Catch The Killer [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. Oktober 2023
Genre: Krimi / Thriller

Originaltitel: To Catch a Killer
Laufzeit: 119 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Damián Szifron
Musik: Carter Burwell
Besetzung: Shailene Woodley, Ben Mendelsohn, Jovan Adepo, Ralph Ineson, Richard Zeman, Dusan Dukic, Jason Cavalier, Nick Walker, Michael Cram, Rosemary Dunsmore


Kurzinhalt:

Die ausgelassene Stimmung des Silvesterabends in Baltimore wird jäh zerstört, als ein Heckenschütze in einem gegenüberliegenden Hochhaus insgesamt 25 Menschen ins Visier nimmt, 17 davon ermordet. Die junge Polizistin Eleanor Falco (Shailene Woodley) wird ebenfalls zum Tatort gerufen, die anschließenden Ermittlungen übernimmt das FBI unter Agent Lammark (Ben Mendelsohn) mit seinem Kollegen Jack Mackenzie (Jovan Adepo). Es gibt keine Spuren, keine Patronenhülsen und kein Bekennerschreiben. Während der politische Druck wächst, einen Täter zu präsentieren, holt Lammark Eleanor als Verbindungsbeamtin zwischen dem FBI und der örtlichen Polizei ins Team. Während sie darin eine Chance sieht, sich zu beweisen, erkennt Lammark ihre konfliktbehaftete Persönlichkeit und hofft, dass sie sich in den Täter hineinversetzen kann. Als eine weitere Bluttat die Stadt erschüttert, verdichten sich die Hinweise auf den Verantwortlichen (Ralph Ineson), doch wird Lammark zu Entscheidungen gezwungen, die die Gewalt nur weiter eskalieren lassen …


Kritik:
Das englischsprachige Spielfilmregiedebüt Catch The Killer des argentinischen Filmemachers Damián Szifron ist im Kern ein besserer Film, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Das Drehbuch versieht die Figuren mit vielen dunklen Facetten und die geradezu klassische Ermittlungsarbeit erweckt den Anschein, als würde es sich um die Verfilmung einer Romanvorlage handeln. Doch so chic die Inszenierung, sie ist auch deprimierend düster und lässt einen nur selten mitfiebern.

Die Geschichte beginnt in der Silvesternacht in Baltimore, als ein Heckenschütze unter dem Schutz der lauten Feuerwerksraketen insgesamt 17 Zivilisten im Hopkins Plaza Hochhaus ermordet. Die Opfer sind wahllos ins Visier genommen, jeder Schuss ein Treffer. Die junge Streifenpolizistin Eleanor Falco wird zum Tatort gerufen und sieht mit an, wie die Wohnung, aus der heraus geschossen wurde, in einer Explosion dem Erdboden gleich gemacht wird. Die Ermittlungen, den Täter zu fassen, leitet der erfahrene FBI-Agent Lammark mit seinem Team, der Eleanor als Verbindungsbeamtin zur örtlichen Polizei in Baltimore gewinnt. Doch die Suche nach dem Täter gestaltet sich schwierig, es gibt keine Spuren, keine Gemeinsamkeiten der Opfer und außer einem beunruhigenden Profil kaum Anhaltspunkte. Bis ein weiteres Massaker die Stadt erschüttert und Lammark auf politischen Druck hin eine fatale Berichterstattung zulässt.

Sieht man sich die politischen Dimensionen an, mit denen die Ermittlungsbehörden hier zu kämpfen haben, hört man – teils öffentlich, teils verdeckt – Kritik an gesellschaftspolitischen Gegebenheiten, verschwimmen bei Catch The Killer die bloße Widerspiegelung der Realität und das Beklagen derselben. Anstatt mit Beweisen auf dem Silbertablett konfrontiert zu werden, besteht die Ermittlungsarbeit daraus, Befragungen durchzuführen, Hinweisen zu folgen und sich ein immer genaueres Bild des Täters zu machen. Das erinnert mehr an Crime-Thriller vergangener Zeiten, als modernes Geschichtenerzählen, bei dem in fest vorgegebenen Abständen Actionszenen das Publikum unterhalten sollen. Dem läuft jedoch entgegen, wie die beiden tragenden Figuren angelegt sind. Lammark wird als Agent mit einer natürlichen Autorität von Ben Mendelsohn stark verkörpert, doch seine Karriere hat ihren Zenit überschritten. Was genau vorgefallen ist, wird nicht erwähnt und urplötzlich wird eine Erkrankung eingestreut, die jedoch für die Entwicklung des Charakters keine Rolle spielt. Eleanor hingegen hat seit jeher mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen. Vor Jahren hatte sich die Polizistin beim FBI beworben, war jedoch auf Grund ihres psychologischen Profils und zurückliegender Drogensucht nicht angenommen worden. Lammark erkennt in ihr nicht nur Potential, sondern auch einen Geist, der den persönlichen Abgründe des Schützen nicht unähnlich ist, was sie am ehesten dazu befähigt, sich in ihn hinein zu versetzen. Diese inneren Konflikte bringt Shailene Woodley in einer tollen Darbietung zur Geltung und verleiht der jungen Polizistin eine Traurigkeit, die beinahe jede ihrer Szenen erfüllt.

Diese Stimmung ist es auch, die Catch The Killer wie ein roter Faden durchzieht. So unbeschwert die Stimmung der Silvester-Partys zu Beginn, so jäh wird diese Freude zerstört und es ist ein Verlust, von dem sich auch die Inszenierung nicht erholt. Farbarm, die dunklen Szenen beinahe kontrast- und trostlos eingefangen, gestaltet Damián Szifron seinen unterschwellig brodelnden Krimi optisch geradezu hoffnungslos. Das heißt nicht, dass die Szenen nicht kompetent eingefangen wären, ganz im Gegenteil. Die Perspektiven sind allesamt gelungen, der Szenenaufbau, auch beim Finale selbst, wenn Eleanor dem Schützen schließlich gegenübersteht, ist erstklassig und atmosphärisch beunruhigend umgesetzt. Aber die Bilder machen den Thriller derart schwermütig, dass er sich anfühlt, als würde man durch einen Sumpf waten. Es ist eine Ausrichtung, mit der sich das Publikum anfreunden oder abfinden muss, will man diese durchaus interessanten Figuren auf ihrer Suche nach einem so methodischen wie bedrohlichen Mörder begleiten, dessen Motiv wie Identität lange Zeit ein Rätsel bleibt.

Gerade auf Grund dieser vielen gelungenen Ansätze ist es überaus bedauerlich, dass gerade das letzte Drittel unnötig in die Länge gezogen erscheint. Anstatt die Spannungsschraube anzuziehen, dann von Eleanor eine schnelle Entscheidung einzufordern, die sie auch als Persönlichkeit weiterbringen würde, stellt sie sich lediglich ihrem inneren Konflikt. Wie das besser gelingen kann, hat nicht zuletzt der Genreklassiker Das Schweigen der Lämmer [1991] gezeigt, von dem Szifron durchaus inspiriert scheint. An dessen atmosphärisch dichte Umsetzung kann Catch The Killer zwar nicht anknüpfen, als klassische Krimigeschichte ist er aber in vielen Belangen besser gelungen, als man in Anbetracht der zurückgenommenen Präsentation vermuten würde.


Fazit:
Die gesellschaftskritischen Aspekte, die das Drehbuch aufgreift, an dem Filmemacher Damián Szifron mitgeschrieben hat, treffen den Nagel erstaunlich oft auf den Kopf und richten sich zum großen Teil auch direkt ans Publikum. Anstatt Wege daraus aufzuzeigen, spiegelt die Geschichte selbige wider, was sie auch mit dem konfliktbehafteten Figuren, die von ihren Dämonen verschlungen werden, anstatt sie zu besiegen, nur umso hoffnungsloser erscheinen lässt. Die drei tragenden Charaktere, zu denen der so präzise mordende wie Furcht einflößende Schütze ebenso zählt, selbst wenn er lange Zeit mehr eine Präsenz als zentraler Bestandteil der Erzählung ist, sind überaus interessant und vor allem Eleanor zu begleiten, nimmt mehr mit, als die Story an sich, die ruhig und zurückhaltend präsentiert wird. Die insgesamt mehr als gelungene optische Ausrichtung ist so fokussiert, wie sie düster und dunkel geraten ist, die klassische Ermittlungsarbeit hingegen erinnert an Crime-Thriller einer vergangenen Zeit. Nicht zuletzt die teilweise überaus treffenden Dialoge und die starke Besetzung, die von Shailene Woodley und Ben Mendelsohn gleichermaßen veredelt wird, zeichnen Catch The Killer insbesondere für Genrefans aus. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer dichten, aber bedrückenden Atmosphäre belohnt. Hierfür sollte man in der richtigen Grundstimmung sein.