Avatar: The Way of Water [2022]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. Dezember 2022
Genre: Science Fiction / Fantasy / Action

Originaltitel: Avatar: The Way of Water
Laufzeit: 192 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: James Cameron
Musik: Simon Franglen
Besetzung: Sam Worthington, Zoe Saldaña, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Cliff Curtis, Kate Winslet, Jamie Flatters, Britain Dalton, Chloe Coleman, Trinity Jo-Li Bliss, Bailey Bass, Filip Geljo, Duane Evans Jr., Edie Falco, CCH Pounder, Brendan Cowell, Jemaine Clement, CJ Jones, Jack Champion, Joel David Moore, Dileep Rao, Giovanni Ribisi, Matt Gerald, Alicia Vela-Bailey


Kurzinhalt:

Unter großen Verlusten hatte das Volk der Na’vi auf dem Planeten Pandora die Menschen zum Rückzug gezwungen. Mehr als zehn Jahre sind vergangen, in denen der ebenfalls zum Na’vi gewordene Jake Sully (Sam Worthington) zusammen mit Neytiri (Zoe Saldaña) eine Familie gegründet hat und ihr Stamm der Omaticaya in Frieden lebte. Doch die Menschen kehren noch zahlreicher zurück, wobei die Na’vi unter Jakes Führung die Invasoren mit gezielten Schlägen zurückdrängen.
Unter der Leitung von General Frances Ardmore (Edie Falco) soll eine neue Form von Soldaten den Kampf zu Gunsten der Menschen beeinflussen. Hierfür wurden erfahrene Marines ausgewählt, deren DNA mit Na’vi-Avataren geklont wurde. Diese sogenannten Rekombinanten tragen die Erinnerungen ihrer menschlichen Vorgänger in sich und sollen sich in der gefahrvollen Umgebung Pandoras besser zurechtfinden. Ihr Anführer stammt von Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang) ab, den Jake einst besiegte. Ziel der Rekombinanten ist es, Jake als Kopf des Widerstandes auszuschalten.
Deshalb suchen Jake, Neytiri, sowie ihre Söhne Neteyam (Jamie Flatters) und Lo’ak (Britain Dalton) nebst Tochter Tuk (Trinity Jo-Li Bliss) und Kiri (Sigourney Weaver) beim Küstenvolk des Clans der Metkayina unter Tonowari (Cliff Curtis) und Ronal (Kate Winslet) Unterschlupf.
Doch die Menschen schrecken vor keinem Verbrechen zurück, sich Pandora untertan zu machen …


Kritik:
Mit Avatar – Aufbruch nach Pandora [2009] setzte Filmemacher James Cameron in technischer Hinsicht Maßstäbe, die Kreative in Hollywood seither nur angestrebt, aber wenn überhaupt, dann selten erreicht haben. Mit Avatar: The Way of Water verschiebt er diesen Maßstab einmal mehr und lädt das Publikum ein, in die fremde Welt von Pandora buchstäblich einzutauchen. Das Ergebnis wirkt inhaltlich mehr wie eine Nacherzählung des ersten Films, deren Präsentation einem allerdings ein ums andere Mal wieder und wieder den Atem raubt.

Mehr als ein Jahrzehnt nach den Ereignissen des ersten Films ist Jake Sullys und Neytiris Familie gewachsen: Zwei eigene Söhne, Lo’ak und Neteyam, Tochter Tuk sowie eine Ziehtochter, deren Existenz sich niemand wirklich erklären kann. Kiri ist die Tochter von Dr. Grace Augustine und wird von Jake und Neytiri großgezogen. Das Leben der Na’vi befindet sich nach Vertreibung der Himmelsmenschen von Pandora im Gleichgewicht, bis die Fremden zurückkehren. Ein Jahr später leitet Jake Attacken gegen die Invasoren und gerät dabei selbst ins Visier der Kolonialisten, denen es nicht mehr nur um Bodenschätze geht. Als ein mit den Erinnerungen von Colonel Quaritch ausgestatteter Na’vi-Klon zusammen mit anderen Rekombinanten auf Pandora eintrifft, entschließen sich Jake und Neytiri schweren Herzens, ihr Baumvolk der Omaticaya zu verlassen und suchen Unterschlupf beim Küstenvolk der Metkayina. Aber während Lo’ak, Neteyam, Tuk und Kiri die Wunder jenes fernen Gebietes von Pandora kennenlernen, liegt mit der skrupellosen Jagd der Menschen ein düsterer Schatten über den Völkern Pandoras.

Das klingt inhaltlich stark nach dem, womit Filmemacher James Cameron das Publikum in Avatar begeisterte und wie zuvor ist die schiere Größe der Flora und Fauna jener fremden Welt geradezu erschlagend. Zusammen mit dem spirituellen Aspekt der „Großen Mutter“ Eywa, die alles Leben auf Pandora im Gleichgewicht hält, stellt Avatar: The Way of Water der optischen Komplexität einen moralischen Anker gegenüber, mit dem sich der Film klar zu den Themen Ausbeutung der Natur, der Unterdrückung einheimischer Völker und sogar Flucht und Asyl positioniert. Bedenkt man, dass Camerons Terminator 2 – Tag der Abrechnung [1991] im Grunde ebenfalls nur eine Variation von Terminator [1984] ist, mag man dem erfolgreichsten Filmschaffenden unserer Zeit sogar vorwerfen, dass er seine eigenen Ideen wiederverwendet, anstatt wirklich neue zu präsentieren. Doch ändert das nichts daran, dass alles, was Cameron bisher geschaffen hat, von Abyss – Abgrund des Todes [1989] über Titanic [1997] und sogar Avatar selbst, ihn hierher geführt hat. Selbst seine jahrelangen Expeditionen in der Tiefsee und seine Erforschung verschiedenster Filmtechniken.

Konnte man nach Avatar nur staunend feststellen, dass man selbst dem Fliegen wohl nie so nahekommen wird, wie es dort in unvergleichlichem 3D auf der großen Leinwand gezeigt wurde, gelingt The Way of Water dasselbe für das Tauchen. Kommt Jakes Familie bei den Metkayina an und entdeckt dort die reichhaltige Unterwasserwelt, fühlt man sich wie Kiri, die die unterschiedlichsten Tier- und Pflanzenarten in diesem zusammenhängenden Ökosystem mit leuchtenden Augen und unbändigem Staunen erlebt. So fantastisch und unnachahmlich der inzwischen 13 Jahre alte Vorgänger immer noch aussieht und so viel detailreicher, plastischer und beeindruckender sich die Na’vi bereits im ersten Drittel durch den reichhaltigen Wald bewegen, so unbeschreiblich ist, was James Cameron zeigt, wenn er mit der Kamera unter die Wasseroberfläche wechselt. Keine Beschreibung wird dem gerecht, was folgt. Umso weniger dann, wenn man bedenkt, dass nichts hiervon real ist. Pandora gibt es immerhin nicht und so sehr die verschiedenen fischähnlichen Wesen an diejenigen unserer Welt erinnern mögen, sie existieren nicht. Sie alle sind, ebenso wie die Verbindung der Metkayina mit den Wesen des Wassers, dem Einfallsreichtum eines Filmschaffenden entsprungen, der hier all diejenigen Lügen straft, die behaupten, es gäbe im Kino keine Wunder mehr zu bestaunen. Oder dass die Zeiten der großen Leinwände im Zeitalter des Streaming an Bedeutung verlieren würden. Die Optik ist eine solche Wucht, dass man sich kaum von den Eindrücken losreißen kann.

Nachdem Cameron mit dem ersten Film das 3D-Format im Kino wieder salonfähig machte – was kaum eine andere Produktion so zu nutzen wusste, wie seine – präsentiert er Avatar: The Way of Water nicht nur in 3D, sondern in entsprechenden Kinos auch in HFR, was eine höhere Bildwiederholrate verheißt. Wer nun in Anbetracht früherer Umsetzungen der Technik (z. B. Der Hobbit [2012-2014]) Schlimmes befürchtet, kann aufatmen. The Way of Water hat hinsichtlich der unnatürlichen Bewegungen nichts, oder besser, kaum etwas mit den ersten großen Umsetzungen der Technologie gemein. Im Gegenteil, die Aufnahmen unter Wasser erscheinen gerade durch die höhere Bildwiederholrate natürlicher, lebensechter und so faszinierend. Allerdings ist der Film nicht vollständig in HFR präsentiert. Stattdessen werden nur ausgewählte Szenen und Momente mit mehr Bildern pro Sekunde gezeigt, ehe die Präsentation wieder auf die gewohnten 24 Bilder pro Sekunde zurückfällt. Genau das macht die Präsentation jedoch wieder gewöhnungsbedürftig, denn der ständige Wechsel ist eher geeignet, das Publikum aus der Erzählung zu reißen. Erschwert wurde dies in einem der modernsten Kinosäle in Süddeutschland, in dem grundsätzlich sogar 3D-Filme mit 120 Bildern pro Sekunde gezeigt werden können, dadurch, dass beim Wechsel von HFR zu 24 Bildern pro Sekunde einige Sekunden ein Ruckeln in den Bewegungen zu sehen war. Dies mag nun entweder am menschlichen Gehirn liegen, das mit diesen Wechseln in der Geschwindigkeit nicht mühelos zurechtkommt und dem Zwischenbilder fehlen. Oder aber die Ursache liegt an der Projektionstechnik, die den Wechsel nicht schnell genug vollziehen kann. In jedem Fall wäre es, vor allem in Anbetracht des Mehrwerts der Aufnahmen unter Wasser, wünschenswert gewesen, den Film einfach vollständig in HFR zu zeigen.

Dass man solche Details an Avatar: The Way of Water kritisiert, liegt schlicht daran, dass Regisseur Cameron diese Welt auf einem solch hohen Niveau zum Leben erweckt, dass selbst kleine Unebenheiten umso stärker auffallen.
Offensichtlicher sind dahingegen die inhaltlichen Ungereimtheiten. Angefangen davon, dass die vormals „Unobtanium“ genannte Ressource hier keine Rolle mehr spielt, sondern durch ein anderes MacGuffin ersetzt wird. Oder dass Figuren wie Edie Falcos General Frances Ardmore zwar vorgestellt werden, letztlich aber nichts zu tun bekommt, weil Quaritchs Vendetta mit Jake Sully die kurz vorgestellten Kolonialisierungspläne der Menschen überlagert. Dass die Motivation des auf Pandora geborenen „Spider“ keinen wirklichen Sinn ergibt, ist ebenfalls kaum zu übersehen. Vielmehr handelt er so, um den Verlauf der Geschichte in eine bestimmte Richtung zu lenken, bis hin zu mehreren Fortsetzungen. The Way of Water kündigt eine größere Story an, stellt Elemente in Aussicht, die nicht weiterverfolgt werden, und präsentiert trotz des Endes keinen wirklichen Abschluss für die Geschichte. Vielmehr scheinen die Figuren am Ende (erneut) erst wirklich angekommen zu sein.

Ihre Geschichte soll immerhin fortgesetzt werden, wobei man nur hoffen kann, dass der Filmemacher die Möglichkeit hierzu bekommt. Zu unvergleichlich ist auch dieser Besuch auf Pandora, der die bereits bekannte, fremde Welt erweitert und vertieft. Würde James Cameron (fiktive) Dokumentationen der Tier- und Pflanzenwelt dieses filmischen Universums präsentieren, sie würden den Kauf der Kinokarte bereits rechtfertigen. Hierhin für ein weiteres Kapitel um Jakes Reise zurückzukehren, wäre mehr als nur ein filmisches Abenteuer; sieht man die unvorstellbare Detailtreue, wäre es auch für das Publikum beinahe ein Privileg.
Ob dem zweiten Film ein ähnlicher kommerzieller Erfolg beschieden sein wird, wie seinem Vorgänger, wird die Zukunft zeigen. Auch dieses Mal werden laute Stimmen bemängeln, dass die Geschichte selbst bekannte Pfade beschreitet und eine einfache Gut-gegen-Böse-Konfrontation ohne Zwischentöne beschreibt. Aber wer mag einen Filmemacher auf der Höhe seiner Schaffenskraft wirklich dafür kritisieren, eine Erzählsprache zu wählen, die Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kultur emotional anspricht. Umso mehr, wenn er dabei gleichzeitig ein unvergleichliches cineastisches Erlebnis auf die Leinwand zaubert.


Fazit:
Auch wenn die Filmvorschau bereits andeutet, dass nicht unbedingt Jake und Neytiri im Mittelpunkt der Erzählung stehen, sondern ihre Kinder einen großen Platz einnehmen, scheint die Fackelübergabe am Ende, wenn die Eltern lernen müssen, ihren Kindern zuzuhören und ihnen zu vertrauen, von beiden Seiten verdient. Die Familie rückt trotz ihrer unterschiedlichen Auffassungen zusammen und erkundet gemeinsam mit dem Publikum eine Welt, die kaum zu beschreiben ist. Das Aussehen insgesamt ist überragend, Haut und Haare der Figuren so lebensecht, als könnten sie unmittelbar vor einem stehen und das gesamte Design, bis hin zu Details wie den evolutionären Anpassungen des Küstenvolkes, sind schlicht atemberaubend. Beeindruckt der Angriff bei Regen in der Nacht auf die Kidnapper von Sullys Kindern mit nie dagewesenen Bildern, taucht Filmemacher James Cameron mit dem Publikum wortwörtlich in eine unvorstellbare Welt ab. Erlebt man schließlich die Unterwasserwelt bei Nacht, ist die Optik mit einem Wort überwältigend, so stimmig, detailliert, lebendig und farbenfroh.
Das mag im Mittelteil zu lange sein – wobei man sich in Anbetracht des Bilderreigens kaum beschweren kann – und man mag sich zu lange fragen, wohin die Story geht, deren Verlauf an das bereits Erzählte erinnert. Doch wenn bei einer einem Walfang gleichen Sequenz das Publikum emotional derart gepackt wird, wie in Avatar, wenn der Heimatbaum fällt, dann ist all das vergessen. Avatar: The Way of Water ist eine technische Meisterleistung, zu der es nichts Vergleichbares gibt. Doch entlädt sich von Zoe Saldaña furchtlos verkörpert Neytiris unbändige Wut, ertappt man sich dabei, wie sehr man selbst in diese Figuren investiert ist.
Das macht großes Kino, Geschichtenerzählen für und mit dem Publikum aus. Kaum jemandem gelingt dies so konsequent wie James Cameron und man mag sich gar nicht vorstellen, wohin seine Reise mit den Figuren als nächstes führt, nun, da er den Grundstein für eine noch größere Welt von Pandora gelegt hat.