Alles steht Kopf [2015]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 10. Oktober 2015
Genre: Animation / Komödie / FantasyOriginaltitel: Inside Out
Laufzeit: 94 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Pete Docter
Musik: Michael Giacchino
Stimmen: Amy Poehler (Nana Spier), Phyllis Smith (Philine Peters-Arnolds), Bill Hader (Olaf Schubert), Lewis Black (Hans-Joachim Heist), Mindy Kaling (Tanya Kahana), Kaitlyn Dias (Vivien Gilbert), Diane Lane (Bettina Zimmermann), Kyle MacLachlan (Kai Wiesinger), Richard Kind (Michael Pan), Paula Poundstone (Almut Zydra), Bobby Moynihan (Hans Hohlbein)
Kurzinhalt:
Fünf Emotionen prägen das Leben der elfjährigen Riley (Kaitlyn Dias / Vivien Gilbert): Freude (Amy Poehler / Nana Spier), die gerade in den ersten Jahren den Ton in Rileys Emotionskommandozentrale angegeben hat, Kummer (Phyllis Smith / Philine Peters-Arnolds), Angst (Bill Hader / Olaf Schubert), Wut (Lewis Black / Hans-Joachim Heist) und Ekel (Mindy Kaling / Tanya Kahana). Als Rileys Mutter (Diane Lane / Bettina Zimmermann) und ihr Vater (Kyle MacLachlan / Kai Wiesinger) beschließen, nach San Francisco zu ziehen, wird Riley aus ihrem Umfeld und ihrem Freundeskreis gerissen. Während Riley in ihrer neuen Umgebung tief unglücklich ist, stranden Freude und Kummer in Rileys Erinnerungsarchiv – nur wenn sie nicht in die Kommandozentrale zurückkehren, haben notgedrungen Angst, Wut und Ekel die Kontrolle, mit dementsprechenden Folgen ...
Kritik:
Wer nach den letzten Pixar-Filmen Cars 2 [2011], Die Monster Uni [2013] und sogar Merida – Legende der Highlands [2012] das Gefühl bekam, dass den Erschaffern das Gespür für ihre früher so besondere Art der Geschichtenerzählung ihrer Klassiker wie Oben [2009], WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf [2008], Ratatouille [2007] und Findet Nemo [2003] abhanden gekommen war, der wird mit Alles steht Kopf eindrucksvoll eines besseren belehrt. Sieht man sich die bisherigen, so oft wegweisenden Pixar-Werke an, dann muss man die folgenden Worte mit Bedacht wählen: Alles steht Kopf ist ihr (bislang) bester Film.
Wie schon in ihrem allerersten abendfüllenden Spielfilm, Toy Story [1995], erzählen sie eine Geschichte, deren Ideen so natürlich und selbstverständlich sind, dass man sich fragen muss, weshalb noch nie zuvor jemand darauf gekommen ist. Und sie tun es in einer Art und Weise, dass die ganz jungen Zuschauer ein buntes, fantasievolles Abenteuer voller Freude, Witz und trauriger Momente erleben können, die Erwachsenen gleichzeitig noch einen anderen Film sehen. Alles steht Kopf spielt im Oberstübchen und spricht doch in so vielen Momenten aus dem Herzen, dass ein jeder sich darin wiederentdecken kann. Die grandios komischen Szenen zu Beginn des Abspanns sind hier nur das Tüpfelchen auf dem i.
Filmemacher Pete Docter erzählt von dem Mädchen Riley, das in Minnesota aufwächst, ehe sie im Alter von 11 Jahren mit ihren Eltern nach San Francisco umzieht. Aber nicht nur, dass wir das Geschehen aus Rileys Sicht erleben, wir sehen es aus ihrem Kopf heraus, in dem die fünf Gefühle Freude, Kummer, Angst, Wut und Ekel bestimmen, wie sie alles um sich herum auffasst und was ihre Persönlichkeit ausmacht.
Was Pixar hier gelingt, lässt sich kaum in Worte fassen und man wird Alles steht Kopf mehrmals ansehen müssen, um wenigstens die meisten Details und Ideen aufnehmen zu können.
Je nachdem, welches Gefühl am Schaltpult von Rileys Kommandozentrale sitzt, ist ihre Erinnerung dieses Moments von jenem Gefühl geprägt. Ihre ersten Jahre gab Freude den Ton an, so dass ihre Erinnerungen meist gelb schimmerten. Kummer ist blau, Wut rot, Ekel grün und Angst lila. Inzwischen sind die Gefühle sehr stark gemischt und als Rileys Umzug ansteht, kommt Freude gar nicht mehr zum Zug. Was dann tatsächlich geschieht, sollte man nicht verraten, um die Überraschungen nicht zu verderben. Man muss es selbst erleben, um es zu verstehen. Die Ausgangslage mit den personifizierten Emotionen klingt abstrakter als Alles steht Kopf es darstellt und gerade dass es Docter gelingt, ein bildliches Verständnis dafür zu entwickeln, was unsere Persönlichkeiten ausmacht, ist eine kaum vorstellbare Meisterleistung.
Bei Kindern besitzen Emotionen etwas Reines, etwas Unverfälschtes. Sie freuen sich nicht unter Vorbehalt oder mit Vorsicht, es ist unbändige Freude. Sind sie traurig, dann ist das ohne Hintergedanken und sind sie zornig, dann ist es, als würde von jetzt auf gleich ein Vulkan ausbrechen. Erst in der Pubertät, wenn sich alle Gefühle vermischen, geht das verloren. Sieht man, wie die Freude darum kämpft, in Rileys präsent zu bleiben und sieht man beim Blick in den Kopf von ihren Eltern, dass Rileys Mutter von der Sorge gesteuert wird, ihr Vater von Wut, dann ist es eine traurige Erinnerung für alle Erwachsenen, was es bedeutet Kind zu sein und welche Unbeschwertheit man beim Erwachsenwerden verliert.
Ebenso die wundervollen Erinnerungen, die Freude im Land des Vergessens entdeckt und was mit ihnen geschieht – oder dass ein Held aus Rileys Kindheit zurückbleiben muss, damit sie sich weiterentwickeln kann.
Alles steht Kopf entblättert den Kern unserer Persönlichkeit auf unvorstellbar charmante und greifbare Art und Weise. Ein Film zum Behalten, ein sofortiger Klassiker. Auch dank der fantastischen und punktgenauen deutschen Synchronisation.
Fazit:
Bereits der vorab präsentierte Kurzfilm Lava [2014] zeigt eindrucksvoll, was an der Art und Weise, wie Pixar Geschichten erzählt, besonders ist. Alles steht Kopf ist ein Film über Emotionen und selbst so voller Gefühle, dass Jung und Älter darin alles erleben können. Der Humor ist warmherzig und klug, die traurigen Momente berührend und die Umsetzung so fantasievoll, so energiegeladen und ansteckend, dass man sich dem nicht entziehen kann. Pete Docter trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er uns den Spiegel vorhält, was in den alltäglichsten Situationen in uns vorgeht und wie unser Gedankenzug verunglückt, wenn bestimmte Gefühle die Kontrolle übernehmen. Das ist sehr sehenswert und eine Bereicherung für Zuschauer aller Altersklassen (für die höheren sogar noch mehr) – und vermutlich der beste Film des Jahres. Wenn nicht sogar mehr.