A Quiet Place: Tag Eins [2024]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Juni 2024
Genre: Science Fiction / Horror / Drama

Originaltitel: A Quiet Place: Day One
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Michael Sarnoski
Musik: Alexis Grapsas
Besetzung: Lupita Nyong’o, Joseph Quinn, Alex Wolff, Djimon Hounsou, Eliane Umuhire, Thea Butler, Jennifer Woodward, Sunjay Midda


Kurzinhalt:

Es sollte einer der letzten Ausflüge der schwerkranken Sam (Lupita Nyong’o) sein, als sie zusammen mit Pfleger Reuben (Alex Wolff) und der Patientengruppe des Hospiz, in dem sie ist, New York City besucht. Doch dann fallen Objekte vom Himmel auf die Stadt herab und bringen eine ungeheure Zerstörung mit sich. Aus dem Schutt und der Asche erhebt sich der wahre Horror: Tod bringende Wesen, die von Geräuschen angelockt werden. Während die übrig gebliebenen Helikopter des Militärs eine Evakuierung ankündigen und die Überlebenden, darunter Henri (Djimon Hounsou) mit seiner Familie, auffordern, sich zum Wasser zu begeben, entscheidet sich Sam, eine letzte Reise zu einem Ort ihrer Kindheit in Harlem anzutreten. Durch ihre Katze wird sie auf dem Weg mit Eric (Joseph Quinn) zusammengebracht, der sich ihr anschließt. Sie finden sich in einer Welt wieder, in der die Menschen nicht mehr die stärkste Kraft sind. Eine stille Welt – in der für Sam überlebenswichtige Schmerzmedikamente rapide zur Neige zu gehen …


Kritik:
Die Verantwortlichen von A Quiet Place: Tag Eins finden sich in einer durchaus absehbaren Zwickmühle wieder, aus der sie keinen wirklichen Ausweg finden. Nach zwei so überraschenden wie intensiven Science Fiction-Filmen, die eine ganz andere Herangehensweise als sonstige Genrevertreter wählten, können sie sich beim dritten, inhaltlich früher angesiedelten Teil der Reihe entscheiden, entweder einen ganz anderen Weg zu gehen und mit den vorigen Filmen zu brechen, oder diese gewissermaßen zu wiederholen. Sie entscheiden sich für den zweiten Weg, so dass Regisseur Michael Sarnoskis Erzählung nur allzu vertraut erscheint. Das vermögen auch die preiswürdig starken Darbietungen nicht aufzuwiegen.

Setzte Filmemacher John Krasinski in A Quiet Place [2018] mehr als ein Jahr später an, nachdem Tod bringende Aliens auf der Erde angekommen waren und schilderte das Leben einer Familie abseits der großen Städte, erzählt A Quiet Place: Tag Eins, wie der Titel bereits verrät, auch vom ersten Tag der Alien-Invasion. Anstatt die Isolation aus Sicht und den Überlebenskampf einer Familie zu verdeutlichen, steht hier die sterbenskranke Sam im Mittelpunkt. In einem Hospiz in der Nähe von New York wartet sie auf den Tod. Die Zeit ist einzig durch starke Schmerzmittel erträglich – und ihre Katze. Es geschieht, als sie mit anderen Patientinnen und Patienten der Einrichtung eine Show in New York besucht: seltsame Objekte, einem Meteoritenregen gleich, fallen vom Himmel, ehe klangempfindliche, außerirdische Wesen die Stadt verwüsten und alle Menschen, die nur einen Ton von sich geben, dahinraffen. Sam mag dem sicheren Tod geweiht sein und mit ihrer Existenz abgeschlossen haben, doch in dieser Situation siegt ihr Lebenswille. Nach dem ersten Angriff macht sie sich auf, einen Ort ihrer Kindheit zu suchen, eine Pizzeria, wo sie einst oft mit ihrem verstorbenen Vater gegessen hat. Unterwegs trifft sie unter anderem auf Eric, der ihr folgt, weil er niemand anderen hat und selbst an diesem stillen Ort die Angst vor der Einsamkeit noch größer als die vor dem Tod ist.

Selbst wenn die Filmvorschau etwas anderes suggeriert, wer hofft, A Quiet Place: Tag Eins würde in größerem Umfang die eigentliche Invasion der Außerirdischen thematisieren, der irrt. Von dem Moment der Ankunft der fremden Wesen ist im Film tatsächlich nicht mehr zu sehen, als die Vorschau bereits verrät. Auch sonst gewährt Filmemacher Sarnoski, der zudem das Drehbuch schrieb, kaum neue Einblicke oder verrät überhaupt mehr, die Kreaturen betreffend, die auf Töne reagieren. Es gibt eine Szene, in der Eric ihnen auf der Suche nach Medikamenten für Sam näher kommt, als ihm recht ist. Doch was man dabei zu sehen bekommt, vermag man gar nicht einzuordnen, weil die Zusammenhänge nicht erläutert werden. Die Idee, die ungeheure und tödliche Zerstörungskraft der bekannten Außerirdischen in einem dicht besiedelten Areal zu zeigen, klingt interessant, und wenn sich eine große Gruppe Menschen durch die Straßen zu einem Evakuierungspunkt auf-, dabei aber entsprechend laute Geräusche macht, lässt der bedrohliche Science Fiction-Film erkennen, was für ein Potential in der Geschichte steckt. Doch das Meiste, das geschieht, ist nicht zu sehen, sondern verschwindet hinter dicken Rauch- und Nebelschwaden, die die Szenerie die allermeiste Zeit durchziehen. Die spannenden Momente selbst folgen dabei dem Muster, das sowohl Teil eins als auch A Quiet Place 2 [2020] schweißtreibend eindrucksvoll zum Leben erweckt haben.

Tatsächlich unterscheidet sich A Quiet Place: Tag Eins überwiegend hinsichtlich der Figuren von dem, was bislang erzählt wurde. Dass Sam erst nach etwa der Hälfte überhaupt auf Eric trifft, die Personen, denen sie zuvor begegnet, nur untergeordnete Rollen spielen, macht es jedoch schwer, eine Dynamik zwischen diesen später fest verbundenen Charakteren zu entwickeln. Hinzu kommt, dass man über Sam wenig erfährt, über Eric überhaupt nichts. Was ihre gemeinsamen Momente auszeichnet, insbesondere im Angesicht der Kreaturen, ist dem Umstand geschuldet, dass Eric eher ängstlich auftritt, während Sam im Grunde nichts zu verlieren hat, aber auch nicht sterben will. Regisseur Sarnoski vertraut Lupita Nyong’o und Joseph Quinn Momente an, die ohne ihr Engagement kitschig wirken könnten, doch das Gegenteil ist hier der Fall. Beide verleihen ihren kaum definierten Figuren eine Tiefe und ihren Darbietungen einen Facettenreichtum, den man kaum für möglich hält. Insbesondere Nyong’os Porträt von Sams letzter Reise (und dies ist nicht als Spoiler gemeint) ist preiswürdig und sehenswert.

Der Rest von A Quiet Place: Tag Eins setzt hingegen auf bekannte Elemente, die darüber hinaus mehrmals wiederholt werden. Alltägliche Umgebungen, denen durch die unnatürliche Stille etwas Fremdartiges anmutet und in denen eine der Kreaturen mit lautem Geräusch einen Schreckmoment erzeugen soll, beispielsweise. Oder ein Alptraum, der mit einem wenig funktionierenden Schreckmoment endet. Ersteres geschieht so oft, dass selbst wenn die jeweiligen Situationen durchaus unheimlich und packend sind, ihr Verlauf doch allzu absehbar bleibt. Ungeachtet der oftmals sichtbaren Trickeffekte der zerstörten Stadt, ist der Science Fiction-Film gut gefilmt, in einigen Momenten wie dem Besuch der Marionettenshow zu Beginn oder mit Sam und Eric im Jazz-Club, sogar außergewöhnlich gut. Doch die Story wird weder dem Potential vollends gerecht, noch den beiden vorigen Filmen. Abgesehen davon, dass viele Ideen nicht weiterverfolgt oder erklärt werden, wozu auch zählt, dass es keinen Sinn zu ergeben scheint, New Yorks Brücken zu sprengen, wenn bereits bekannt ist, dass die Kreaturen überall auf der Welt angekommen sind. Es bewirkt nicht mehr, als die Menschen in Manhattan zu isolieren und ihrem Schicksal zu überlassen. Dass die Verantwortlichen dem Publikum so viel Zeit geben, hierüber nachzudenken, anstatt es durch die lebensbedrohende Situation zu fesseln, ist in gewisser Weise sogar ein wenig enttäuschend.


Fazit:
Hervorragend gespielt, allen voran von Lupita Nyong’o, erzählt die Geschichte ein Kapitel, das man sich allerdings genau so vorgestellt hat, wie es präsentiert wird. Trotz des Schauplatzes fehlt ein Gefühl des Umfangs der Katastrophe, das beispielsweise Steven Spielbergs Krieg der Welten [2005] geprägt hat. Tadellos und stellenweise einfallsreich gefilmt, fügt A Quiet Place: Tag Eins dem bisherigen Mysterium der außerirdischen Wesen zu wenig hinzu (und erläutert das Gezeigte zudem nicht), um sich von den vorigen Teilen abzugrenzen. Für eine packendes Drama, auf das die Geschichte spürbar mehr setzt, als den Science Fiction-Aspekt, der erst in der zweiten Hälfte kurz in den Mittelpunkt rückt, fehlt es zudem an einer Vertiefung der beiden zentralen Figuren, über die man zu wenig erfährt. Einige Momente, darunter das starke Finale, lassen erahnen, wie mitreißend dies hätte sein können und man fragt sich zum Schluss, ob die Geschichte der von Djimon Hounsou toll gespielten Nebenfigur dem nicht eher Rechnung getragen hätte, die in ihrem kurzen Auftritt eine Entscheidung treffen muss, die sein Leben fortan prägen wird. Doch das klingt negativer, als es gemeint ist. Wer die bisherigen A Quiet Place-Filme kennt, wird sich in Michael Sarnoskis drittem Teil der Reihe sofort zurechtfinden. Er bleibt der grundsätzlichen Stimmung treu und dass er erneut auf Stille statt Action setzt, ist kein Kritikpunkt. Es wird nur durch die Vorschau eine andere Erwartungshaltung vermittelt und man hat all das in den vorigen Filmen bereits gesehen.