They See You [2024]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 6. Juni 2024
Genre: Horror / Fantasy

Originaltitel: The Watchers
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Ishana Shyamalan
Musik: Abel Korzeniowski
Besetzung: Dakota Fanning, Olwen Fouéré, Georgina Campbell, Oliver Finnegan, Siobhan Hewlett, Shane O’Regan, Hannah Howland, Alistair Brammer, Seán T. Ó Meallaigh, Anthony Morris, Cara Steele, Charles Camrose, Hannah Dargan, Kya Brame, Emily Dargan


Kurzinhalt:

In Gedanken bei einem schicksalshaften Jahrestag, der sie nicht loslässt, fährt Mina (Dakota Fanning) auf ihrem Weg in Irland in einen Wald, der immer immer dichter zu werden scheint, ehe urplötzlich der Motor ihres Autos ausgeht. Auch ihr Telefon ist unbrauchbar und da sich der Wagen nicht mehr starten lässt, steigt sie aus, um sich umzusehen. Doch dann ist auch das Auto nicht mehr auffindbar und noch während sie im Wald nach einer Lösung sucht, sieht sie Madeline (Olwen Fouéré), die durch das Unterholz zu einer im Wald verborgenen Tür läuft. Die Tür führt in das Innere einer aus Beton gebauten Hütte mit nur einem Zimmer, die an einen Bunker erinnert. Eine Wand besteht aus einem riesigen, von der anderen Seite durchsichtigen Spiegel. Während Mina, Madeline sowie Ciara (Georgina Campbell) und Daniel (Oliver Finnegan), die sich ebenfalls im Bunker befinden, nur sich selbst sehen, kann man vom Wald aus hineinblicken. Madeline klärt Mina über die Regeln auf, die zu beachten sind, möchte man im Wald überleben, denn sobald es dunkel wird, tauchen die „Beobachter“ auf, die die Menschen in dem Bunker studieren. Niemand, der bei Dunkelheit im Wald ist, wird es überleben und niemand kann aus dem Wald entkommen. Hier, so Madeline, sind die Menschen die Beute …


Kritik:
Das Spielfilmregiedebüt von Ishana Night Shyamalan, produziert von ihrem Vater M. Night Shyamalan, bei dessen letzten Filmen sie ebenfalls hinter der Kamera mitgewirkt hat, ist von Gegensätzen geprägt. Die Adaption von A. M. Shines Roman The Watchers aus dem Jahr 2021 beginnt nach einem unnötigen Prolog überaus stark, ehe die Geschichte den Figuren in ein buchstäbliches Erdloch folgt, aus dem They See You auch im übertragenen Sinne nicht mehr zu entkommen vermag.

Obwohl der Prolog eine Figur betrifft, die später noch wichtig wird, beschreibt er ein Szenario, das die eigentliche Spannung dessen, was Protagonistin Mina erwartet, nur vorwegnimmt. Mina, die das Geschehen aus dem Off einrahmt, erzählt von einem Wald in Irland, der auf keiner Karte verzeichnet ist und der einsame Seelen anzieht. Wer dort hineingeht, kommt nicht mehr heraus. Als Mina für die Tierhandlung, für die sie arbeitet, einen Vogel transportieren soll, gerät sie mit dem Auto in eben jenen Wald. Kurz darauf versagt der Motor und nachdem sie ausgestiegen ist, um nach dem Weg zu sehen, muss sie feststellen, dass das Auto verschwunden ist, als sie sich umdreht. Seltsame Geräusche im Unterholz und der aufziehende Nebel bei der hereinbrechenden Dunkelheit tragen zu Minas Gefühl bei, dass sie nicht allein ist und kurz darauf begegnet sie der weißhaarigen Madeline, die sie zu einem Bunker mitten im Wald führt. Dort befinden sich auch Ciara und Daniel und nachdem die Nacht gekommen ist, beginnt ein sich täglich wiederholender Alptraum. Eine Seite des Bunkers besteht aus einem einseitig durchsichtigen Spiegel und jede Nacht kommen „die Beobachter“ aus dem Wald, um die Menschen im Bunker zu studieren, die nur sich selbst sehen. Mehr sollte man über They See You nicht verraten, um die grundsätzlich nicht uninteressante Idee im Hintergrund nicht zu verderben, die sowohl einen Horror-Aspekt umfasst als auch Folklore.

Es dauert erstaunlich lange, ehe sich die Geschichte festlegt, in welche Richtung die Erklärungen führen, ob sie Fantasy oder Science Fiction betreffen. Die Stimmung, die Filmemacherin Shyamalan dabei erzeugt, erinnert an eine Mischung aus The Cabin in the Woods [2011] und Lost [2004-2010], ohne jedoch den Gruselfaktor des ersten oder das packende Mystery-Element des letzteren zu erreichen. Die seltsam schmatzenden, klackernden Geräusche der Beobachter erzeugen zusammen mit dem finsteren Wald, in dem Mina immer wieder Personen ihrer Vorstellung umher huschen sieht und Stimmen zu ihr flüstern hört, eine unheimliche Stimmung. Doch diese Atmosphäre trifft auf Figuren, mit denen es sich nicht wirklich lohnt, mitzufiebern, was maßgeblich daran liegt, wie They See You sie vorstellt und entwickelt. Hat Mina den Vogel anfangs unter ihre Fittiche genommen, erzählt sie ihm (und dem Publikum), dass ihre Mutter vor 15 Jahren verstorben ist und sie selbst kein guter Mensch sei. Kurz darauf wird sie von ihrer Schwester angerufen, die erneut betont, dass der Tod ihrer Mutter 15 Jahre her ist. Nicht erst im Wald angekommen, erklärt sich Mina in Monologen immer wieder selbst, beschreibt, was in ihr vorgeht und kommentiert Situationen, in denen es bedeutend spannender wäre, die durchaus engagierte Dakota Fanning dabei zu beobachten, wie sie ihre Figur mimisch zum Leben erweckt.

Ähnlich ergeht es den übrigen Charakteren, angefangen von Daniel, der in einem Moment, ohne Not, von seiner Vergangenheit erzählt. Auch Madeline offenbart ausschweifend Mina (und dem Publikum), was es mit dem Wald auf sich hat, was die Beobachter wollen und welche Regeln man beachten muss, um am Leben zu bleiben. Dass die Figuren währenddessen innehalten, was sie tun pausieren, um den jeweils monologartig vorgetragenen Szenen zu lauschen, macht das Geschehen nicht packender. Umso mehr, da They See You im Lauf der Erzählung immer mehr und ausführlichere Erklärungen zur Hintergrundgeschichte und der Mythologie liefert. Diese werden mehrmals erzählt, dann nochmals bildlich vor Augen geführt. Je fantastischer und abstruser die Erläuterungen, umso ernsthafter wird dabei die von Traumata heimgesuchten Figuren bevölkerte Geschichte, was Shyamalans Spielfilmdebüt als stimmungsvollen, wenngleich klischeehaften, Genrespaß disqualifiziert.

Demgegenüber steht eine Inszenierung, die nicht nur tolle Perspektiven in dem Bunker mit seiner Spiegelwand findet, sondern auch im Wald selbst oder den malerischen Landschaftsaufnahmen Irlands zu Beginn. Abgerundet wird dies durch eine Klangkulisse, die das Publikum merklich in dieser beengten Unterkunft einsperrt, als sei man den Launen der Beobachter ausgeliefert. They See You macht hier Vieles richtig und kann durchaus gefallen. Dazu zählen auch Einfälle wie die im Wald aufgestellten Schilder der „Punkte ohne Wiederkehr“, die jedoch eine andere Bedeutung haben, als man beim ersten Erblicken vermuten würde. Es ist vielmehr das Konstrukt, das all dies zusammenhält, das kaum überzeugen kann, gepaart mit Charakteren, die sich vollkommen weltfremd verhalten, wenn sie beispielsweise realisieren, dass sie geliebte Menschen verloren haben, aber keinen Moment traurig darüber scheinen. Mit diesen Personen mitzufiebern, fällt schlichtweg schwer, egal, wie stimmungsvoll dies eingefangen ist.


Fazit:
Man kann noch darüber hinwegsehen, dass die Figuren in einem Bunker ohne Wasser, Nahrung oder sanitäre Anlagen eingesperrt sind, dort aber offenbar monatelang überleben, ohne dass man ihnen dies körperlich ansehen würde. Dass Mina wiederholt auf Personen trifft, die ihr alles erklären, und sei es nur über Monitore, anstatt dass sie selbst etwas herausfinden darf, ist hingegen bereits eine formelhafte Erzählweise, die sich schnell abnutzt. Aber dass die Geschichte derart auf ihre fantasylastige Erklärung vertraut, diese in einer Detailfülle ausarbeitet, sorgt zusammen mit vielen klischeehaften Einfällen und Dialogen dafür, dass das unbekannte Mysterium des Anfangs vollends in sich zusammenfällt. Zahlreiche Kommentare aus dem Off erwecken den Eindruck, als seien sie nachträglich eingefügt worden, während die vielen Monologe dafür sorgen, dass man sich wie in einer Folklore-Vorlesung fühlt. Dabei pausieren die Charaktere, was sie gerade tun, was selbst packenden Situationen eine Trägheit verleiht, die die konstruierten Ideen nur noch offensichtlicher werden lässt. They See You ist handwerklich nicht nur tadellos und kompetent umgesetzt, sondern ein sehenswert gut fotografierter sowie von Dakota Fanning mit Engagement gespielter Fantasy-Horror, dessen Geschichte sich eher für einen Kurz-, denn einen abendfüllenden Spielfilm eignet. Die auch dank des Tons unheimliche wie drückende Atmosphäre täuscht jedoch nur bedingt über eine unausgegorene Story hinweg, die im letzten Drittel mit einer nicht überzeugenden Hintergrundgeschichte und verkrampft aufgesetzten Dialogen vollends entgleist.