IF: Imaginäre Freunde [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 15. Mai 2024
Genre: Fantasy / Komödie / DramaOriginaltitel: IF
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: John Krasinski
Musik: Michael Giacchino
Besetzung: Cailey Fleming, Ryan Reynolds, John Krasinski, Fiona Shaw, Alan Kim, Liza Colón-Zayas, Bobby Moynihan
Stimmen: Steve Carell (Rick Kavanian), Phoebe Waller-Bridge (Christiane Paul), Louis Gossett Jr., Emily Blunt (Lina Larissa Strahl), Matt Damon, Maya Rudolph, Jon Stewart, Sam Rockwell (herrH)
Kurzinhalt:
Selbst wenn sie es sich nicht eingesteht, als die 12jährige Bea (Cailey Fleming) für eine längere Zeit ihre Großmutter (Fiona Shaw) in New York besucht, kommen schmerzhafte Erinnerungen in ihr hoch. Immerhin liegt ihr Vater (John Krasinski) im Krankenhaus und wartet auf eine Operation, die nicht so harmlos ist, wie er ihr in seiner aufmunternden Art versucht, weiszumachen. Es ist nicht lange her, als Bea ihre Mutter verlor und doch, so sagt sie, ist sie nun kein Kind mehr. Eines abends, als sie versucht, einen Camcorder in Betrieb zu nehmen, auf dem Aufnahmen aus einer schöneren Zeit enthalten sind, sieht Bea ein seltsames Wesen, das in das Haus schlüpft, in dem ihre Großmutter wohnt. Sie folgt dem zweibeinigen Wesen, das auch zwei Fühler am Kopf hat, in die oberste Wohnung des Hauses, wo sie auf Calvin (Ryan Reynolds) trifft. Der sagt, er könne sich an Bea erinnern und stellt ihr neben Blossom (Phoebe Waller-Bridge / Christiane Paul), die Bea schon gesehen hat, auch den knuffigen, riesigen Blue (Steve Carell / Rick Kavanian) vor – beides sind keine Menschen, sondern Fantasiewesen, imaginäre Freunde, genannt IFs. Calvin kann IFs ebenso sehen wie Bea und hat es sich zum Ziel gemacht, die gutherzigen IFs, deren Kinder sie nicht mehr brauchen, an neue Kinder zu vermitteln. Das war bislang nicht von Erfolg gekrönt, aber gerade Bea könnte der Schlüssel sein, dass die IF-Partnervermittlung vorankommt …
Kritik:
Filmemacher John Krasinski beweist mit seinem warmherzigen Märchen IF: Imaginäre Freunde nicht nur Feingefühl dabei, die Ängste und Emotionen seines Publikums ernst zu nehmen, sondern auch einen Fantasiereichtum, der einen inmitten der Geschichte in eine ganz andere Welt entführt. Aber trotz der fantastischen Darbietung der jungen Cailey Fleming und eines Ryan Reynolds in bester Spiellaune, bleibt am Ende die Frage, ob Jung und Junggeblieben, die hier angesprochen werden, von der einfallsreichen Geschichte gleichermaßen mitgenommen werden.
In deren Zentrum steht die 12jährige Bea, die ihre Großmutter in New York besucht, da ihr Vater im Krankenhaus einen „unkomplizierten“ (wie er selbst sagt) Eingriff am Herzen vornehmen lassen muss. Dass Bea ihre Mutter vor nicht allzu lange Zeit verloren hat, deuten Aufnahmen, die während des Vorspanns gezeigt werden, bereits an und so ist es nur verständlich, dass ihr Vater darum bemüht ist, Bea, wann immer sie ihn im Krankenhaus besucht, zum Lachen zu bringen. Doch Bea weiß um den Ernst der Situation. Sie sei kein Kind mehr, betont sie, sowohl gegenüber ihrem Vater als auch gegenüber ihrer Großmutter. Eines abends sieht Bea in dem Haus, in dem ihre Großmutter wohnt, ein seltsames Wesen, das in einer Wohnung im obersten Stockwerk verschwindet. Bea geht ihm nach und trifft auf Calvin, der sich mit eben diesem Wesen unterhält, das Blossom heißt und aussieht, wie eine zum Leben erweckte Animationsfigur. Blossom ist, ebenso wie der übergroße, knuddelige Blue, ein IF, ein imaginärer Freund. Wie Calvin kann auch Bea die IFs nicht nur sehen, sondern sich mit ihnen unterhalten. Da die IFs, wenn ihre Kinder größer werden und sie nicht mehr brauchen, einfach verschwinden, hat Calvin ein Projekt ins Leben gerufen, eine Partnervermittlung, die IFs mit neuen Kindern zusammenbringen soll. Da das Vorhaben nicht wirklich vom Fleck kommt, setzen die IFs ihre Hoffnung in Bea.
So führt Calvin Bea an den Ort, wo die IFs leben und darauf warten, vermittelt zu werden. Es ist ein alter, verlassener Vergnügungspark auf Coney Island, in dem Bea nicht nur alle möglichen IFs entdeckt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Es ist vielmehr ein Ort, an dem ihre Fantasie buchstäblich zum Leben erweckt wird. So putzig wie vertraut Blossom und Blue zu Beginn aussehen, entdeckt Bea, dass sie die Zuflucht der IFs mit ihrer Vorstellungskraft gestalten kann, entfaltet IF eine Magie, die nicht nur in Anbetracht der farbenfreudigen, einfallsreichen Umsetzung an Mary Poppins [1964] erinnert. Es ist eine Sequenz, die einem hinsichtlich ihrer Lebendigkeit und Dynamik ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Zu sehen, wie Bea aufblüht, wie Calvin dieses Mädchen, deren Sorgen und Ängste ein erwachsenes Publikum vermutlich eher nachempfinden kann, als Kinder, zum Lachen bringt und das in der Vermittlung der IFs eine Aufgabe findet, die sie ablenkt, ist herzerwärmend.
Regisseur John Krasinski entfaltet in diesen Momenten einen Zauber, den IF weder davor, noch danach noch einmal erreicht. Das bedeutet nicht, dass sein Märchen nicht auch am Ende berührend erzählt wäre, doch bleibt die Geschichte ebenso hinter dem Potential zurück, das sie selbst verheißt, wie ihre emotionale Wirkung. Vor allem drängt sich die Frage auf, an welches Publikum sich sein Fantasyfilm richten soll. Denn während ein junges Publikum zu Beginn durchaus fasziniert zusieht und auch im Mittelteil dank des leichtfüßigen, eingängigen Humors unterhalten wird, richtet sich die hintersinnige Aussage des letzten Drittels eindeutig an ältere Zuseherinnen und Zuseher. Anstatt mehr IFs einzubinden, eine Story zu erzählen, in der ihre lustigen Eigenarten vollends zum Tragen kommen, beschränkt sich das Drehbuch abseits einer langen Casting-Sequenz, die auch in der Filmvorschau enthalten ist und durchaus für Erheiterung sorgt, auf die zwei eingangs erwähnten Fantasiewesen. Die sind durchaus gelungen, aber wie ihre jeweilige Reise zum Ende gebracht wird, richtet sich in der Aussage ebenfalls an ein älteres Publikum.
Ob Kinder von der zweiten Filmhälfte mitgerissen werden, ist daher durchaus zu bezweifeln. Ebenso, ob die existenziellen Ängste, die IF: Imaginäre Freunde aufgreift, für ein ganz junges Publikum in der Form tatsächlich geeignet sind und verstanden werden können. Dabei beweist der Filmemacher gerade, wenn es um Angst und Traurigkeit geht, die Kinder verspüren, viel Feingefühl – wenigstens, soweit er dies Erwachsenen begreiflichen macht. Es ist durchaus möglich, dass dieser Kritiker in seiner Einschätzung, insbesondere in Anbetracht der unterschiedlichen, emotionalen Reife eines jeden Kindes, vollkommen falsch liegt. In der besuchten Vorführung war jedoch nur im Mittelteil Kinderlachen zu hören, während diese zum Ende merklich in den Sitzen hin und her rutschten, anstatt ihre Blicke nicht von der Leinwand nehmen zu können.
Dass IF ein Film ist, den Kinder wie Erwachsene unterschiedlich wahrnehmen, ist keine Überraschung und auch kein Kritikpunkt. Aber während es anderen, auch emotionalen Familienfilmen durchaus gelingt, beide bis zum Ende hin zu fesseln, richtet sich die Auflösung und der Appell, den Krasinski spürbar verpackt, eher an die Eltern, denn ihre Kinder. Das macht es schwer, sein fantasievolles Fantasymärchen als Film für die ganze Familie zu empfehlen. Dass manche Aspekte der Geschichte keinen großen Sinn ergeben, wenn man bedenkt, dass sie aus Beas Sicht erzählt wird, verzeiht man auch dank des ungemein putzigen Looks der imaginären Freunde hingegen gern.
Fazit:
Filmemacher John Krasinski führt seine Erzählung von unheimlichen Szenen bis hin zu magischen Filmmomenten, die ungemein berühren. In der Hauptrolle zeigt Cailey Fleming eine Bandbreite, von freudestrahlend bis hin zu tieftraurig, die unter die Haut geht und dass ihr Ryan Reynolds den Platz gibt, sich zu entfalten, macht seine Darbietung nur umso gelungener. Die eigentliche Auflösung wird ein erwachsenes Publikum kaum überraschen, aber es ist nichtsdestotrotz eine schöne Aussage, die dem Fantasymärchen eine tiefergehende Bedeutung verleiht. Doch während der Mittelteil mit seinem leichten Humor für Kinder zugänglich ist, richten sich Anfang und Schluss eher an Erwachsene. IF: Imaginäre Freunde, so scheint es, soll Kindern die Angst, insbesondere vor dem Aufwachsen und was damit einhergehen kann, nehmen, während die Geschichte ihre Eltern daran erinnern möchte, welche Stärke sie aus ihrem inneren Kind ziehen können. So bezaubernd die Botschaft, sie richtet sich eher an ein erwachsenes Publikum, das die emotional bewegenden Momente auch entsprechend wahrnehmen wird. Vielleicht kommt Calvins Aufmunterung, dass Bea nie wirklich allein ist, auch schlicht zu früh, um Kindern in Erinnerung zu bleiben.