Cocaine Bear [2023]

Wertung: 2.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 4. Oktober 2023
Genre: Komödie / Thriller

Originaltitel: Cocaine Bear
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Elizabeth Banks
Musik: Mark Mothersbaugh
Besetzung: Keri Russell, Alden Ehrenreich, O’Shea Jackson Jr., Isiah Whitlock Jr., Brooklynn Prince, Christian Convery, Ray Liotta, Margo Martindale, Jesse Tyler Ferguson, Kristofer Hivju, Hannah Hoekstra


Kurzinhalt:

Als Krankenschwester Sari (Keri Russell) einen Anruf von der Schule bekommt, dass ihre Tochter Dee Dee (Brooklynn Prince) zusammen mit ihrem besten Freund Henry (Christian Convery) den Unterricht schwänzt, hat sie eine Ahnung, dass Dee Dee in den nahegelegenen Wald aufgebrochen sein könnte. Dorthin macht sich auch Daveed (O’Shea Jackson Jr.) zusammen mit dem Sohn seines Bosses Eddie (Alden Ehrenreich) auf. Dessen Vater Syd White (Ray Liotta) hat eine große Menge an Kokain verloren, das in Päckchen über dem Nationalpark „abgeworfen“ wurde. Daveed und Eddie sollen die Drogen finden, worauf auch Polizist Bob (Isiah Whitlock Jr.) spekuliert, der Syd schon lange hinter Gittern sehen will. Vor Ort wendet sich Sari an Rangerin Liz (Margo Martindale), um die Kinder zu finden. Die nimmt Sari nur widerwillig mit dem von ihr angehimmelten Naturschützer Peter (Jesse Tyler Ferguson) mit, Dee Dee und Henry zu suchen. Alsbald sehen sie sich einem aggressiven Schwarzbären gegenüber, der offenbar das Kokain gefunden und gefressen hat. Es beginnt ein tierischer Amoklauf, bei dem der Bär alle dahinmetzelt, die zwischen ihm und noch mehr Drogen, oder allgemein in seinem Weg stehen …


Kritik:
Die Geschichte des Schwarzbären, der im Dezember 1985 an einer Überdosis Kokain gestorben ist, klingt so absurd, dass es überrascht, dass es so lange bis zu einer Filmadaption gedauert hat. Warum sich die Verantwortlichen hinter Elizabeth BanksCocaine Bear jedoch dazu entschieden haben, ausgerechnet diese fiktive Story um die Ausgangsidee zu erzählen, wird ihr Geheimnis bleiben. Ebenso, weshalb man sich entschied, die Geschichte auf diese Art und Weise zu erzählen. Das Ergebnis ist in den besten Momenten leidlich unterhaltsam – doch die sind erstaunlich rar.

Wie wenig das Konzept zusammenpasst, sieht man bereits daran, dass die in den 1980er-Jahren spielende Horror-Komödie mit einem Wikipedia-Zitat eingeläutet wird, obwohl die Online-Datenbank erst nach der Jahrtausendwende ihren Dienst aufgenommen hat. Abgesehen vom Soundtrack und einigen Kostümen, gelingt es Banks’ Inszenierung nicht, den Charme des Zeitkolorits heraufzubeschwören. Die Geschichte beginnt damit, dass der ehemalige Drogenermittler bzw. Anwalt und zum Drogenschmuggler gewordene Andrew C. Thornton II, dessen Hintergrund für den Film jedoch keine Rolle spielt, obwohl er deutlich interessanter wäre, aus hier unerfindlichen Gründen Sporttaschen mit Kokainpäckchen aus einem Kleinflugzeug abwirft, ehe er selbst hinterherspringt. Polizist Bob vermutet, dass die Drogen von Syd White stammen, den er bereits seit geraumer Zeit dingfest machen will und der die abgeworfenen Drogen suchen lassen wird. Während sich Bob in den Chattahoochee–Oconee National Forest aufmacht, über dem die Päckchen abgeworfen wurden, werden dort zwei Wanderer von einem Schwarzbären angegriffen, der nach dem Konsum eines Päckchens nicht nur aggressiv geworden ist, sondern auf seiner Suche nach mehr Kokain jeden tötet, der ihm in die Quere kommt.

Dieser Teil der Geschichte ist ebenso eine Erfindung wie die Erzählstränge um Drogenbaron White, der seinen Sohn Eddie zusammen mit Gehilfen Daveed nach Georgia sendet, um die Drogen wieder einzusammeln, oder derjenige um Krankenschwester Sari, deren Tochter beim Schulschwänzen mit Klassenkamerad Henry dem Bären über den Weg läuft. Abgesehen vom Bären selbst, von dem nicht bekannt ist, dass er im Drogenrausch irgendjemanden angegriffen hat, sowie dem Schmuggler, erzählt Cocaine Bear eine vollkommen erdachte Geschichte, was es umso schwerer macht, dem Ergebnis wohlwollend gegenüber zu stehen. Wären die Verantwortlichen an wahre Begebenheiten gebunden, könnte man wenigstens nachvollziehen, weshalb eine Reihe von Figuren vorgestellt werden, die jedoch kaum etwas zu tun bekommen. Sie alle teilen sich die ohnehin nur eineinhalb Stunden Laufzeit mit einem offensichtlich am Computer entstandenen Bären und sind in den allermeisten Fällen nicht mehr, als dessen dankbare Opfer. Wie dabei die Begegnung eines Menschen mit einem Schwarzbären auf Droge ausgeht, ist keine wirkliche Überraschung. Wohl aber, dass die Komödie das Ableben der Figuren überraschend grausam in Szene setzt.

Wer nicht darüber lachen kann, dass Jugendliche unbeabsichtigt erschossen werden, Wanderer mitansehen müssen, wie ihre Liebsten vor ihren Augen zerfetzt werden, oder Gesetzeshüter auf brutale Weise zu Tode kommen, wird es schwerhaben, hier mitzulachen. Regisseurin Elizabeth Banks hat in einem Interview gesagt, man könnte den Film als „die Rache des Bären“ sehen. So weit so gut, nur Rache gegen wen? Die allermeisten Opfer des Bären sind weder per se „schlechte Menschen“ noch für seinen Zustand verantwortlich. Um es anders zu sagen, würde sich der Bär an Syd White und seinen bösartigen Schergen rächen, die das Land mit Drogen überschwemmen, dann könnte man sich zumindest auf seiner Seite wähnen (sofern man die Moral vollständig außen vor lässt). So jedoch, ist das alles brutal, um der Gewalt willen, doch es ist die Brutalität, über die man dabei lachen soll. Dies ist ein bestimmtes Genre innerhalb der Horrorfilme, für das es sicherlich ein Publikum gibt. Irgendetwas an Cocaine Bear ernst zu nehmen, fällt schon auf Grund der absurden Ausgangsidee schwer, von der musikalischen Untermalung und den abstrusen Szenen ganz abgesehen. Doch im Gegensatz zu „leichtfüßigen“ Horror-Filmen wie Happy Deathday [2017], hat der bluttriefende Bär zu viel Spaß am Gemetzel selbst.

Handwerklich ist das kaum einfallsreich und in den meisten Momenten absehbar präsentiert. Die Geschichte verläuft in den Bahnen, die man erwarten würde und ist, neben hölzernen Darbietungen sowie vorhersehbaren Gags, gleichermaßen schwach wie die Figuren insgesamt. Kein einziger Handlungsstrang wirkt in irgendeiner Form relevant oder am Ende abgeschlossen, über Syds Einflussbereich oder seinen Verbindungen in die Ränge der Polizei erfährt man ebenso wenig, wie über Bobs Jagd auf ihn. Eddies gesamte Geschichte als trauernder Witwer, der seinen Sohn vernachlässigt, ist für die Art Film derart überfrachtet – und unnötig obendrein –, dass man sich fragt, wie es all dies in das endgültige Skript geschafft hat. Dass sich kaum eine Figur im Angesicht des Bären verhält, wie man sich tatsächlich verhalten würde, rundet das erzwungene Gesamtbild, das einzig auf die Prämisse zugeschnitten ist, nur ab. All das lässt Cocaine Bear an ein One-Hit-Wonder erinnern, das eineinhalb Stunden in Dauerschleife läuft, den Reiz aber schon nach 10 Minuten verloren hat. Da helfen auch die Szenen während des Abspanns nicht weiter, da man sich zuvor für die Figuren schon nicht interessiert hat. Und vom wirklichen „Cocaine Bear“, der in Kentucky ausgestellt ist, erfährt man letztlich ebenfalls nichts. Das scheint am Ende wie eine einzige, verpasste Chance.


Fazit:
Die Grundidee klingt, selbst für eine überdrehte Horror-Komödie, durchaus verlockend. Doch das Drehbuch von Jimmy Warden ist so sehr darauf fixiert, dass die menschlichen Figuren, mit denen man im Grunde mitfiebern sollte, nicht einmal Nachnamen zugeschrieben bekommen, geschweige denn irgendeinen Hintergrund oder Verhaltensweisen, der sie wie lebendige Wesen erscheinen ließe. So wird die Ausgangslage von Minute zu Minute dünner gestreckt, was dazu führt, dass sich die eineinhalb Stunden merklich lange anfühlen. Die Beteiligten bekommen kaum etwas zu tun, was insbesondere für Ray Liotta bedauerlich ist, der hier seinen letzten, vollständig abgedrehten Leinwandauftritt zum Besten gibt. Stattdessen konzentriert sich Filmemacherin Elizabeth Banks auf blutige Gewaltspitzen, die in ihrem Ablauf doch durchweg vorhersehbar bleiben. Cocaine Bear mutet wie ein harmloser, zynisch-überspitzter B-Film-Spaß an, dessen Spaß an der Grausamkeit selbst schon beim nicht genau darüber nachdenken sauer aufstößt. Die größte und vermutlich einzige Überraschung ist, dass ein großes Hollywood-Studio Zeit und Geld in einen Film um einen blutrünstigen Bären im Kokainrausch investiert hat. In Anbetracht der Beteiligten, ist das aber schlicht zu wenig.