Trauzeugen [2023]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. September 2023
Genre: Komödie / Liebesfilm

Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Lena May Graf, Finn Christoph Stroeks
Musik: Andrej Melita
Besetzung: Edin Hasanović, Almila Bağrıaçık, Cristina do Rego, László Branko Breiding, Iris Berben, Nilam Farooq, Kurt Krömer


Kurzinhalt:

Es ist für Scheidungsanwalt Jakob (Edin Hasanović) die Möglichkeit schlechthin, in der Kanzlei aufzusteigen, als seine Chefin Dr. Kober (Iris Berben) sich scheiden lässt und ihn engagiert. Doch die Verhandlung ist bereits in elf Tagen. Umso schwieriger wird seine Situation, als sich sein bester Freund Tobi (László Branko Breiding), auf dessen Hochzeit Jakob Trauzeuge sein soll, beim Bouldern das Bein bricht. Tobi kann die Hochzeit nicht weiter vorbereiten, ebenso wenig wie die künftige Braut Ruth (Cristina do Rego), die hochschwanger, Jakob verpflichtet, den Rest in zehn Tagen mit ihrer Trauzeugin Marie (Almila Bağrıaçık) vorzubereiten. Widerwillig geht Jakob darauf ein, selbst wenn er mit Maries bestimmender Art seine Schwierigkeiten hat, sind sie sich im Auftreten doch zu ähnlich. Marie ist Paartherapeutin und hat ganz andere Vorstellungen von der Feier als Jakob, dessen wiederholte Fehltritte die gesamte Hochzeit in Gefahr bringen. Doch trotz oder gerade auf Grund ihrer Differenzen kommen sich Marie und Jakob schnell näher …


Kritik:
Die Komödie Trauzeugen besitzt alles, was typisch deutsche Komödien seit Jahren kennzeichnen. Eine sympathische Besetzung (angereichert um Internetpromis, Musiker und Comedians in Nebenrollen), die sowohl den karriereorientierten Yuppie als auch die sozial engagierte Pädagogin widerspiegelt, viele eingängige Songs, die in chicen Bildern eingefangen sind, und eine Geschichte, die immer dann, wenn es ernst wird, auf betont absurden Humor setzt, um sich nicht eingehend mit den Figuren beschäftigen zu müssen. Garniert wird all das mit einem Happy End, das im Zweifel mit der Brechstange erzwungen wird. Das Ergebnis ist harmlos unterhaltsam und ärgerlich zugleich.

Ärgerlich, da mit der Besetzung um Almila Bağrıaçık und Edin Hasanović nicht nur bedeutend mehr, sondern eine durchaus facettenreiche, romantische Komödie möglich wäre. Beides beweisen sie insbesondere in den ruhigen Momenten, in denen das ungleiche Paar beinahe zueinander findet. Ihre Differenzen könnten dabei kaum größer sein. Jakob ist ein erfolgreicher Scheidungsanwalt, was für sich genommen durchaus zynisch klingt. Sein bester Freund seit 20 Jahren, Tobi, bricht sich beim Bouldern kurz vor der Hochzeit das Bein, weswegen die hochschwangere künftige Braut Ruth Tobis Trauzeugen Jakob verpflichtet, die Hochzeitsvorbereitungen mit ihrer eigenen Trauzeugin, der Paartherapeutin Marie, abzuschließen. Das stellt Jakob schon deshalb vor ein Problem, da am Tag nach der Hochzeit die Scheidung seiner Chefin Dr. Kober verhandelt wird, die er unbedingt vertreten wollte, da er hofft, so zum Partner in der Kanzlei aufsteigen zu können. Wo Jakobs Prioritäten liegen, ist damit kaum verwunderlich, ebenso wenig, dass er dies Marie, Tobi und Ruth gleichermaßen spüren lässt.

Was Jakob für ein Typ Mensch ist, sieht man am besten daran, wie er zu Beginn vorgestellt wird. Nur zwei Wochen vor der Hochzeit will er Tobi beim Bouldern seinen Entwurf vom Ehevertrag zeigen, den der jedoch ablehnt. Nachdem er seinen letzten Fall gewonnen hat, findet sich Jakob selbst so toll, dass er im Park für sich selbst tanzt, er trägt ständig Ohrhörer, da er stets telefoniert und lässt seine Kollegin in der Kanzlei die Vorbereitungen für Dr. Kobers anstehende Verhandlung treffen, will jedoch selbst die Lorbeeren einheimsen. Kurzum, er ist nicht wirklich sympathisch. Was er an der charmant auftretenden und vor Positivität übersprudelnden Marie sympathisch findet, ist nicht schwer zu erkennen, wohl aber, weshalb sie sich in ihn verlieben soll. Immerhin übernimmt er nicht einmal die Verantwortung dafür, dass das Hochzeitspaar seinetwegen ihre Hochzeitslocation verliert – Schuld sind zum Glück immer die anderen. Diese Figur zu läutern, ihr begreiflich zu machen, dass es Wichtigeres gibt als die Karriere und das kühl eingerichtete Loft nebst SUV, das mehr kostet, als die meisten Menschen in einem Jahr verdienen, wäre eine Reise, auf der man sie durchaus gern begleiten würde, doch Trauzeugen geht hier bedauerlicherweise einen anderen Weg.

Die erste Hälfte der Erzählung widmet sich den stockenden Hochzeitsvorbereitungen und Jakobs neuestem Fall gleichermaßen, ehe dieser im Mittelteil in Vergessenheit gerät, um nach dem eigentlichen Finale wieder hervorgekramt zu werden. Den Höhepunkt bildet verständlicherweise die Hochzeit, der schon deshalb berührende Momente fehlen, da das Publikum das Hochzeitspaar selbst nicht kennenlernt. Statt Marie und Jakob nach einer Beinaheannäherung und einem Zerwürfnis im Vorfeld diesen unangenehmen Moment aushalten zu lassen, versteift sich das Drehbuch stattdessen auf Humor und ein derart kindisches Verhalten einer vermeintlich verantwortungsbewussten Figur, dass die katastrophalen Folgen weit absehbar sind. Das wäre schon schlimm genug, der Gipfel ist jedoch, dass ausgerechnet diejenige Person, die den schönsten Tag von zwei Menschen an sich reißt und damit kaputtmacht, im Nachgang nicht einmal um Entschuldigung bitten muss. Sie zeigt auch keine Reue oder Einsicht, dass alles, was sie tut, nur sich selbst dient. Vielmehr sind es die Geschädigten, die mit einem vollkommen aus der Luft gegriffenen Verständnis auftreten, dass man sich buchstäblich im falschen Film glaubt.

Es ist eine inhaltliche Wendung, die jede charakterliche Entwicklung unnötig macht, da alle Umstehenden diese Person offenbar als so egozentrisch akzeptieren, wie sie ist. Trauzeugen könnte wenigstens den Mut besitzen, dass dieser Person gerade deshalb ein Happy End verwehrt bleibt, doch ein solches Risiko geht die Vorlage nicht ein, deren Charakterzeichnungen beim Hinsehen geradezu wütend machen. Wäre es nicht um die Chemie zwischen Hasanović und Bağrıaçık oder die grundsätzlich routinierte, wenn auch formelhafte Inszenierung, man könnte nur den Kopf schütteln ob der inhaltlichen Entwicklungen.


Fazit:
Dass in einer solchen Geschichte die klischeehaften Dialoge darüber nicht fehlen dürfen, dass Jakob behauptet, manche Menschen eignen sich nicht für Beziehungen, verwundert nicht, selbst wenn sie spät eingestreut werden. Der durchweg absehbare, aber zumindest anfangs nie bösartige Humor schlägt nur selten über die Stränge. Was der romantischen Komödie jedoch lange Zeit ungeachtet der Atmosphäre zwischen den beiden tragenden Figuren fehlt, ist eine Annäherung zwischen ihnen, die recht plötzlich eingewoben wird. Daran, wie am durchdesignten Soundtrack und der Inszenierung, erkennt man, dass Regisseurin Lena May Graf und Regisseur Finn Christoph Stroeks eine deutsche Liebeskomödie nach Schema F präsentieren, deren glückliches Ende von Beginn an feststeht. Dass hier Überraschungen fehlen, ist kein Kritikpunkt, wohl aber, dass eine tragende Figur alle anderen vor den Kopf stößt und nie auf die rechte Bahn gesetzt wird. Sie besitzt keine einzige, erkennbar positive Eigenschaft, mit der sie hier glänzen könnte. So jemanden wollte man nicht geschenkt im Freundeskreis wissen und dass eine charakterliche Entwicklung ausbleibt, ist eine völlig falsche Botschaft, die Trauzeugen trotz einer positiven Aussage kurz vor Schluss weit nachhaltiger prägt. Das ist mehr als nur schade. Angesichts der beiden charmanten Beteiligten im Zentrum, die wenigstens für Unterhaltung sorgen, ist es regelrecht ärgerlich.