Wo die Lüge hinfällt [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Januar 2024
Genre: Komödie / Liebesfilm

Originaltitel: Anyone But You
Laufzeit: 103 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Will Gluck
Musik: Este Haim, Christopher Stracey
Besetzung: Sydney Sweeney, Glen Powell, Alexandra Shipp, Hadley Robinson, GaTa, Michelle Hurd, Dermot Mulroney, Rachel Griffiths, Bryan Brown, Charlee Fraser, Darren Barnet, Joe Davidson


Kurzinhalt:

Das erste Zusammentreffen von Bea (Sydney Sweeney) und Ben (Glen Powell) könnte romantischer kaum sein, doch ein Missverständnis enttäuscht beide so sehr vom jeweils anderen, dass der Funke zwischen ihnen im Keim erstickt wird. Sie ahnen nicht, dass Beas Schwester Halle (Hadley Robinson) und die Schwester von Bens Freund Pete (GaTa), Claudia (Alexandra Shipp), die Ben ebenfalls seit Kindertagen kennt, ein Paar werden. Als Halle und Claudia in Australien heiraten wollen, ist die Situation für alle Beteiligten aufgeladen, umso mehr, da Beas Eltern ihren Ex-Verlobten Jonathan (Darren Barnet) eingeladen haben, da sie der Meinung sind, er wäre der perfekte Partner für sie. Da auch Bens Verflossene Margaret (Charlee Fraser) Teil der Hochzeitsgesellschaft ist, vereinbaren Bea und Ben, dass sie vorgeben, ein Paar zu sein. Zum einen, damit Bea Jonathan und ihre Eltern auf Abstand halten kann, zum anderen, damit Margaret sich für Ben interessiert. Dabei empfinden beide sehr viel füreinander, wollen es sich aber nicht eingestehen. Denn wie bei ihrem ersten Treffen, kommt ihr unglückliches Timing ihnen immer wieder in die Quere …


Kritik:
Will Glucks Wo die Lüge hinfällt erzählt vor malerischer Kulisse mit sympathischen Figuren eine überraschend körperbetonte und stellenweise leicht zotige Liebeskomödie ohne jegliche Überraschungen – mit Ausnahme dessen, wie unterhaltsam ihm das insgesamt gelungen ist. Zu verdanken ist das einerseits der Besetzung, aber auch dem Umstand, dass die Verantwortlichen nicht versuchen, mehr als das zu präsentieren, was sie im Petto haben. Gerade in der kalten Jahreszeit kommt eine solche romantische Komödie gerade recht.

Dabei klingt die Geschichte von Bea und Ben in Zeiten von Dating-Apps & Co. geradezu altmodisch. Sie treffen sich in einem Coffee-Shop, den Bea nur aufsucht, da sie dringend ein stilles Örtchen benötigt. Da die Toiletten jedoch der Kundschaft vorbehalten sind, hilft ihr Ben aus der Patsche. Sie verbringen den restlichen Tag zusammen und es scheint gefunkt zu haben, doch am nächsten Morgen schleicht sich Bea davon. Als sie das selbst als Fehler erkennt, kehrt sie zurück, nur um mitanzuhören, wie Ben vor einem Freund schlecht über sie spricht. Dabei tut er dies aus der Kränkung heraus, doch der Ton ist gesetzt und das könnte es für das Beinahe-Traumpaar gewesen sein, bis sie Monate später erfahren, dass Beas Schwester Halle und Bens Freundin aus Kindertagen, Claudia, gemeinsam in Australien Hochzeit feiern wollen. Zu der haben Beas Eltern auch ihren Ex-Freund Jonathan eingeladen, da er ihrer Meinung nach bereits Teil der Familie ist und perfekt zu Bea passe. Da zu den Hochzeitsgästen auch Bens Verflossene Margaret zählt, der er immer noch hinterhertrauert, und die Antipathie zwischen Bea und Ben nicht nur in Sticheleien, sondern geradezu offener Feinschaft ausartet, schmieden die Eltern der beiden Bräute zusammen mit ihnen einen Plan: Sie wollen Bea und Ben verkuppeln. Die gehen schließlich darauf ein, um den arg ungelenken Verkupplungsversuchen einerseits und den permanenten Ermunterungen von Beas Eltern andererseits ein Ende zu setzen, dass sie Jonathan zurückgewinnen soll.

Wohin diese eingangs romantisch anmutende, dann von einer beinahe geradezu liebevollen Abneigung geprägte, gespielte Beziehung führen wird, ist lange absehbar. Es ist schließlich die Prämisse, die Glucks Komödie zum Leben erwecken will. Doch bis die Geschichte überhaupt an dem Punkt ankommt, ist bereits mehr als ein Drittel der Laufzeit vergangen. Die Vorbereitung, die beinahe zwei Jahre zuvor ansetzt und dann einen Zeitsprung macht, ehe es nach einem weiteren schließlich auf nach Australien geht, dauert spürbar lange und hätte nicht nur knapper gefasst, sondern beinahe gestrichen und in Dialogen miteingewoben werden können. Findet Wo die Lüge hinfällt dann aber endlich seine Richtung, erinnert die Komödie hinsichtlich der Stimmung ein wenig an Nie wieder Sex mit der Ex [2008], nur ohne einen melancholischen Trennungsschmerz im Zentrum. Dafür stellt das Drehbuch Nebenfiguren vor, die die ohnehin verkrampfte Ausgangssituation für Bea und Ben nur noch schlimmer machen. Die entpuppen sich beim genauen Hinsehen als weniger schroff und taff, als sie beide im ersten Moment auftreten. Bea kann es ihren Eltern noch nicht einmal erzählen, dass sie ihr Jurastudium abgebrochen und keine Idee hat, wohin sich ihr Leben entwickeln soll. Ben hingegen wurde in seiner letzten Beziehung so enttäuscht, dass ihm Beas Abweisung den Boden unter Füßen weggezogen hat. Dass sie gut zusammenpassen, sehen alle um sie herum, nur sie selbst nicht.

Dass man ihnen gern auf ihrem Weg zu einem unausweichlichen Ende folgt, liegt nicht nur an ihrer Chemie miteinander, sondern daran, dass ihnen der körperbetonte Humor besser gelingt, als man das zuletzt in Komödien mitansehen durfte. Sydney Sweeneys Moment, wenn Bea Ben im Flugzeug einen Keks stehlen will, ist ebenso Gold wert, wie wenn Ben aus Angst, dass in der australischen Natur Insekten auf ihm krabbeln, sich die Kleider vom Leib reißt. Aber auch hier bleiben viele Ideen ungenutzt, beispielsweise wenn die Qualität des örtlichen Kaffees eine ungeahnte Wirkung entfaltet. Es hätte ein Element sein können, das schon früher im Film vorgestellt und später weitere Male aufgegriffen wird, doch die Art und Weise, wie es geschieht, lässt den Slapstickmoment beinahe verpuffen. Mit scheinbar gespielten Gefühlen und einem Paar, das sich nicht ausstehen kann, bietet Wo die Lüge hinfällt die besten Voraussetzungen für eine Screwballkomödie, die aber leider nur phasenweise aufgegriffen werden.

Dafür verweist das Drehbuch mit eingewobenen Zitaten aus Viel Lärm um nichts [1600] immer wieder auf William Shakespeares Vorlage, von der man sich hat inspirieren zu lassen. Daran kann Regisseur Will Gluck freilich zu keinem Augenblick heranreichen, doch scheint er das auch gar nicht zu versuchen. Finden Bea und Ben zu ernsten Momenten, mitunter an den ungewöhnlichsten Orten, dann zeugen ihre Dialoge von einer Ehrlichkeit, die sie umso sympathischer erscheinen lässt. Und als Opfer von Umständen, die mit etwas Verzögerung auch ganz anders hätten ausgehen können. Wo die Lüge hinfällt mag inhaltlich arg konstruiert und von geradezu unnatürlich schönen Menschen vor einer ebenso unwirklich schönen Kulisse erzählt sein. Mit ihrer Botschaft, dass zu Lieben stets ein Wagnis ist, dessen größte Feinde die Angst vor Enttäuschung und der fehlende Mut, sich auszusprechen sind, trifft sie trotzdem ins Herz.


Fazit:
Teilweise verhalten sich die Figuren, allen voran bei den Verkupplungsversuchen, nicht nur unbeholfen, sondern geradezu weltfremd. Umso mehr, da diese Idee vollkommen unnötig ist, da sich Ben und Bea allein auf Grund ihrer Ex-Partner bereits als Scheinpaar hätten ausgeben können. Hinsichtlich des körperlichen Humors wird Will Glucks Film stellenweise zudem etwas zu vulgär. Wo die Lüge hinfällt läuft trotz einiger Umwege und wenigstens mit ein paar unvorhergesehenen Ideen auf ein Ende zu, das man lange kommen sieht. Doch, obwohl die Story in der ersten Hälfte spürbar vor sich hinplätschert, lässt man sich auf die Geschichte ein und nimmt sie als das, was sie sein will, kann man sich von Beas und Bens Suche zueinander durchweg unterhalten lassen. Dafür sorgen vor allem Sydney Sweeney und Glen Powell mit unerwartet viel Slapstick-Talent und einer sympathischen Chemie. So folgt man den Figuren und einigen unerwartet spitzen Dialogen gern. Vor allem aber gelingt es der romantischen Komödie, dass man am Ende ein Lächeln auf den Lippen hat und das ist letztlich alles, was zählt.