Phase IV [1974]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. September 2011
Genre: Science Fiction

Originaltitel: Phase IV
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1974
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Saul Bass
Musik: Brian Gascoigne
Darsteller: Michael Murphy, Nigel Davenport, Lynne Frederick, Alan Gifford, Robert Henderson, Helen Horton


Kurzinhalt:
Nach einem außergewöhnlichen kosmischen Ereignis beobachtet der Wissenschaftler Dr. Ernest D. Hubbs (Nigel Davenport) ein seltsames Verhalten bei einer Ameisenkolonie. Diese scheinen sich auf intelligente Art und Weise zu gruppieren und auszutauschen. Als er James R. Lesko (Michael Murphy) hinzuholt, um mit ihm in einer kleinen Forschungsstation die Tiere weiter zu beobachten, soll ihm Lesko dabei helfen, die Verhaltens- und Bewegungsmuster der Insekten in Sprache zu übertragen.
Doch um die Tiere aus der Reserve zu locken, zerstört Hubbs von ihnen erbaute, seltsam anmutende Obelisken. Das hat zur Folge, dass sich die Ameisen nicht nur gegen die Menschen in der Umgebung richten und die junge Kendra Eldridge (Lynne Frederick) in die Forschungsstation flieht, sondern bei dem Kräftemessen der Menschen gegen die Ameisen, scheinen die Sechsbeiner immer einen Schritt voraus zu sein. Schließlich kommt die Frage auf, wer hier im Experiment wen studiert und manipuliert ...


Kritik:
Phase IV ist ein Film, der sich deutlich interessanter anhört, wenn man über ihn spricht, als er eigentlich ist. Auch hat er in der Erinnerung merklich gewonnen, mehr als er nach erneutem Ansehen tatsächlich rechtfertigt. Es ist eine Science Fiction-Idee, die ihre Wurzeln offensichtlich tief in den 1970er Jahren hat, was jedoch kein Kritikpunkt ist. Allerdings verpackt Regisseur Saul Bass, der sich nicht nur als Grafikdesigner einen Namen machte und zahlreiche bekannte Logos entwarf, sondern beim Film auch Poster und Vorspann-Designs beispielsweise bei Psycho [1960] und Der unsichtbare Dritte [1959] gestaltete, die Geschichte in eine Präsentation, deren Prolog und Epilog ähnlich wie bei Stanley Kubrick Anlass zur Spekulation bieten, dazwischen aber auf eine ermüdende Art und Weise langatmig geraten ist. Die vertraut und dennoch unwirklich klingende Musik von Brian Gascoigne tut ihr Übriges dazu.

Die Grundidee, und das mag für Filmfans im ersten Moment wie ein Sakrileg klingen, würde sich für ein Remake außerordentlich gut eignen. Man stelle sich vor: Eine kleine Forschungseinrichtung mitten in der Wüste untersucht Veränderungen, die in der Organisation eines Ameisenstaates beobachtet wurden. Dann gerät die Situation außer Kontrolle, die Insekten schotten das Forscherteam ab, Fluchtversuche und Angriffe mit Insektizid, welche den Ameisen eigentlich den Garaus machen sollten, schlagen fehl, weil sich die Tiere zu schnell anpassen. Welche Chance hätten wir denn an Stelle der Forscher, wenn sich die Insektenvielfalt tatsächlich entschließen sollte, die Menschen als Feinde ins Visier zu nehmen? Zahlenmäßig sind wir weit unterlegen und nicht zuletzt durch die Größe hätten sie einen taktischen Vorteil.
Phase IV versucht eben jenen Ansatz zu erläutern, beginnt jedoch mit einer unbeholfenen Einleitung, die uns eine abstrakte Geschichte mit noch schablonenhafteren Figuren vorstellt. Über die beiden Wissenschaftler erfahren wir kaum etwas. Dabei über Lesko mehr als über Hubbs. Auch die angrenzende Farmerfamilie Eldridge wird nicht beleuchtet. Ihr Schicksal berührt uns umso weniger, da wir ihre Motivation auch nicht verstehen. Wovon wird Hubbs angetrieben? Geht es ihm darum, die Menschheit voran zu bringen, oder nur den eigenen Ruhm zu mehren? Wie lange dauert das Experiment überhaupt schon an, wann wurden die ersten Beobachtungen gemacht? Wir haben so viele Fragen, die keine Antwort finden, dass uns die wenigen Antworten auf Fragen, die wir gar nicht stellen, nicht übermäßig interessieren.

Wenn nach kurzer Zeit im Film Dr. Hubbs die Obelisken der Ameisen sprengt, um sie zu einer Reaktion zu provozieren, hegt man als Zuseher eher Sympathien für die Insekten, denn für die Menschen. Zumal beide Hauptdarsteller, Michael Murphy wie Nigel Davenport, den Genrekonventionen jener Zeit folgend, so hölzern spielen, dass man meinen könnte, ihr eigenes Schicksal würde sich gar nicht berühren.
Die Ameisen reagieren auf die Provokation und schließen die Menschen in ihrer eigenen, futuristisch anmutenden Forschungsstation ein. Sie scheinen genau zu wissen, wo sie zuschlagen müssen, um die Menschen zu treffen. Sie passen sich biologisch in einer rasanten Art und Weise an, was zu der Frage führt, in welcher Geschwindigkeit sie lernen. Saßen sie bislang im Glashaus unter Beobachtung der Wissenschaftler, kehren sie dieses Verhältnis um, so dass die Protagonisten unter dem Mikroskop landen. Wer erforscht also wen? Und mit welchem Ziel? Inhaltlich ist dies hochinteressant, nur durch die spärlichen Dialoge und die Bilder unerwartet langatmig, so dass man das Zeitgefühl verliert und immer wieder auf die Uhr sieht. Verstärkend kommt noch hinzu, dass die Figuren unverständlich reagieren, was es auch schwierig macht, mit ihnen mitzufiebern. Phase IV erinnert durch die psychedelische Bildkomposition in manchen Momenten ein wenig an Arthouse-Produktionen jener Zeit. Das wäre nicht negativ zu werten, würde man denn die Bedeutung immer nachvollziehen können. Doch legte das Studio selbst Hand an und schnitt insgesamt neun Minuten heraus, wobei auch das Finale stark verändert wurde. Der damals veröffentlichte Filmtrailer beinhaltet einige jener Szenen, wobei die von Bass beabsichtigte Kernaussage wohl in der Kinoveröffentlichung erhalten blieb.
Was der Regisseur mit seinem einzigen Abend füllenden Spielfilm aussagen wollte, welche Ideen er dem Publikum mitgeben möchte, ist dabei durchaus erkennbar und ihnen ist es auch zu verdanken, dass der Science Fiction-Film nach seinem Kinomisserfolg dennoch eine treue Gefolgschaft aufgebaut hat. Nur überzeugt er auch nach immerhin 40 Jahren mehr durch das Potential, das durchblitzt, als durch die Umsetzung.


Fazit:
Es ist eine gewisse überraschte Enttäuschung, die sich einstellt, wenn man nach vielen Jahren Phase IV erneut ansieht. Mit einer packenden Erzählung hat der Science-Fiction-Film leider wenig gemein. Vielmehr sieht man die bedeutungsschwangere Handschrift der 1970er Jahre, die in ihrer Umsetzung aus heutiger Sicht auf eine beinahe schon schmerzliche Art und Weise zeitgebunden ist.
Gewohnt hölzern gespielt, interessieren die Figuren nur am Rande. Sie sind Mittel zum Zweck einer Aussage, die sich interessanter und vielschichtiger anhört, als sie dargebracht ist. Das macht die Umsetzung von Regisseur Saul Bass mit ihrem künstlerisch angehauchten Bilderreigen und den verblüffenden Realaufnahmen verschiedener Ameisenkolonien nicht schlecht, doch bindet die Geschichte die Zuschauer nicht ein und arbeitet auf eine Auflösung hin, die denkwürdiger anmutet, als es das voran Gezeigte rechtfertigen würde.