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Zwischen den Zeilen beginnt die Jagd | von Jens am 14.06.2010, um 09:00 Uhr. |
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Wie dem auch sei, der ursprünglichen Meldung, es wäre ein Etappensieg gegen die Großkonzerne errungen worden, folgte eine Schlagzeile, die weitaus weniger Beachtung fand, nämlich dass die hiesigen Innenminister darauf drängen, rasch eine Regelung zu finden, um wieder Zugriff auf Telefonverbindungsdaten zu erhalten. Man erinnere sich, es wurde als Bereicherung für den Schutz der Privatsphäre gewertet, als das Bundesverfassungsgericht die "Vorratsdatenspeicherung" kippte. Nun wird mit Hochdruck daran gearbeitet, das Kind umzutaufen, um es dennoch zuzulassen. Angeblich würde die Strafverfolgung darunter leiden, so die Begründung der Innenminister von Bund und Ländern. Nur wie viele Straftäter denn überhaupt mittels auf dieser Art und Weise beschafften Daten überführt werden konnten, eine Frage, die sich ebenso auf die umstrittene Onlinedurchsuchung anwenden lässt, darüber schweigen sich die Politdamen und –herren aus. Auch Ilse Aigner hat sich über die Datenschutzrechtlichen Auswirkungen einer umgetauften Vorratsdatenspeicherung ausgeschwiegen.

Im Sinne der Anbieter ist es somit vielleicht, dass viele archivierte Meldungen und Beiträge in Zukunft gar nicht mehr verfügbar sein werden. Der WDR beispielsweise ist bereits dazu übergegangen, sein Internetangebot an Sendungen und Artikeln merklich auszudünnen. Die Bundesländer hatten sich Ende 2008 darauf geeinigt, dass aus dem Internetangebot der Öffentlich Rechtlichen Sendeanstalten TV-Sendungen nach sieben Tagen verschwinden müssten, Sportveranstaltungen sogar schon nach 24 Stunden. Angekaufte Sendungen und Spielfilme dürften gar nicht erscheinen. Wer sich also an eine Dokumentation aus dem letzten Winter erinnert, die seither nie mehr ausgestrahlt wurde, wird sie vermutlich auch nicht mehr online finden. Was dann in der Mediathek der Sendeanstalten überhaupt erhalten bleibt, ist abzuwarten. Das Vorgehen erinnert aber nicht von ungefähr an eine digitale Bücherverbrennung unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung der privaten Medienanstalten, deren Bildungsinhalte sich meist auf Promi-Chiuaua-News oder private Schnappschüsse von C-Sternchen beschränken.
Wer dabei wirklich das Zepter in der Hand hält, erkennt man an Meldungen wie dass der Bund gerichtlich an einer Rückzahlungsforderung gegenüber dem Handyhersteller Nokia gescheitert ist. 2004 hatte Nokia noch Fördermittel für das Werk in Bochum in Höhe von 1,3 Millionen Euro erhalten, nur um das Werk 2008 zu schließen. Da allerdings nicht vertraglich festgehalten worden war, dass Nokia eine bestimmte Zeit lang den Standort hätte sichern müssen, wiesen die Richter die Klage auf Rückzahlung ab. Ein weiteres Beispiel für die wahren Machthaber ist ein Kommentar des Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann, der meinte, eine stärkere Regulierung der Banken auf internationaler Ebene, wie sie derzeit geplant ist, um einen weiteren globalen Bankenkollaps zu verhindern, würde Arbeitsplätze und Wachstum kosten – was in anderen Worten so viel bedeutet wie wenn die Regierung eine Regulierung des Finanzsektors beschließt, werden Stellen abgebaut.
Es sind immer wieder kleine, spitze Bemerkungen und Kommentare, die in der Tagespresse nur beiläufig zu finden sind und auch selten auf den ersten Seiten stehen. Doch sind sie es, die unser Leben letztlich am meisten beeinflussen. Manchmal finden sich auch Berichte, die den Nerv der Zeit treffen, beispielsweise wenn ein Journalist von einer Generation spricht, die mit befristeten Arbeitsverträgen zu ständigem Ansporn bis hin zur Selbstaufgabe geknebelt wird. Man findet darin Parallelen zu einer Realität, in der die Menschen mit Terrorwarnungen und Horrormeldungen in ständiger Angst gehalten werden. Immer unter Spannung und kurz, bevor einem die Luft ausgeht – denn wer mit einem Tunnelblick, nur aufs eigene Überleben konzentriert, durch die Welt rennt, der ist leichter zu lenken.

Umso wichtiger ist, dass wir in einer Zeit von Instant-Status-Updates via Facebook, Twitter und Konsorten, die uns zu einer nicht enden wollenden Aufholjagd mit einer Wirklichkeit verdammen, von der wir öfter nur gern ein Teil wären, als dass wir ein Teil davon sind, die Notbremse ziehen. Es ist Zeit, langsamer zu gehen, um zwischen den Zeilen der überwältigenden Informationsflut tatsächlich diejenigen Elemente herauszufiltern, die überhaupt wichtig sind. Schlimm genug, wenn viel zu oft der Kern einer Aussage im weißen Hintergrundrauschen des übrigen Newsgebrülls untergeht.
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