The Marvels [2023]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 8. November 2023
Genre: Action / Fantasy

Originaltitel: The Marvels
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Nia DaCosta
Musik: Laura Karpman
Besetzung: Brie Larson, Teyonah Parris, Iman Vellani, Zawe Ashton, Samuel L. Jackson, Zenobia Shroff, Mohan Kapur, Saagar Shaikh, Lashana Lynch, Randall Park, Daniel Ings, Colin Stoneley, Gary Lewis, Park Seo-joon


Kurzinhalt:

Als sie auf Nick Furys (Samuel L. Jackson) Bitte hin eine Energiespitze in einem fernen Teil der Galaxis untersucht, stößt Carol Danvers (Brie Larson) alias Captain Marvel auf ein uraltes Kree-Artefakt. Sie ahnt nicht, dass sie in eben diesem Moment, in der Nähe eines Sprungportals, unbewusst in Kontakt mit ihrer Nichte Monica Rambeau (Teyonah Parris) steht, der Tochter von Carols Freundin Maria (Lashana Lynch). Auch Kamala Khan (Iman Vellani), die dank eines Armreifs in der Lage ist, aus Energie Materie zu erschaffen, und in Jersey City als Ms. Marvel bekannt ist, ist Teil der Verbindung. Sobald sie von nun an gleichzeitig ihre Superkräfte benutzen, tauschen sie die Plätze. Dabei braucht es jetzt mehr denn je Superheldinnen, da die Kree-Kriegerin Dar-Benn (Zawe Ashton) einen Weg sucht, ihren sterbenden Heimatplaneten wiederzubeleben, selbst wenn dies bedeutet, dass andere Welten dafür zerstört werden. Es ist eine Bürde, die Captain Marvel nicht loslässt, ist sie doch für die gesamte Situation verantwortlich …


Kritik:
Das Marvel Cinematic Universe, kurz MCU, das die Verantwortlichen seit 15 Jahren aufgebaut haben, hat nicht zuletzt mit den vielen Streaming-Serien, Comics und Büchern, ja sogar Videospielen, ein Ausmaß erreicht, dass diejenigen, die „nur“ sämtliche der beinahe drei Dutzend Kinofilme gesehen haben, den Durchblick verlieren. The Marvels, das Aufeinandertreffen von Kino- und Serienfiguren, bringt das geradezu schmerzlich auf der großen Leinwand auf den Punkt. Darunter leider nicht nur der Unterhaltungswert, sondern die Charaktere und die Besetzung gleichermaßen.

Dass die Produzenten und Filmemacherin Nia DaCosta bereits vorausgesehen haben, dass das reguläre Kinopublikum nur schwer Zugang finden wird, verdeutlicht bereits, dass wenigstens zwei der drei zentralen Figuren in Rückblicken oder etwas Ähnlichem vorgestellt werden. Ausgerechnet Monica Rambeau jedoch, die auch für Carol Danvers – alias Captain Marvels – Entwicklung eine zentrale Rolle spielt, erfährt keine solche Einführung. Ihre Fähigkeiten werden vielmehr nebenbei erläutert und wer die Streaming-Serie WandaVision [2021] nicht gesehen hat, wird mit ihr kaum etwas anzufangen wissen. Teenagerin Kamala Khan hingegen ist als Ms. Marvel aus ihrer gleichnamigen Serie bekannt, deren visueller Stil hier aber nur bei ihrem ersten Auftritt erhalten bleibt. Captain Marvel kennen Fans als Teil der Avengers, wobei die mit ihr zusammenhängende Hintergrundstory der Kree, deren Schicksal sie stärker geprägt hat, als sie zugeben will, sowie der Skrulls, die eine neue Zuflucht gefunden haben, eine tragende Rolle spielt. Wem bereits der Kopf schwirrt, sollte lieber nicht weiterlesen bzw. wird sich in der Geschichte ohnehin nur schwer zurechtfinden.

Denn offenbar waren die Verantwortlichen der Überzeugung, dass die Idee genügen muss, dass die drei Heldinnen ihre Plätze tauschen, sobald sie gleichzeitig ihre Kräfte nutzen. Die eigentliche Story über die Kree-Kriegerin Dar-Benn, die keine Grausamkeit scheut, um den sterbenden Heimatplaneten ihres Volkes zu retten, wird ebenso wenig vorgestellt wie sie selbst oder ihre Untergebenen. Doch wenn jeder gute Held einen guten Bösewicht braucht, dann drei so mächtige Heldinnen erst recht. Es ist bedauerlich, dass The Marvels gerade diesen Aspekt so stark vernachlässigt. Zumal erst spät herausgestellt wird, in welchem Zustand sich die Skrulls und die Kree befinden, von den Aufgaben und technischen Möglichkeiten von Nick Furys S.A.B.E.R.-Organisation ganz zu schweigen. So beobachtet man die von Schauplatz zu Schauplatz hüpfende Story, wird aber nie von ihr mitgerissen. Noch weniger, da die Bedrohung, die von Dar-Benn ausgeht, zu lange zu diffus bleibt und was sie in der Lage ist, mit einem magischen Hammer auszurichten, gar nicht verdeutlicht wird.

Die Welten, die Danvers, Rambeau und Khan besuchen, könnten unterschiedlicher kaum sein, was zu einer Sequenz führt, die das MCU sogar in die Sphären eines Musicals katapultiert. Einen stimmigen Erzählrhythmus findet Filmemacherin DaCosta dabei jedoch nicht, wobei eine Welten vernichtende Kree-Kriegerin einerseits und die überbrodelnde Energie einer Teenager-Heldin, die endlich ihr Idol Captain Marvel live und in Farbe trifft, andererseits, nur schwer zusammenpassen. Verhalten sich dann Kamalas Familie und Nick Fury nicht wie Menschen aus Fleisch und Blut, mutet The Marvels sogar an wie eine Parodie. Dabei besitzt das Konzept durchaus Potential und der Kampf im Haus der Familie Khan ist bereits hinsichtlich der Choreografie nicht nur das Highlight des Films, sondern erstklassig umgesetzt. Doch dies läuft ebenso wie der Knuddelfaktor von Captain Marvels Haustier Flerken ins Leere, wenn die Hintergrundstory einen nicht unerheblichen Teil des Publikums nicht abzuholen vermag.

Selbst, wenn man die vielen, in anderen Marvel-Veröffentlichungen bereitgestellten Informationen verknüpfen kann und die handwerklich tadellose Inszenierung anerkennt, die Übergänge zwischen vielen Szenen wurden offenbar eingespart. So legen die Figuren von einem Schnitt zum nächsten große, aber nie in ihrem Ausmaß vorgestellte Strecken zurück, oder Kamala behält ihre Superheldenfähigkeiten, obwohl sie den Armreif, der sie ihr doch verleihen soll, nicht trägt. Dass keine der drei zentralen Charaktere in den vielen Kampfsituation jemals in die Defensive gerät, verstärkt nur den Eindruck, dass es sich hierbei kaum um klassische Protagonistinnen, als vielmehr um unverwundbare Comicfiguren handelt. Sämtliche Konflikte, die sie untereinander haben, werden sofort aufgelöst, eine tatsächliche Entwicklung findet nicht statt. Fans hingegen können sich auf eine Szene während des Abspanns freuen, die große Änderungen im MCU verheißt. Ob es dafür aber unbedingt The Marvels gebraucht hat, sei dahingestellt.


Fazit:
Diejenigen, die in diesem in sich verschränkten Universum fließend bewandert sind, kommen auf ihre Kosten und werden vermutlich dennoch mehr an der Weiterentwicklung der großen Hintergrundgeschichte interessiert sein, als an der wenig kohärenten Story, die Filmemacherin Nia DaCosta zum Leben erweckt. Ein Gelegenheitspublikum, das nur die Kinofilme gesehen hat, ist bereits in Anbetracht des Comicuniversums, in das man ohne Vorbereitung geworfen wird, beinahe hoffnungslos verloren. Das ist insbesondere in Anbetracht des Potenzials der Figuren, wie sie miteinander harmonieren, welche Unterschiede sie ausmachen und nicht zuletzt der sympathischen Besetzung dahinter überaus bedauerlich. Doch als eigenständige Geschichte funktioniert das nur mäßig und sämtliche Beteiligten vor der Kamera wirken kaum über die Maßen engagiert. The Marvels ist handwerklich gut umgesetzt, doch vermag der Comicfilm nie zu packen. Die Idee eines Teams von Superheldinnen, die tatsächlich zusammenarbeiten müssen, um sich gegen eine große Bedrohung zu wehren, klingt vielversprechend und interessant. Doch weder werden die Figuren hier so weit vorgestellt, dass man ihnen folgen möchte, noch ist ihre Herausforderung so groß, dass man mitfiebern muss, ob sie sie meistern werden. Schade.