Walter Isaacson: "Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers" [2011]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 02. Dezember 2013
Autor: Walter Isaacson

Genre: Biografie

Originaltitel: Steve Jobs
Originalsprache: Englisch
Gelesen in: Deutsch
Ausführung: Hörbuch
Laufzeit: 26 Std. 4 Min.
Erstveröffentlichungsland: USA
Erstveröffentlichungsjahr: 2011
Erstveröffentlichungsjahr der Ausgabe: 2011
ISBN-13-Nr. der Ausgabe: 978-3-83711-383-9

Sprecher: Frank Arnold


Kurzinhalt:
Erst im Jahr 2009, fünf Jahre nachdem Steve Jobs den Autor Walter Isaacson zum ersten Mal gebeten hatte, eine Biografie über ihn zu verfassen, stimmte dieser zu. Damals war Jobs' Ehefrau Laurene Powell Jobs an Isaacson herangetreten. Es zeichnete sich ab, dass sich der Gesundheitszustand des Apple-Firmengründers zusehends verschlechtern würde.
Die Biografie beleuchtet Jobs' Schaffen ebenso, wie sein Privatleben. Schon aus diesem Grund ist sie gewissermaßen auch eine Chronologie der Firma Apple. Wenige Wochen nach Veröffentlichung starb Steve Jobs an den Folgen einer Krebserkrankung. Sein Beweggrund, das Buch in Auftrag zu geben, auch wenn er Isaacson keine Vorgaben machte, war es, dass er seinen Kindern die Möglichkeit bieten wollte, ihn auf diese Weise kennenzulernen. Ein stilles Bekenntnis, dass er seiner Familie nicht genügend Zeit gewidmet hatte.


Kritik:
Als jemand, der noch nie eine Biografie gelesen, geschweige denn gehört hatte, wusste ich nicht wirklich, was mich bei Steve Jobs erwarten würde. Noch, was ich erwarten sollte. Vielleicht sollte ein solches Werk dem Leser die beschriebene Person so nahe bringen, dass man sie am Ende gut zu kennen glaubt. Vielleicht, dass man ihre Handlungen verstehen und nachvollziehen kann. Ersteres ist Walter Isaacson gut gelungen, doch weshalb der Apple-Mitbegründer bisweilen so war, wie er war, bleibt selbst ihm ein Rätsel. Und das, obwohl er einen umfassenden Blick auf dessen Leben wirft. Es ist eines, das alle Höhen und Tiefen beinhaltet und vielleicht gerade deshalb den amerikanischen Traum verkörpert.

Als Adoptivkind prägte Jobs seinen eigenen Worten nach das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Die Aura des Auserwählten perfektionierte er viele Jahre später in Produktpräsentationen, die Geschichte schreiben sollten. Geboren am 24. Februar 1955, bekommt sein Leben, das ihn stellenweise beinahe selbst langweilte, eine neue Richtung, als er auf Steve Wozniak trifft, um mit ihm und Ronald Wayne am 1. April 1976 die Firma Apple zu gründen. Was folgt ist eine 35 Jahre andauernde Symbiose zwischen einem Menschen und einer Firma, die bis dato beispiellos ist. Steve Jobs und Apple können beinahe nur in einem Atemzug genannt werden. Die Tatsache, dass er aus seiner eigenen Firma verstoßen wurde, um mehr als zehn Jahre später zurückzukehren und sie dann zum wertvollsten Unternehmen der Welt zu machen, spiegelt sein eigenes Schicksal wider. Weshalb er, der selbst verlassen wurde, seine eigene Tochter Lisa zuerst verleugnete, ist ebenso ein Rätsel, wie seine fehlende soziale Kompatibilität, der jedoch seine hochemotionalen Momente in Stresssituationen entgegenstehen.

Das Bild, das Isaacson in Steve Jobs zeichnet, ist facettenreich und faszinierend, aber doch immer so unnahbar wie die Person in Wirklichkeit wohl gewesen ist. Dass der Autor seine Biografie eng mit dem Werdegang Apples verzahnt, sei ihm schon deshalb verziehen, weil man auch hier viele interessante Details über die Mechanismen im Hintergrund des Silicon Valley erfährt, die man so nur erahnen konnte. Was Walter Isaacson in mehr als 40 Interviews über mehrere Jahre hinweg über Jobs erfahren hat, vervollständigt er mit Informationen, die mehr als 100 Freunde, Familienmitglieder und auch Gegner des Firmenherrschers preisgegeben haben. Dass sich darunter bekannte Namen wie Al Gore und Bill Gates finden, verdeutlicht nur, wie weitreichend Jobs Einfluss gewesen ist – und in was für einer großartigen Zeit für die Entwicklung der Elektronik er aktiv war.

Für wie wichtig es Jobs erachtete, die Kontrolle innezuhaben, sieht man nicht nur an den integrierten Systemen der Apple-Architektur, den perfekt durchgestylten Verpackungen der Produkte oder den wie eine Messe inszenierten Produktshows. Es widerstrebte ihm zutiefst, das Erlebnis für die Benutzer nicht selbst kontrollieren zu können. Was es für ihn bedeutet haben muss, die Zügel dieser Biografie aus der Hand zu geben, kann man sich darum durchaus vorstellen. Nicht nur, dass er Walter Isaacson inhaltlich freie Hand ließ, Jobs erkundigte sich kurz vor Fertigstellung, ob ihm denn die Biografie selbst gefallen würde, wenn er sie denn lesen würde. Auf die Antwort Isaacsons, dass sie auch Details beinhalte, die er vermutlich nicht gutheißen würde, erwiderte Jobs, dass dies gut so wäre. Dann hätte man nicht das Gefühl, er habe ihm vorgeschrieben, was er schreiben sollte.
Den Eindruck eines differenzierten Portraits vermittelt Steve Jobs durchaus, auch wenn die Errungenschaften von Apples Konkurrenz merklich weniger herausgestellt werden, als es angebracht wäre. Aber bezogen auf Jobs selbst, erhält man einen Blick auf einen Mann, der die Welt der Technologie über viele Jahre hinweg geprägt hat. Getrieben von Dämonen, die er vermutlich nie selbst ganz verstanden hat, vereinte er nur Extreme in seinem Charakter. Sein Streben nach Meditation und Zen, verbunden mit seinem krankhaften Fasten, hat ihn nie ausgeglichener gemacht. Steve Jobs starb am 5. Oktober 2011. Diejenigen, die ihn nicht persönlich kennenlernten, werden nach der Biografie das Gefühl haben, dass ihnen die Person mit all ihren Ecken und Kanten durchaus bekannt ist.

Mit einer Lauflänge von mehr als einem Tag, stellt einen das ungekürzte Hörbuch ohne Zweifel vor eine Herausforderung. Doch es gelingt dem Sprecher Frank Arnold durchweg, durch eine ruhige, aber nie belanglose Betonung, das Interesse seiner Zuhörer zu erhalten. Das lange Zuhören stellt somit keine Schwierigkeiten dar und es ist sogar problemlos möglich, längere Pausen zwischen den Abschnitten einzulegen, da der Autor viele Elemente an Schlüsselpositionen wiederholt, damit man den roten Faden nicht verliert – etwas, was denjenigen auffallen wird, die die Biografie "am Stück" hören werden.
Was allerdings stört – und das wird Kennern der Materie ebenso entgegen springen wie Gelegenheitshörern – ist die Tatsache, dass Arnold bei Fremdwörtern und Namen häufig überrascht klingt, als würde er sie zum ersten Mal lesen und sich gerade in diesem Augenblick überlegen, wie sie wohl klingen müssten. Dadurch kommt einerseits der Erzählfluss kurz ins Stocken, vor allem aber sind manche Begriffe schlicht falsch ausgesprochen. Insbesondere bei beim wiederholt fehlerhaft ausgesprochenen Yosemite-Nationalpark ist das beinahe peinlich.


Fazit:
Viele Weggefährten von Steve Jobs berichten von seiner Fähigkeit, ein "Reality Disortion Field" zu erzeugen. Gemeint ist damit, dass es ihm gelang, in Gesprächen mit anderen diese so sehr mit seiner Sichtweise einzunehmen, dass sie das Unmögliche für Möglich hielten – und es ihnen folglich sogar gelang. Das geht so weit, dass sich der Firmenchef eines Glasherstellers fasziniert erinnert, wie seine Firma gegen seine ursprünglichen Argumente nur durch Jobs' Überredungskünste deutlich schneller als gedacht ein Produkt präsentierte, von dem er zuvor behauptet hatte, es wäre gar unmöglich.
Gespickt mit unzähligen Anekdoten, Geschichten und Erinnerungen von Industrielegenden, erscheint die Lebensgeschichte von Steve Jobs noch farbenfroher, als sie ohnehin schon war. Autor Walter Isaacson macht dabei vor Jobs fehlender Sozialfähigkeit ebenso wenig Halt, wie er dessen Drogenkonsum verschweigt oder die bittere Wahrheit feststellt, dass sich Jobs' Krebserkrankung trotz seines vehementen Leugnens nicht seinem Reality Disortion Field unterzog. Steve Jobs wirft den Blick auf einen Mann, der die Industrie geprägt hat, das lässt sich nicht leugnen, und der so unverkennbar mit der von ihm gegründeten Firma verbunden war, dass man sich eine Zeit ohne ihn bei Apple kaum vorstellen kann. Welche Visionen er mit seinen Produkten verfolgte, wird ebenso deutlich wie die Tatsache, dass er seine Familie dabei allzu oft nachrangig behandelt hat. Steve Jobs war ein Mensch voller Widersprüche, aber mit einem ungeahnten Gefühl für Design, Ästhetik und Präsentation. Hat man ihn – wie es sich nach Fertigstellung des Buches herausstellte – von seiner Kindheit bis kurz vor seinen Tod begleitet, hat man durchaus das Gefühl, ihn zu kennen. Wenn auch nicht zu verstehen. Ein größeres Kompliment kann man einer Biografie vermutlich kaum ausstellen.