Thor: Love and Thunder [2022]

Wertung: 2.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 26. September 2022
Genre: Komödie / Action / Fantasy

Originaltitel: Thor: Love and Thunder
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: Australien / USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Taika Waititi
Musik: Michael Giacchino, Nami Melumad
Besetzung: Chris Hemsworth, Christian Bale, Tessa Thompson, Jaimie Alexander, Taika Waititi, Russell Crowe, Natalie Portman, Chris Pratt, Karen Gillan, Dave Bautista, Pom Klementieff, Sean Gunn, Vin Diesel, Bradley Cooper, Matt Damon, Sam Neill, Luke Hemsworth, Melissa McCarthy


Kurzinhalt:

Nachdem er sich entschlossen hat, mit den „Guardians of the Galaxy“ das Universum sicherer zu machen, entdeckt Donnergott Thor (Chris Hemsworth) bei einem Hilferuf eine alte Freundin, die ihn vor dem Götterschlächter Gorr (Christian Bale) warnt. Gorr ist Träger des Nekro-Schwerts, durch das auch Götter sterben können. Sein nächstes Ziel ist New Asgard auf der Erde, wo Dr. Jane Foster (Natalie Portman) im zersplitterten Thor-Hammer Mjölnir eine Chance sieht, eine tödliche Krankheit zu überwinden. Doch es gelingt Gorr zusammen mit dem von ihm heraufbeschworenen Schattenkreaturen, eine Gruppe von Kindern Asgards zu entführen und so machen sich Thor, Jane als Mighty Thor und Valkyrie (Tessa Thompson) zusammen mit Thors Gefährtem Korg (Taika Waititi) auf, Gorr zu stoppen. Dafür will Thor um eine Armee bei Göttervater Zeus (Russell Crowe) bitten, doch das verursacht nur mehr Probleme …


Kritik:
Eine Stärke des inzwischen Dutzende Spielfilme umfassenden Marvel Cinematic Universe ist der Umstand, dass es verschiedene Genres abdecken kann. Von den klassischen Superheldengeschichten über Spionagestories (The Return of the First Avenger [2014]) oder ausgesprochene Komödien wie Thor: Tag der Entscheidung [2017]. In seiner eigenen Fortsetzung spendiert Filmemacher Taika Waititi dem MCU mit Thor: Love and Thunder nun eine Filmparodie im Stile von Die nackte Kanone [1988]. Auch dafür gibt es sicher ein Publikum, doch verlieren die Verantwortlichen damit auch aus dem Auge, was die Reihe gleichermaßen ausgezeichnet hat: Ihre Verlässlichkeit, einem allgemein großen Publikum zugängliche Unterhaltung zu bieten. Daran ist das vierte Soloabenteuer um den Donnergott aus Asgard nicht sonderlich interessiert.

Etablierte Thor: Tag der Entscheidung seine Titelfigur über die Kabbeleien seiner Auftritte in den Avengers-Filmen hinaus als Komödienhelden, verkommt er hier zur reinen Karikatur. Als vollkommen überdrehte Genreparodie könnte das durchaus funktionieren, wären denn alle Aspekte der Geschichte darauf ausgelegt. Doch die Story ist im Kern auf mehreren Ebenen überaus ernst und soll das Publikum berühren. Sie wird vorangetrieben durch Gorr, den Götterschlächter, der aus Rache, dass sein Gott den Tod seiner Tochter verhöhnt, schwört, alle Götter zu vernichten. Dabei verwandelt sich Darsteller Christian Bale stückweise in die Marvel-Version von Harry Potter-Erzbösewicht Voldemort. Als Gorr kann er Schattenmonster heraufbeschwören, die man beim besten Willen bis zum Ende des Films kein einziges Mal in einer Art und Weise zu sehen bekommt, dass man auch nur annähernd beschreiben könnte, wie sie aussehen. Gorrs großes Ziel ist ein Wunschbrunnen im Zentrum des Universums und um es zu erreichen, kidnappt er eine Gruppe Kinder in New Asgard, um Thor in eine Falle zu locken. Der erhält unverhofft Unterstützung von seiner großen Liebe Jane, die als Mighty Tor den zerstörten Götterhammer Mjölnir schwingt.

Dass Natalie Portman ihre Rolle als Jane Foster erneut aufnimmt, ist eine willkommene Überraschung, zumal ihre Figur die vermutlich interessanteste Reise vor sich hat. Man könnte sogar vermuten, dass sie für den ernsten Gegenpol zu Chris Hemsworth sorgt, der als Thor nicht nur wie ein ungelenker Tollpatsch auftritt, sondern derart verkrampft auf Wortwitze aus ist, als seien die Dialoge überwiegend improvisiert. Ihre gemeinsamen Momente funktionieren dennoch erstaunlich gut und die Figuren entwickeln eine Chemie miteinander, die den übrigen vorenthalten bleibt. Dabei quillt Thor: Love and Thunder geradezu über vor Charakteren, von den Guardians of the Galaxy, die zu Beginn einen kurzen Auftritt absolvieren, über Tessa Thompson, die als Valkyrie und Königin New Asgards zurückkehrt, bis hin zu Taika Waititi, der als Steinwesen Korg die Geschichte mit seinen Kommentaren begleitet. Dafür pausiert er auch immer wieder die Erzählung, springt in der Zeit zurück und kommentiert das Offensichtliche mit naiv-unnötigen Einzeilern. Geradezu unzählige Gastauftritte wie Russell Crowe als Zeus vervollständigen die Besetzung, wie auch die Theatertruppe Asgards, die die Ereignisse des dritten Films in einer endlos langen Szene zum Fremdschämen für das Publikum aufarbeitet. Irgendeine Auswirkung hat sie nicht – mit Ausnahme der Tatsache, dass die vier Gaststars Matt Damon, Sam Neill, Luke Hemsworth und Melissa McCarthy einen Auftritt bekommen.

Das verdeutlicht auch, woran Thor: Love and Thunder so offensichtlich leidet: Anstatt die verschiedenen Strömungen der Story wirklich zu vereinen oder eine durchgängige Stimmung zu präsentieren, wirkt es oft, als wären die Momente von unterschiedlichen Personen geschrieben worden. In einem Satz zum nächsten geht es hier um Liebe, das Leben und den Tod, im nächsten um einen dahintänzelnden Zeus, der Pirouetten dreht, während er seinen Blitz theatralisch in die Lüfte wirft, ein splitternackter Thor vor ihm stehend. Gleichzeitig werden die körperlichen wie verbalen Witze derart oft wiederholt, dass die Geschichte damit nur länger, aber nicht lustig(er) wird. Es fühlt sie vielmehr an, als hätte Regisseur Waititi, der auch am Drehbuch mitschrieb, sämtliche Ideen auf die Leinwand geworfen, ohne sich zu fragen, ob sie auch zusammenpassen. Das Ergebnis ist ein Film, der zu Beginn kaum amüsant erscheint, im Mittelteil vermeintlich Gag an Gag reiht, ob sie nun zünden, oder nicht, um dann urplötzlich – treffend in schwarzweiß-Tönen – ein ernstes Finale einzuläuten, bei dem dem Publikum das Schicksal der Figuren oder der Welt am Herzen liegen soll.
Stimmig ist das nicht.


Fazit:
Über weite Strecken hat man bei Taika Waititis zweitem Thor-Abenteuer das Gefühl, man hätte sich in eine Spaceballs [1987]-Variante mit Marvel-Figuren verirrt. Unglaublich bunt, mit fliegenden Holzschiffen, die von riesigen Ziegen gezogen worden (deren unvorhergesehener Stopp vor dem Finale den einzig wirklichen Lacher produziert), einer geradezu innigen Liebesbeziehung zwischen Thor und seinen Hammern (kein Witz) und einer Love-Story zwischen Thor und Jane, die in wenigen Momenten berührt, aber ansonsten vor sich hindümpelt. All das ist eingebettet in eine Story um den Götterschlächter, dessen letztliches Schicksal ebenso wenig Sinn ergibt, wie die letzten Momente, die den Titel begründen. Zur Karikatur reduziert, ist Thor hier der Witz und wäre es eine Sitcom, würde das Publikum lachen, wenn er die Hand hebt. Die vielen Verweise und Vorbereitungen der nächsten Filme werden Comicfans freuen, aber wirklich gelungen ist die Parodie eines in Avengers: Endgame [2019] ausgebrannten und darum nahbaren Helden in Thor: Love and Thunder nicht. Der Film ist viel, von allem viel. Nur ohne Struktur oder eigene Handschrift. Das ist gelinde gesagt enttäuschend, oder gar eine Zumutung.