No Hard Feelings [2023]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Juni 2023
Genre: Komödie

Originaltitel: No Hard Feelings
Laufzeit: 103 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Gene Stupnitsky
Musik: Mychael Danna, Jessica Rose Weiss
Besetzung: Jennifer Lawrence, Andrew Barth Feldman, Matthew Broderick, Laura Benanti, Natalie Morales, Scott MacArthur, Ebon Moss-Bachrach, Hasan Minhaj, Kyle Mooney


Kurzinhalt:

Als ihr Auto beschlagnahmt wird, ist es für Maddie (Jennifer Lawrence) eine Hiobsbotschaft. Als Fahrerin für Touristen in einem kleinen Ostküstendorf verdient sie ihren Lebensunterhalt vor allem im Sommer, aber ohne Auto kann sie kein Geld verdienen. Zusammen mit ihren Freunden Sara (Natalie Morales) und Jim (Scott MacArthur) stößt sie auf eine Internetanzeige. Darin suchen Laird (Matthew Broderick) und Allison (Laura Benanti) für ihren 19jährigen Sohn Percy (Andrew Barth Feldman) eine Frau. Percy soll in Kürze aufs College gehen und sie fürchten, dass der schüchterne Percy dort nicht durchstehen wird, wenn ihn nicht eine Frau zuvor „befreit“. Im Gegenzug bieten sie einen gut erhaltenen Wagen kostenfrei an. Es wäre die Lösung für Maddies Problem, doch bei ihrem ersten Aufeinandertreffen mit Percy, der von der Abmachung nichts weiß, fühlt sich dieser zutiefst unwohl und das Treffen endet in einem Fiasko. So forsch Maddie, so zurückhaltend ist Percy – dabei läuft ihr spürbar die Zeit davon, um die Sommersaison als Fahrerin noch mitzunehmen, und bevor Percy aufs College geht …


Kritik:
No Hard Feelings ist nicht die Art Komödie, die die Filmvorschau suggeriert. Noch wäre das vermutlich der Film, den Regisseur Gene Stupnitsky eigentlich erzählen wollte. Seine Geschichte behandelt zahlreiche aktuelle Themen und wenn sie sich ihnen auf eine ernstere Weise nähert, funktioniert das besser, als wenn ein auf derb gebürsteter Humor über die Story gestülpt wird. Dass dies am Ende trotzdem großteils funktioniert, ist maßgeblich der Besetzung zu verdanken, der man mehr wünschen würde, womit sie arbeiten kann.

Maddie Barker ist Anfang 30 und lebt ihr ganzes Leben in dem kleinen Küstendorf Montauk, östlich von New York. Seit einiger Zeit wird der Ort nicht nur in den Sommermonaten von Touristen überschwemmt, reiche Leute aus der Großstadt kaufen sich dort in Immobilien ein, was nicht nur die Preise insgesamt, sondern auch die Grundsteuern in die Höhe treibt. Weil sie die für das Haus, das sie von ihrer Mutter geerbt hat, nicht bezahlt hat, wird Maddies Auto für eine Pfändung beschlagnahmt. Doch da sie damit Touristen fährt und in den Sommermonaten ihr Auskommen für das ganze Jahr verdienen muss, ist der Entzug ihres Autos für Maddie eine Katastrophe. Als Maddie im Internet die Anzeige eines reichen Ehepaars sieht, das eine junge Frau sucht, die ihren schüchternen Sohn Percy aus seinem Schneckenhaus lockt, bevor er aufs College geht, und im Gegenzug einen gut erhaltenen Buick anbietet, ist sie zuerst skeptisch. Schließlich geht sie darauf ein und hat für sich beschlossen, zu tun, was notwendig ist, um den Buick zu bekommen.

Percy selbst weiß davon selbstverständlich nichts. Er ist 19 Jahre jung, sehr zurückgezogen, vergräbt sich in der Musik, die er spielt, in den Sozialen Medien oder Videospielen. Wirkliche Freunde hat er nicht, was auf ein traumatisches Erlebnis seiner Kindheit zurückzuführen ist. Seine Eltern organisieren sein ganzes Leben für ihn, kennen die Zugangspasswörter für Telefon und Internetdienste, überwachen ihn auf Schritt und Tritt – und wollen ihn nun zum Mann machen, ehe er aus dem Haus geht. Steht er am einen Ende des Spektrums, ist Maddie am anderen verortet. Sie hat keine festen Beziehungen, springt von Affäre zu Affäre und legt sich nicht fest. Körperliche Nähe ist für sie kein Problem, emotional bleibt sie jedoch distanziert. Sowohl sie als auch Percy sind sozial isoliert, nur jeweils auf unterschiedliche Arten und Weisen. Entsprechend holprig verläuft ihr erstes Treffen, als Maddie Percy im Tierheim aufsucht, in dem er für die Hunde zuständig ist. Ganz offen baggert sie, bietet sich dem merklich jüngeren Percy an, und als all dies nicht funktioniert, fährt sie ihn gezwungenermaßen nach Hause – in einem Lieferwagen, in dem sie ihm das Handy wegnimmt. No Hard Feelings zeigt in diesen Momenten abwechselnd subtilen Humor und slapstickartige, körperbetonte Gags, die in aller Regel anzüglich ausfallen. Manches hiervon funktioniert, anderes hingegen wirkt verkrampft, und das nicht, weil die Situation für beide Beteiligten so konstruiert erscheint.

Stupnitsky, der jahrelang an der preisgekrönten Comedy-Serie Das Büro [2005-2013] mitgearbeitet hat, versucht sich an einem Spagat, der nur bedingt funktioniert. Das auch deshalb, weil No Hard Feelings dazwischen immer wieder zeigt, was für eine Art Geschichte hier im Grunde verborgen liegt. Sieht man Percy, der sich zurückgezogen in seinem Zimmer beinahe ebenso unwohl zu fühlen scheint, wie bei seinem Aufeinandertreffen mit Maddie, sieht man den Kokon, in den er von seinen sogar bei der Kleidung farblich aufeinander abgestimmten Eltern seit der Geburt gehüllt wird, dann wirkt er in der wirklichen Welt schlicht verloren. Maddie hingegen bricht in seinen umzäunten Garten ein wie eine Planierraupe. Aufdringlich und geradezu unangenehm, ist sie einzig darauf aus, zu erreichen, was sie will. Sex ist für sie etwas, das sie abhaken, hinter sich bringen will. Dafür, dass ein verängstigter Mensch ihr gegenübersitzt, hat sie kein Verständnis. Sie trägt ihre forsche, oftmals beleidigende und abweisende Art wie ein Panzer vor sich her und sieht man ihn bröckeln, sind sich die beiden so unterschiedlichen Figuren doch überraschend ähnlich.

Singt Percy, nachdem Maddie ihn gezwungen hat, in einem vollbesetzten Restaurant den Kult-Pop-Song „Maneater“ von Daryl Hall und John Oates, entblättert der Text Maddies Persönlichkeit so treffend wie schneidend. Es ist eine tolle Sequenz, wie auch, wenn Percy Maddie analysiert und ihr unverblümt ins Gesicht sagt, weshalb sie Montauk nie verlassen hat. Doch solche Momente gibt es wenige und zu oft fällt die Komödie wieder in ein Fahrwasser zurück, das den Humor mit der Brechstange aufzwingen will. Dass hier meist absehbar ist, worauf die jeweilige Situation hinauslaufen wird, macht es nicht wirklich besser. No Hard Feelings präsentiert sich inhaltlich so unnötig wie überraschend uneinheitlich. Die durchweg gelungenen Darbietungen von Jennifer Lawrence und Andrew Barth Feldman verlangen nach deutlich mehr.


Fazit:
Sowohl Maddie als auch Percy sind nicht in der Lage, sich emotional auf andere Menschen einzulassen. Aber während Percy sich zurückzieht, kompensiert Maddie dies mit einer geradezu aggressiven Kurzzeitbeziehungsfreude, die sie letztlich immer allein bleiben lässt. Diese Beobachtungen der sozialen Isolation gelingen Regisseur Gene Stupnitsky ebenso gut, wie seine anderen Themen. Die Darstellung der Gentrifizierung ist, wenn auch nicht neu, doch richtig und auch die Fixierung unserer Gesellschaft auf Sex zur Definition des eigenen Status, ist gut gelungen. Die Absichten der Verantwortlichen wirken herzlicher, als man auf den ersten Blick vermuten würde, was an einigen tollen Momenten und einer engagierten Besetzung deutlich wird. No Hard Feelings ist ein besserer und besser gespielter Film, als es den Anschein hat, doch der absehbare inhaltliche Verlauf und der auf derb getrimmte Humor, der doch nicht einfallsreich oder mutig ist, lassen das Ergebnis mehr erzwungen als spaßig wirken. Schade.