlreichen Serien beschäftigt. Gelernt hat er sein Handwerk als Kameramann, eine Erfahrung, von der er gerade in den Action-Momenten profitiert und selbige ebenso souverän montiert.
Wie nahe Enterprise an Kino-Niveau herangekommen ist – wozu nicht zuletzt das 16:9-Format beiträgt –, merkt man gerade beim ausgeklügelten Finale des ersten Teils, und in der zweiten Episode, die herausragend gefilmt und geschnitten sind. Damit überflügelt die Serie nicht nur alle anderen TV-Mitbewerber, sondern stellt selbst so manche Hollywood-Kino-Produktion in den Schatten.

Es verwundert nicht, dass Enterprise immer wieder Auszeichnungen für Spezial-Effekte und Masken erhalten hat. Die Schockwelle stellt in dieser Hinsicht keine Überraschung dar. Der übergangslose und massenhafte Einsatz ausgezeichneter digitaler Effekte, komplexem und aufwändigem Make-Up und die Tatsache, dass all dies ständig mit realen Aufnahmen verknüpft und in solche eingebaut wird, zeichnet den Zweiteiler aus.
Auch die Sets überzeugen restlos, sind gerade in Teil zwei ausgefallen designt und unterschiedlich gestaltet. So macht Shockwave einen deutlich teureren Eindruck und man sieht dem Zweiteiler die immens hohen Produktionskosten in jedem Bild an.

Musikalisch bietet Star Trek-Hauskomponist Dennis McCarthy zu Beginn eine bedrückende Stimmung auf, die sich bei dem Versuch der Crew, die Suliban-Daten zu stehlen, aber schnell in ein kraftvolles, orchestrales Thema wandelt, ehe es zum Finale der ersten Folge in einer düsteren, voluminösen Suite kulminiert. Obwohl sich viele Scores des Komponisten ähneln, greift er für Shockwave tief in die Trickkiste und fördert eine Vielzahl an interessanten, unterschiedlichen Themen zutage, die die jeweiligen Szenen gekonnt unterstreichen, ohne je negativ aufzufallen, oder aufdringlich zu werden.
Was jedoch gerade bei der ersten Episode deutlich wird, ist die Voraussicht, die die Macher mit den Titelsong "Faith of the Heart" von Russell Watson bewiesen. So sehr viele Fans das gesungene Titel-Stück auch verabscheut haben mögen, als die Serie startete – hört man sich allein die (übersetzte) Textzeile "Es hat lange gedauert, um von dort nach hier zu kommen" vor dem Hintergrund von Shockwave an, bemerkt man, wie zerbrechlich die erste Mission der Menschheit immer noch ist, und es zeigt sich, dass der Song schon damals hervorragend ausgewählt wurde.

Wie die Autoren die Charaktere zum Zug kommen lassen, wie sie die Entstehung der Föderation und Archers Beteiligung daran immer wieder andeuten und den Temporalen Kalten Krieg mit einbinden, ist wirklich erstaunlich – schade nur, dass die letzten 40 Minuten den ersten inhaltlich nicht gerecht werden. Hier wird eine intelligente Handlungslinie zu schnell aufgelöst samt bekannter und klischeehafter Wendungen.
Dass in den USA im Laufe der Serie immer weniger Zuschauer eingeschaltet haben, bleibt hingegen unverständlich. Immerhin hat Enterprise deutlich an Qualität und Niveau gewonnen, die anfänglichen Probleme der altbackenen Stories schnell überwunden und kann mit einer handwerklichen Raffinesse und Professionalität überzeugen, die vergleichbare Serien alt aussehen lässt. Fans werden Die Schockwelle hoffentlich als das zu schätzen wissen, was er ist: Ein erstklassiger Zweiteiler, der zwar im Rückblick an einer enttäuschenden, wenngleich aufwändigen Auflösung leidet, dessen überragende erste Hälfte dafür aber ohne Weiteres entschädigt.


Fazit:
Auch wenn sich die Autoren in der ersten Staffel von Enterprise viel Zeit gelassen haben, die Story-Arc um den Temporalen Kalten Krieg weiterzuentwickeln, holen Rick Berman und Brannon Braga mit Shockwave Vieles von dem Versäumten nach.
Mit einer komplexen und mitreißenden Geschichte, die neben gelungenen Charakter-Momenten erstklassige Action-Szenen zu bieten hat, rufen die Autoren bekannte Figuren auf den Plan, um die Mission der "Enterprise" in ein neues Licht zu rücken.
Zwar lässt der zweite Teil des Staffel-Übergangs an Überraschungen und Ideen zu wünschen übrig, handwerklich überzeugt Allan Kroekers Regie aber nach wie vor, und dank herausragender Spezial-Effekte en masse und einem temporeichen Score von Dennis McCarthy, vor allem aber einer sorgfältig ausgewählten und motivierten Besetzung angeführt von Scott Bakula sorgt Die Schockwelle für ein gelungenes Star Trek-Erlebnis, das aufgeschlossene Fans und Gelegenheitszuschauer sehr gut unterhalten sollte.