Reine Nervensache 2 [2002]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 05. Mai 2003
Genre: Komödie

Originaltitel: Analyze That
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Harold Ramis
Musik: David Holmes
Darsteller: Robert De Niro, Billy Crystal, Lisa Kudrow, Joe Viterelli, Cathy Moriarty, John Finn


Kurzinhalt:
Wer dachte, dass Mafiaboss Paul Vitti (Robert De Niro) im Gefängnis gut aufgehoben wäre, irrt leider: Der ehemalige Gangsterkönig muss sich immer wieder mit Anschlägen auseinanersetzen und ersinnt daher folgenden Plan: Als geistig gestört lässt er sich zur häuslichen Pflege in die Dienste seines ehemaligen Therapeuten Ben Sobel (Billy Crystal) überweisen und macht sich dann auf die Suche nach den Leuten, die hinter den Anschlägen stecken.
In der Tat wird Vitti an Sobel übergeben, doch der hat zusammen mit seiner Frau Laura (Lisa Kudrow) an der neuen Situation nichts zu lachen. Von Schießereien über Drohungen, bis hin zu fast täglichen Besuchen durch das FBI und regelmäßigen Entblößungen durch Paul Vitti ist bei den Sobels alles vertreten.
Ob der allerdings, wie er nachhaltig verspricht, aus "dem Geschäft" aussteigen möchte, muss Ben Sobel am eigenen Leib erfahren.


Kritik:
Als 1999 Reine Nervensache in den Kinos anlief, hielten sich die Zuschauer vor Lachen den Bauch – die Produzenten hingegen rieben sich die Hände. Den Mafiadarsteller schlechthin, Robert De Niro, in einer Rolle zu sehen, in der er sein altes Image so gekonnt durch den Kakao zieht, war eine angenehme Strapaze für das Zwerchfell, auch wenn die Story zum Schluss hin etwas ins Schleudern geriet.
Bei einem Budget von 30 Millionen Dollar spielte der erste Teil über 100 wieder ein – für eine Komödie mit einer so hohen Altersfreigabe in den USA (ab 17 Jahren) eine große Leistung.
Doch offensichtlich waren die Zuschauer der Meinung, dass man dieser Geschichte um einen Mafiapaten, der mit seelischen Problemen zu kämpfen hat, keine neuen Aspekte mehr abgewinnen kann, denn der zweite Teil spielte in den Staaten gerade einmal so viel ein, wie der erste gekostet hat; schon auf Grund der Gagen für die Hauptdarsteller ist Reine Nervensache 2 allerdings deutlich teurer gewesen. Der Film ist also ein ziemlicher Flop.

Leider muss man all denen, die dem Kino ferngeblieben sind, recht geben: Was Regisseur Harold Ramis (Ghostbusters – Die Geisterjäger [1984], Teuflisch [2000]) den Zuschauern in dieser Fortsetzung zumutet, ist ein Klischee ansich: Eine Fortsetzung, die niemand braucht.

Nachdem Reine Nervensache über die Leinwand geflimmert war, glaubte beinahe jeder, dass die TV-Serie Die Sopranos [seit 1999] nicht viel mehr wäre, als eine bloße Fernsehumsetzung des Kino-Stoffes; immerhin ging es zu Beginn auch in der Serie um einen Mafiapaten, der auf die Hilfe einer Psycho-Therapeutin angewiesen ist.
Weit weniger Zuschauer hierzulande wissen allerdings, dass der Pilotfilm zu den Sopranos knapp zwei Jahre früher gedreht und die Serie erst viel später vom Sender HBO aufgekauft und weitergeführt wurde. Insofern kann man Reine Nervensache durchaus als die harmlosere Kinovariante der Sopranos bezeichnen, denn auch wenn die mehrfach ausgezeichnete Fernsehserie viele witzige Momente hat, ist sie im Grundton doch bedeutend härter und brutaler, als Harold Ramis' Film.
Nach vier Jahren Serie und einem Reine Nervensache-Film war das Thema in der Tat annähernd ausgereizt; wie sehr, das bewiesen die Autoren von Reine Nervensache 2 eindrucksvoll.

Das Skript ist so einfallslos, wie vorhersehbar, die Darsteller chronisch unterfordert, und ganz offensichtlich hat die ebenfalls erfolgreiche Fernsehserie Sex and the City [1998-2004] mehr Spuren hinterlassen, als man erwarten würde, denn im zweiten Teil der Mafiakomödie trieft es nur so vor Sex- und anderen schlüpfrigen Witzen.
Traurig ist auch, dass viele Gags ganz nett anfangen, beispielsweise als Sobel zu Beginn Paul Vitti untersucht, doch werden diese Witze in demselben Schema dann so oft hintereinander wiederholt, dass es nicht mehr lustig ist. Andere Szenen, beispielsweise, als Billy Crystal im Restaurant vor sich hinsabbert, wirken völlig unkomisch und fehlplatziert. Ein paar Sprüche sind ganz gelungen, allerdings wurden all diejenigen bereits im Trailer vorweggenommen. Der Rest ist altbekannt oder so amüsant wie Magenverstimmung.
Dass die Hintergrundgeschichte knapp 20 Minuten vor Schluss eine abrupte Wendung nimmt, ist zwar überraschend, passt in den restlichen Film aber nicht hinein, auch wenn anschließend wenigstens einige gute Ideen folgen.

Völlig unterfordert gehen die Darsteller aus diesem Aufguss hervor, allen voran die zur reinen Nebendarstellerin verdammte Lisa Kudrow, die nicht nur durch ihre Serie Friends [seit 1994] bewies, dass sie wirklich witzig sein kann. Hier darf sie zwei witzige Sprüche zum Besten geben – ansonsten gehört sie lediglich zum Inventar. Selbst im ersten Teil hatte sie mehr zu tun.
Robert De Niro scheint in letzter Zeit selbst den Spaß am Filmemachen verloren zu haben: Sowohl in Cop Land [1997], als auch jüngst in 15 Minuten Ruhm [2001] spielte er mit einer sichtlichen Lustlosigkeit, dass man sich wundern muss, wieso er überhaupt noch Rollen annimmt. In Reine Nervensache 2 setzt er diesen Trend zum Leidwesen des Zuschauers ungehindert fort. Hatte er im ersten Teil offensichtlich noch Spaß daran, sein Image zu persiflieren, hat man hier nun das Gefühl, dass ihm das schon zu viel Arbeit ist. Kraft- und emotionslos trägt er seinen Text vor, so dass man auch nicht recht glauben mag, dass es hinter der Kamera mehr zu lachen gab (wie die misslungenen Szenen im Abspann vermuten lassen). Einblicke in Showtime [2002] und City by the Sea [2002] lassen ebenfalls nichts Gutes erahnen. Da hilft es auch nicht viel, dass er für 2004 ganze vier neue Filme angekündigt hat.
Mit Billy Crystal (Harry und Sally [1989]) ist ein Urgestein der Kinokomödie mit an Bord, der auch im ersten Teil die meisten Lacher provozierte, hier aber gegen das klischeehafte Drehbuch nicht wirklich ankommt. Er gibt sich stellenweise wirklich Mühe, komisch zu sein und somit die Szenen zu retten, doch wenn die Witze, die er von sich geben soll, schon in zig früheren Filmen verbraten wurden, kann man als Zuschauer maximal schmunzeln, statt lachen. Als Darsteller rettet er den Film vor dem Absturz und ohne ihn hätte man sofort mit Anschauen aufhören können. Die eine Szene, in der er völlig überkanditelt umherkaspert, stimmt einen allerdings nachdenklich. Wie bei den meisten Komödianten benötigt auch er einen Regisseur, der ihn im Zaum zu halten vermag – Harold Ramis ist das leider nicht immer gelungen.
Mehr zu tun, als noch im ersten Teil, bekommt Joe Viterelli als Jelly; auch er hat einige wirklich lustige Sprüche im Repertoire, darf sein Potential aber nicht völlig entfalten.

Handwerklich gibt es an Reine Nervensache 2, oder Analyze That so der Originaltitel (der innovativer an den Vorgänger Analyze This anlehnt, als der deutsche Titel), nicht viel auszusetzen, die eigentliche Inszenierung ist sauber gelungen, allerdings ohne besondere Höhepunkte. Mit mehr frischen Ideen für Kamera und Schnitt hätte man selbst aus einer Komödie wie dieser mehr herausholen können.
Die Musik stammt im Gegensatz zum Erstling nicht mehr von Howard Shore, sondern von David Holmes, dessen Themen zwar ganz nett anzuhören sind, aber stellenweise zu aufdringlich wirken.

Fortsetzungen teilen das Schicksal, dass sie sich mit ihren Vorgängern messen lassen müssen. Wenn die Story aus dem ersten Teil im zweiten weitergesponnen wird, umso mehr. Wer selbiges bei Reine Nervensache 2 versucht, wird schnell feststellen, dass Harold Ramis und seine Filmcrew genau die Fehler gemacht haben, die Fortsetzungen normalerweise nicht machen sollten, nämlich den ersten Teil streckenweise lediglich zu kopieren, statt frische Ideen einfließen zu lassen.
Von den Kritikern verrissen und von den Zuschauern gemieden, wurde dem Studio allerdings recht schnell eine passende Rechnung serviert. Es gibt nur wenige Beispiele, in denen ein Sequel an seinen Vorgänger heranreicht. Analyze That gehört leider nicht dazu. Zwar ist der Film immer noch besser, als so manche andere Schmonzette, die im Kino oder Fernsehen läuft, eine Entschuldigung ist das allerdings nicht.
Es ist eine traurige Tatsache, dass Regisseur Harold Ramis seit nunmehr zehn Jahren keinen Film mehr gedreht hat, der sich auch nur annähernd mit seiner genialen melancholischen Fantasy-Romantik-Komödie Und täglich grüßt das Murmeltier [1993] messen lassen könnte.


Fazit:
Traurig, aber wahr: Wer den Trailer gesehen hat, hat die besten Szenen schon serviert bekommen. Zwar geht die Story im Film noch etwas länger, besser wird sie dadurch aber nicht. Wer den ersten Teil kennt und mochte, wird bei diesem lauwarmen Aufguss höchstens ein paar Mal schmunzeln können. Als Komödie ist der Film kein völliger Rohrkrepierer, bleibt allerdings zu weit hinter seinem erfolgreichen Vorgänger zurück, als dass man die offensichtlichen Mängel und Ideenlosigkeit einfach übersehen könnte.
Reine Nervensache 2 fühlt sich an, als hätte das Skript seit Jahren tiefgekühlt in einem Safe in Hollywood gelegen und wäre für die schnelle Kinoveröffentlichung in die Mikrowelle geschoben worden.
Die Darsteller danken's mit kollektiver Unlust – und der Zuschauer mit Desinteresse.