Die keinen Frieden haben [2007]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. Januar 2012
Genre: Krimi

Originaltitel: The Inspector Lynley Mysteries: Limbo
Laufzeit: 90 min.
Produktionsland: Großbritannien
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: -

Regie: Robert Bierman
Musik: Andy Price
Darsteller: Nathaniel Parker, Sharon Small, Geraldine Somerville, Justin Pierre, Samantha Bond, Nicholas Farrell, Georgina Rylance, Jacob Avery, Nicholas Brown, John Shrapnel, Ed Stoppard, Paul Hickey, Sam Cox, Denise Gough, Alex Argenti


Kurzinhalt:
An seinem fünften Geburtstag verschwindet Justin Oborne (Jacob Avery) und wird nie gefunden. Zwölf Jahre später wird seine Leiche geborgen und für die Familie und den damals ermittelnden Polizisten McCaffrey (John Shrapnel) beginnt das Martyrium von neuem. Inspector Thomas Lynley (Nathaniel Parker), der nach seinem Trauerunfall immer noch nicht wieder im Dienst ist, wird als Freund der Familie über den Fund benachrichtigt. Er bietet an Eltern Vivienne (Samantha Bond) und Sam Oborne (Nicholas Farrell) an, ihre Tochter Julia (Georgina Rylance) für die Bestattung nach London zu holen, da sie sich bislang weigert, von Rom aus nach Hause zu fliegen.
Doch kaum ist Lynley mit Julia zurück, gibt es eine weitere Leiche und für DS Tate (Geraldine Somerville) ist Lynley der Hauptverdächtige. McCaffreys Sohn Conrad (Ed Stoppard), selbst Anwalt, bietet Lynley an, ihn zu verteidigen, doch wie es scheint, ist dessen Partnerin Barbara Havers (Sharon Small) die Einzige, die Lynleys Unschuldsbeteuerungen glaubt ...


Kritik:
Zwischen Denn Liebe ist stark wie der Tod [2006] und Die keinen Frieden haben verging zwar nicht mehr Zeit als gewöhnlich – das sechste Jahr ist also kein Nachzügler in dem Sinne –, doch besteht die letzte Staffel der Inspector Lynley Mysteries nicht aus vier, sondern lediglich aus zwei Fällen. Die Ereignisse setzen sechs Monate nach Lynleys tragischem Verlust ein und zeigen ihn dabei, wie er seine Trauer in Alkohol ertränkt. Erst ein zwölf Jahre alter Fall reißt ihn aus seiner Abgeschiedenheit, die nicht einmal Havers bislang durchbrechen konnte. Der Fall selbst wäre durchaus interessant, doch wird er so unstrukturiert erzählt, um eine mögliche Spannung aufrecht zu erhalten, dass Autor Ed Whitmore wohl übersieht, wie daraus ein tatsächlich spannender Krimi hätte werden können.
Man stelle sich vor: Inspector Lynley, zurückgeholt durch einen mehr als zehn Jahre zurückliegenden Mord eines verschwundenen Jungen, mit dessen Familie er befreundet ist, steht nach wenigen Tagen selbst unter Mordverdacht. Freigelassen, weil sich die Beweise gegen ihn nicht erhärten, findet man Blutspuren von ihm auf einer zweiten Frauenleiche. Und die Einzige, die ihm glaubt und für die Beweise seiner Unschuld kämpft, ist seine Partnerin Barbara Havers.

Doch stattdessen streckt das Drehbuch die einzelnen Elemente sehr weit auseinander, stellt uns einen trauernden Lynley vor, der sich in eben jenen Klischees ertränkt, die unzählige Figuren vor ihm durchlebt haben, und der (wie nicht anders zu erwarten) auch die Hilfe von seiner langjährigen Partnerin Havers ausschlägt. Wir bekommen die Familie Oborne vorgestellt, mit der Lynley befreundet ist, und deren fünfjähriger Sohn vor 12 Jahren am Abend seines Geburtstags verschwand. Nun wird seine Leiche entdeckt und der Fall von Sergeant McCaffrey neu aufgerollt. Noch vor der Beerdigung gibt es einen weiteren Todesfall zu beklagen, der entweder ein gut getarnter Mord sein könnte, oder ein tragischer Selbstmord. Für die ermittelnde Polizistin Tate steht der Täter aber fest: Lynley. Die Entwicklungen, die das Drehbuch hier einschlägt, scheinen nicht nur arg erzwungen, sondern umschiffen auch gekonnt jede Möglichkeit, Havers und Lynley enger zusammenarbeiten zu lassen. Stattdessen ermittelt Lynley auf eigene Faust und verstrickt sich dabei doch nur noch mehr. Je mehr die Hintergründe um die Obornes aufgedeckt werden, umso weniger interessieren sie tatsächlich, zumal bis zum Ende nicht ganz klar wird, wer nun welches Kind tatsächlich gezeugt hat.
Es ist bedauerlich, dass Die keinen Frieden haben trotz des Aufwands mit Außendrehs in Rom und neuen Aufnahmen in London, so schnell in bekannte Muster verfällt, anstatt mit etwas Mut die Perspektive des Krimis zu verändern. Wer der tatsächliche Täter ist, interessiert dabei nach einer gewissen Zeit nicht mehr, weil wir befürchten, dass uns die Auflösung doch nur enttäuscht. Und das tut sie nicht nur mit abwegigen Entscheidungen der Figuren, sondern auch weiteren Klischees, die weniger überraschen, als das Drehbuch uns glauben machen möchte.

All das hat zur Folge, dass sich der Fall merklich in die Länge zieht und immer, wenn man erwarten würde, dass die Auflösung gleich präsentiert wird, noch ein Zwischenstopp bis zum Ziel eingelegt wird. Insbesondere nachdem Lynley seinen alten Bekannten Sam Oborne zur Rede gestellt hat, wird diese Hinhaltetaktik deutlich. So kommt einem der vorletzte Fall um den britischen Inspector deutlich länger vor, als er tatsächlich ist, und das ist kein Kompliment. Bedauerlich ist daran, dass wäre der Fall anders erzählt, das Drama für ihn nicht nur spürbarer geworden wäre, sondern er als Charakter sich auch anders hätte beweisen müssen. In Die keinen Frieden haben gibt er sich nach kurzer Zeit ebenso stur und uneinsichtig wie in den früheren Fällen. Was man sich als Zuschauer der ersten Stunde hierbei nur fragt ist, wieso die Menschen um ihn herum, allen voran Barbara Havers, überhaupt noch zu ihm halten. Vielleicht erfahren wir das ja im kommenden letzten Fall.


Fazit:
"Thomas Lynley, 8. Earl von Asherton – einst gefeierter Polizeiinspektor steht unter Mordverdacht." Es wäre eine Schlagzeile für die Klatschpresse, und eine Steilvorlage für einen frischen Ansatz bei den Inspector Lynley Mysteries. Doch statt den Titel gebenden Helden tatsächlich zum Opfer werden und ihn passiv das Ende der Ermittlungen abwarten zu lassen, wird er auch in Die keinen Frieden haben zum einzig vernünftigen Polizisten stilisiert, der beinahe im Alleingang den Fall löst.
Das ist allerdings zum großen Teil ebenso hanebüchen, wie viele Figuren klischeebeladen angelegt. Zu viel des Krimis dreht sich um ein Familiendrama, dessen Personen nicht wirklich interessieren und deren Verhaltensweisen allenfalls entfremden. So versumpfen gar nicht uninteressante Zutaten in einem Drehbuch, das daraus einen absehbaren konventionellen Krimi gestaltet, der Fans zufriedenstellt, aber nicht begeistert.