Gran Turismo [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. August 2023
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Gran Turismo
Laufzeit: 135 min.
Produktionsland: USA / Japan
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Neill Blomkamp
Musik: Lorne Balfe, Andrew Kawczynski
Besetzung: Archie Madekwe, David Harbour, Orlando Bloom, Djimon Hounsou, Geri Halliwell, Daniel Puig, Darren Barnet, Josha Stradowski, Thomas Kretschmann, Maeve Courtier-Lilley, Richard Cambridge, Emelia Hartford, Pepe Barroso, Sang Heon Lee


Kurzinhalt:

Zum Missfallen seiner Eltern Steve (Djimon Hounsou) und Lesley (Geri Halliwell) hält Jann Mardenborough (Archie Madekwe) nach seinem Schulabschluss immer noch an seinem Traum fest, Rennfahrer zu werden. Jede freie Minute verbringt er in Onlinerennen der Videorennspielsimulation Gran Turismo. Eines Tages erhält er eine Einladung, bei einem Wettkampf teilzunehmen. Marketingexperte Danny Moore (Orlando Bloom) hat sich einen Clou überlegt, um die Automarke Nissan attraktiver zu machen. Die besten Simulationsrennspielerinnen und -spieler sollen gegeneinander antreten. Am Ende werden zehn Personen ausgewählt, die in wirklichen Rennwagen trainieren und Rennen bestreiten sollen. Als Trainer kann Danny den ehemaligen Profifahrer und Ingenieur Jack Salter (David Harbour) gewinnen, dem ein zweifelhafter Ruf vorauseilt. Es beginnt für Jann ein harter Auswahlprozess, an dessen Ende sein Traum stehen könnte. Doch die übrigen Bewerberinnen und Bewerber sind nicht weniger talentiert – und kämpfen wie die übrigen Fahrer auf der Strecke mit allen erdenklichen Mitteln …


Kritik:
Neill Blomkamps Gran Turismo ist ein merklich besserer Film, als man in Anbetracht des Umstandes erwarten würde, dass die wahren Begebenheiten, auf denen er basiert, einer langjährigen Videospielreihe entspringen. Einer Autorennspielsimulation zu allem Überfluss. Die Geschichte klingt zu weit hergeholt, um wahr zu sein, und sie verläuft zu absehbar, als dass sie vollends mitreißen könnte. Aber sie ist durchweg unterhaltsam und temporeich präsentiert, so dass man sich gern mitnehmen lässt.

Dass es sich dabei nicht um eine strikte Nacherzählung der wirklichen Vorkommnisse handelt, ist kein Kritikpunkt, sollte man jedoch im Hinterkopf behalten. Zahlreiche Wegstationen von Hauptfigur Jann Mardenborough wurden für die Leinwandadaption zusammengefasst und verkürzt dargestellt. Dass sich all dies teils vor mehr als 10 Jahren zugetragen hat, verschweigt der Film trotz einleitender und abschließender Erläuterungen außerdem. Erzählt wird Janns Geschichte, dessen Wunsch es von Kindesbeinen an ist, Rennfahrer zu werden. Nachdem er das Studium abgebrochen hat, jobbt er in einem Bekleidungsgeschäft, während er jede freie Minuten in die Titel gebende Videorennspielsimulation Gran Turismo investiert. Eines Tages erhält er eine Einladung, an einem Wettkampfrennen teilzunehmen. Es winkt nicht weniger, als die Aufnahme in die GT Academy in Silverstone, in der Simulationsfahrerinnen und -fahrer trainiert werden sollen, um in wirklichen Rennen zu bestehen. Es ist eine einmalige Chance, doch die Anforderungen sind unvorstellbar hoch und die Gefahr im Falle eines Crashs so real wie tödlich.

Der Wettbewerb wird organisiert von Marketingspezialist Danny Moore, der die Automarke Nissan im Rennsport wieder präsenter gestalten will. Er ist überzeugt von der Anziehungskraft, die die Rennspielsimulation Gran Turismo auf 80 Millionen Spielerinnen und Spieler weltweit ausübt. Ihr Realismus hinsichtlich Fahrphysik und der Detailtreue würde die Spiele dafür prädestinieren, dass wenn jemand virtuell besteht, die Person auch auf der wirklichen Rennstrecke gewinnen kann. Sein Vorschlag des Wettbewerbs wird angenommen, doch benötigt er einen Trainer, der die Sicherheit der Fahrerinnen und Fahrer gewährleistet. Die Wahl fällt auf den letzten Namen der Liste, den ehemaligen Profifahrer und Chefingenieur seit 15 Jahren, Jack Salter, der den zehn Gamern, die vor ihm stehen, jede Hoffnung nimmt. Zu anspruchsvoll das Training, zu enorm die körperliche wie psychische Belastung im Rennen, die sich nicht simulieren lässt. Diese Aspekte greift Regisseur Blomkamp gelungen auf und vermittelt seinem Publikum, wie eingeschränkt die Sicht im Cockpit, wie hoch der Anpressdruck beim Beschleunigen und wie kurz das Zeitfenster, Entscheidungen bei mehr als 300 km/h zu treffen, die Konsequenzen für einen selbst und die übrigen Personen auf und neben der Strecke haben können.

So wundert es nicht ,dass die Rennen, so verkürzt sie dargestellt werden, das Highlight von Gran Turismo sind. Dabei bemüht sich das Drehbuch merklich, Hauptfigur Jann und seinem späteren Mentor Jack Tiefe zu verleihen. Jann, dessen Vater durchaus Verständnis für die Träume seines Sohnes hat, aber befürchtet, dass dieser Luftschlössern hinterher jagt, ist durchweg sympathisch porträtiert, während Jack nur anfangs abweisend erscheint. Die harte Schule, durch die er seine Zöglinge schickt, basiert auf seinen eigenen Erfahrungen und David Harbour hat sichtlich Spaß an seiner Rolle.

Ebenso Neill Blomkamp bei der Inszenierung, die in den richtigen Momenten das Tempo anzieht, selbst wenn einige Zeitlupen zu viel eingestreut werden. Handwerklich ist Gran Turismo tadellos präsentiert, dabei durchaus einfallsreich, wenn Realität und Janns Spielerfahrung miteinander verschmelzen. Bedauerlich ist jedoch einmal mehr, dass man keine vollständige Runde irgendeines Kurses mit Jann im Cockpit verbringen darf. Aus seinen Augen heraus die wechselnden Anforderungen mitzuerleben, den Tunnelblick bei der Beschleunigung oder die vorbei rasenden Konkurrenten, hätte genau das geschaffen, was die Rennspielsimulation verheißt: Einen Blick aus der Sicht der Teilnehmenden heraus. Doch es scheint so, als wollten die Verantwortlichen das den Spielerinnen und Spielern vorbehalten.


Fazit:
Dass Filmemacher Neill Blomkamp letztendlich gelungen ist, was er sich anschickt, mit der Geschichte zu erzählen, bemerkt man bereits daran, dass man Jann und seinem Team um Jack und Danny schlussendlich den Sieg mehr als gönnen würde. Am Ende eines langen und harten Wegs wäre das Podium mehr als verdient. Diesem starken Finish ist es auch zu verdanken, dass man der Nacherzählung der wahren Ereignisse leicht verzeiht, dass sie zu einem nicht unerheblichen Teil Werbung für den Rennsport, einzelne Marken und auch das Titel gebende Videospiel darstellt. Selbst wenn sie mitunter inspirierend präsentiert ist. Gran Turismo ist toll umgesetzt, rasant inszeniert und nie langweilig, mit einigen berührenden Momenten. Die Story hingegen ist weder merklich einfallsreich oder übermäßig spannend, was das Tempo der einzelnen Rennen überwiegend aufwiegt. Nimmt man den Film als temporeiche Unterhaltung, dürfte er nicht nur für Gamer interessant sein. Das ist durchaus eine Überraschung.