Strange Way of Life [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Mai 2024
Genre: Drama / Liebesfilm / Western

Originaltitel: Extraña forma de vida
Laufzeit: 31 min.
Produktionsland: Spanien / Frankreich
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Pedro Almodóvar
Musik: Alberto Iglesias
Besetzung: Ethan Hawke, Pedro Pascal, George Steane, José Condessa, Jason Fernández, Pedro Casablanc, Manu Ríos, Sara Sálamo, Oihana Cueto, Daniela Medina


Kurzinhalt:

Die Zwickmühle, in der sich Sheriff Jake (Ethan Hawke) befindet ist erdrückend. Seine Schwägerin wurde vor drei Tagen ermordet. Nach dem Tod seines Bruders hatte Jake versprochen, sich um sie zu kümmern und nun bleibt ihm nicht mehr, als ihren Mörder der Gerechtigkeit zuzuführen. Doch dringend verdächtig ist Joe (George Steane), Sohn des Mannes, der gerade eben wieder in Jakes Stadt geritten kam – Silva (Pedro Pascal). Vor 25 Jahren haben sie einige Wochen in Mexiko gemeinsam verbracht. Es war eine Zeit, in der sie einander so nahe kamen, wie es Männern in ihrer Zeit nicht offen erlaubt ist. Ungeachtet ihrer gegenseitigen Anziehung, bleibt bei Jake die Unsicherheit, ob Silva, wie er behauptet, seinetwegen zurückgekommen ist, oder um seinen Sohn zu beschützen. Es ist eine Situation, die für Jake auf eine unmögliche Entscheidung hinausläuft. Für Silva, eine Liebe, die er nie vergessen hat, oder als Sheriff den Mörder seiner Schwägerin ins Gefängnis zu bringen …


Kritik:
Pedro Almodóvars Western-Kurzfilm Strange Way of Life lässt in seiner Laufzeit von weniger als 30 Minuten mehr charakterliche Tiefe erkennen, als viele abendfüllende Spielfilme. Doch so interessant und vielversprechend dieser Einblick in die Beziehung zwischen zwei Männern während der Zeit des „Wilden Westens“ ist, er lässt Kontext ebenso vermissen, wie ein tatsächliches Ziel. Wäre es nicht um die Darbietung der namhaften Besetzung im Zentrum, würde das enttäuschen.

Dabei unterliegt ein Kurzfilm nicht unbedingt der Struktur eines regulären Spielfilms und dass in der Kürze der Zeit nicht dasselbe Maß an Informationen und Hintergrundgeschichte geschildert werden kann, ist kein Kritikpunkt. Die Erzählung beginnt damit, dass Silva in die Stadt von Sheriff Jake reitet, an dem es liegt, den Mord an seiner Schwägerin aufzuklären. Seinem verstorbenen Bruder hatte Jake geschworen, auf seine Schwägerin Acht zu geben und so ist es im doppelten Sinne für ihn eine persönliche Angelegenheit. Gerade, als Jake sich aufmachen will, den mutmaßlichen Mörder zu suchen, sieht er sich einem alten Bekannten gegenüber: Silva. 25 Jahre haben sich die beiden Männer nicht gesehen, seit sie zusammen zwei Monate in Mexiko verbracht haben. Wochen, in denen sie sich näher kamen, als es in der Gesellschaft akzeptiert ist. Die Leidenschaft und das Gefühl von damals ist bei ihrem Wiedersehen sofort zurück – doch steht zwischen ihnen, was beide wissen und doch anfangs nicht zu sagen wagen. Denn Silvas Sohn Joe ist der Tatverdächtige in dem Mordfall. So bleibt die Frage, ob Silva wegen Jake zurückgekehrt ist, oder um das Leben seines Sohnes zu retten.

Dass diese beiden Männer etwas verbindet, bemerkt man bereits bei ihrem ersten Aufeinandertreffen und Strange Way of Life macht deutlich, wie vertraut sie trotz der langen Zeit, die sie voneinander getrennt waren, immer noch sind. Ihre Situation ist von Grund auf bereits kompliziert, so wie sie es war, als sie zuletzt zusammen waren. Was sollen zwei Männer alleine auf einer Ranch machen?, hat Jake Silva einmal gefragt. Anstatt die Antwort darauf zu suchen, haben sie sich den gesellschaftlichen Normen unterworfen und sind getrennte Wege gegangen. Es ist eine Entscheidung, die beide immer noch zu bereuen scheinen und sieht man die Blicke in ihren Augen, schwingt dort so viel Bedauern mit, dass es nicht überrascht, die Bitterkeit in Jakes Stimme zu hören. An ihm nagt überdies die grundsätzliche Frage, ob Silvas Rückkehr nicht einzig dem Umstand geschuldet ist, dass er seinen Sohn zu beschützen sucht und Jake entsprechend manipuliert.

Die beiden so unterschiedlichen Figuren, die gleichermaßen viel verbindet, wie sie voneinander trennt, erinnern sich jeweils am Lagerfeuer an ihre gemeinsame Zeit in Mexiko und man kann gerade dabei nicht umhin sich vorzustellen, wie viel mehr es hier zu erzählen gäbe. Die zwei Momente, die Strange Way of Life andeutet, gleichen nicht einmal einem verstohlenen Blick, dem doch jeglicher Kontext fehlt. Gleichzeitig gelingt es den beiden Darstellern des jüngeren Silva bzw. Jake nicht, ein solches Charisma zu versprühen, wie es Pedro Pascal und Ethan Hawke vermögen, die auf eine kurze, gemeinsame Periode in ihrem Leben zurückblicken, die sie so nachhaltig geprägt hat. Ob der Rückblick insofern überhaupt notwendig ist, oder man den beiden Protagonisten nicht eher mehr Zeit hätte geben sollen, darf man zumindest hinterfragen.

Die Geschichte führt schließlich zu einem Dilemma, dem sich die Beteiligten gegenübersehen und aus dem es kein einfaches Entkommen gibt. Doch anstatt dieses aufzulösen, wenigstens eine der beiden Figuren zu entwickeln, lässt Filmemacher Almodóvar sein Publikum just in dem Moment zurück, in dem sie zu einer Entscheidung kommen müssten. Das macht es auch ein wenig schwer festzustellen, an welches Publikum sich Strange Way of Life letztlich richtet. Die Idee, eine solche Geschichte in jener Zeit zu erzählen und zwei Männer ins Zentrum zu rücken, die sich weder ihren eigenen Gefühlen, noch denjenigen dem jeweils anderen gegenüber stellen dürfen, ist durchaus gelungen. Auch gelingt es den beiden Hauptdarstellern eindrucksvoll, ihre konfliktbehafteten Charaktere greifbar zum Leben erwecken. Doch so tadellos grundsätzlich die handwerkliche Umsetzung, die Ausstattung sowie Kleidung erscheinen einem Werbeclip gleich stilisiert und die Geschichte besitzt kein tatsächliches Ziel, sondern endet, bevor die Figuren sich ihrem Konflikt stellen müssen. Umso mehr frag man sich, was hier möglich gewesen wäre, hätte Filmemacher Pedro Almodóvar mehr Zeit gehabt, seine Geschichte zu erzählen. So wirkt sie beinahe wie ein Epilog für das Schaffenswerk des Mittsiebzigjährigen.


Fazit:
Dass Vieles in einem halbstündigen Kurzfilm nur angedeutet wird, kann man den Verantwortlichen nicht zum Vorwurf machen. Wohl aber, was sie sich entscheiden, in der knappen Laufzeit zu erzählen. Anstatt den beiden tragenden Figuren bei ihrem Wiedersehen nach 25 Jahren entsprechend Raum zu geben, die Bitterkeit und Enttäuschung in entblätternden Dialogen herauszuarbeiten, zeigt Filmemacher Pedro Almodóvar in Rückblicken die körperliche Anziehung von Jake und Silva. Dabei würde es die unterschiedlichen Positionen der beiden Männer eher erklären, wüsste man, wer sich damals gegen den anderen entschieden hat. Ungeachtet der stellenweise aufdringlich eingespielten Musik, ist das Western-Kurzfilmdrama handwerklich tadellos eingefangen und lässt der starken Besetzung den Raum, in den von ihren Erfahrungen gegerbten Gesichtern Bedauern und Sehnsucht gleichzeitig zu zeigen. Hatten sie bei ihrer letzten Begegnung nicht den Mut, ein gemeinsames Leben bestreiten zu wollen, könnte sich dies nun mit der Reife ihres Lebens geändert haben. Durchaus stimmungsvoll und melancholisch getragen, ist Strange Way of Life als Blick auf eine unerfüllte Liebe in einer Zeit, in der diese gesellschaftlich nicht akzeptiert war, eine Ermunterung, das Leben zu führen, das man anstrebt – anstatt abzuwarten. Nur fehlt neben tiefergehenden Dialogen und einhergehend mit einer fehlenden charakterlichen Entwicklung auch ein richtiger Schluss. Das ist durchaus schade.



Strange Way of Life-Packshot Strange Way of Life
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