Die Insel der besonderen Kinder [2016]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. Mai 2017
Genre: Fantasy / Action

Originaltitel: Miss Peregrine's Home for Peculiar Children
Laufzeit: 127 min.
Produktionsland: Großbritannien / Belgien / USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Tim Burton
Musik: Michael Higham, Matthew Margeson
Darsteller: Eva Green, Asa Butterfield, Samuel L. Jackson, Judi Dench, Rupert Everett, Allison Janney, Chris O'Dowd, Terence Stamp, Ella Purnell, Finlay MacMillan, Lauren McCrostie, Hayden Keeler-Stone, Georgia Pemberton, Kim Dickens


Kurzinhalt:

Nach dem plötzlichen und seltsamen Tod seines Großvaters Abe (Terence Stamp), der ihm stets Geschichten über besondere Kinder erzählt hat, folgt Jake (Asa Butterfield) mit seinem Vater (Chris O'Dowd) Hinweisen, die Abe hinterlassen hat. Sie führen auf eine kleine Insel Englands, wo Jake durch die Zeit zurückreist und auf Miss Peregrine (Eva Green) und ihre Kinder mit besonderen Fähigkeiten trifft. Emmas (Ella Purnell) besondere Fähigkeit ist die Luft. So ist sie nicht nur leichter als sie, sondern kann sie auch beherrschen. Doch die Kinder sind in Gefahr, eine Gruppe besonderer Menschen ist hinter ihnen her, angeführt von Mr. Barron (Samuel L. Jackson), der nicht nur Miss Peregrines Fähigkeit benötigt, sondern auch die Kinder, um seine seit langem gehegten Pläne zu verwirklichen. Nur mit Jakes Fähigkeit kann es gelingen, Barron zu besiegen ...


Kritik:
Sieht man sich Tim Burtons Adaption des ersten Teils der erfolgreichen Kinderbuchreihe Die Insel der besonderen Kinder von Autor Ransom Riggs an, dann ist es, als würde man mehrere verschiedene Filme anschauen. Von mehreren Filmemachern. Fängt Burton, der sich mit sonderbaren Fantasy-Geschichten seit Jahrzehnten auszeichnet, das Flair der unbekannten, magischen Welt von Miss Peregrine und ihren Kindern zu Beginn immerhin noch stellenweise ein, implodiert die Story mit zunehmend wachsender Geschwindigkeit.

Auch wenn Romanautor Riggs nach eigenen Aussagen seine Inspiration aus alten Fotografien zog, die unter anderem beim Vorspann zu sehen sind, die Ausgangslage selbst erinnert überaus stark an die bekannte Comic-Reihe X-Men. Hauptfigur Jake hat seit jeher das Gefühl, ein Außenseiter zu sein. Einzig mit seinem Großvater versteht er sich gut. Nachdem dieser auf sonderbare Weise ums Leben kommt, reist Jake mit seinem Vater nach England, um eine Bekannte seines Großvaters aufzusuchen. Auf einer abgeschiedenen kleinen Insel trifft Jake auf Personen, von denen sein Großvater aus seiner Jugend erzählte und folgt ihnen durch die Zeit ins Jahr 1943. Dort kümmert sich Miss Peregrine um eine Gruppe Kinder mit besonderen Fähigkeiten.

Was gleich zu Beginn von Die Insel der besonderen Kinder auffällt ist die Art und Weise, wie Regisseur Tim Burton seine Fantasy-Story visuell einfängt. Auch wenn er viele Anspielungen einbaut, die nur Fans und Kenner seiner früheren Werke verstehen werden (wie die Nutzung von Stop-Motion-Technik oder der Hommage an Ray Harryhausens Jason und die Argonauten [1963]), seine reine Bildersprache gerät beinahe erschreckend einfallslos. Die immens statischen Betrachtungswinkel, in denen kaum eine Bewegung zu verzeichnen ist, lassen die Leere in ihnen umso mehr erkennen. Mit Leere ist in diesem Fall keine sprichwörtliche, inhaltliche Leere gemeint, sondern eine tatsächliche. In Burtons Welt scheint es kaum Menschen zu geben. Sei es zu Beginn, wenn Jake und seine Eltern eine Psychiaterin aufsuchen und die Sets vollkommen steril wirken, oder später, wenn Jake mit seinem desinteressierten und gelangweilten Vater auf der Insel ankommt.

Die Fähre, mit der sie überfahren, wirkt verlassen, das Hotel ebenso. Zuvor sieht man eine Gruppe junger Menschen, die einfach in der Gegend herumsitzt und sieht man sie später nochmals, sitzen sie immer noch. Selbst als eine Tragödie geschieht, stehen alle Figuren wie angewurzelt fest, nichts an der Welt von Die Insel der besonderen Kinder erscheint lebendig. So wundert es auch nicht, dass sich die normalen Menschen, die beim Finale mit übersinnlichen Kreaturen in Berührung kommen zuerst gar nicht dafür zu interessieren scheinen, um später auf wundersame Weise alle zu verschwinden.

Miss Peregrine erzählt Jake, dass die besonderen Menschen gejagt werden. Die bösen Monster, Hollows genannt, haben es auf bestimmte Organe, insbesondere von besonderen Kindern abgesehen. Das klingt nicht nur für das Zielpublikum besonders ekelig, es sieht auch so aus. Wieso hier ein solcher Schnitt zur Romanvorlage vorgenommen wurde, wo die Hollowgasts angeblich die Seelen dieser Menschen verspeisen, verstehe wer will. Der Anführer dieser Monster ist Mr. Barron, der schon lange auf der Suche nach Miss Peregrine und ihren Kindern ist. Und ohne Jakes besondere Fähigkeit, können sie sich nicht gegen Barron wehren.

All das wird in Die Insel der besonderen Kinder noch um ein Zeitreiseelement erweitert und einer sogenannten Zeitschleife, in der Miss Peregrine und ihre Kinder ständig denselben Tag erleben – seit über 70 Jahren. Dass sie darin nicht älter werden, mag man noch nachvollziehen können, doch weshalb sich alle Beteiligten immer noch wie Kinder verhalten, verstehe wer will. Das eben tragische Element aus Interview mit einem Vampir [1994], dass die Kinder sich geistig zwar weiterentwickeln, aber im kindlichen Körper gefangen sind, kommt hier gar nicht zum Tragen. Auch häufen sich mit den Zeitsprüngen im Finale die inhaltlichen Fehler auf eklatante Weise, um eine Figur wieder zurückzubringen, dass es vollkommen verwirrt.

Dass die erwachsenen Darsteller hier wenig gefordert sind, mag man insofern nachvollziehen können, dass dies eben eine Kinderbuchverfilmung ist. Weswegen aber insbesondere der von Samuel L. Jackson gespielte Mr. Barron eine Ansammlung fürchterlicher Klischees sein muss, ist unverständlich. Nicht nur, dass er erst beim Finale wirklich in Aktion treten darf, er verhält sich dort wie der schlimmste Prototyp eines Bösewichts überhaupt. Er erklärt ungefragt, was er als nächstes vorhat und verhöhnt bei jeder Gelegenheit seine Gegner, um ihnen so Zeit zu geben, ihm noch einen Schlag zu versetzen. Das Verhalten ergibt schlichtweg keinen Sinn. So wie kaum etwas hier.


Fazit:
Von der Atmosphäre sonderbarer Erscheinungen zu Beginn oder dem Touch des Magischen beim Eintreffen bei Miss Peregrine bleibt nicht viel übrig, wenn sich Jake und die Kinder beim Finale gegen arg offensichtlich computergenerierte Hollows beim Jahrmarkt auf einem Pier wehren, während im Hintergrund Dancemusik die Szenerie begleitet. Das ist so unpassend, dass selbst die seltsame Farbgebung des Films, die offensichtlichen Trickeffekte und die sterile Umsetzung in dieser leblosen Welt von Die Insel der besonderen Kinder kaum mehr auffallen. Die starre Optik mit einem holprigen Schnittrhythmus tut ihr übriges, um jegliches Tempo im Keim zu ersticken. Es ist, als würde Tim Burton das Fantasy-Abenteuer selbst wie einen Stop-Motion-Film inszenieren. Das misslingt auf so vielen Ebenen, dass man kaum glauben mag, welche Perlen der Filmemacher früher inszenierte.