Der Rosengarten von Madame Vernet [2020]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Dezember 2021
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: La Fine Fleur
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: Frankreich
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Pierre Pinaud
Musik: Mathieu Lamboley
Besetzung: Catherine Frot, Melan Omerta, Olivia Côte, Fatsah Bouyahmed, Marie Petiot, Vincent Dedienne, Serpentine Teyssier, Pasquale d’Inca, Olivier Breitman, Christophe Gendreau, Charline Paul


Kurzinhalt:

Nach dem Tod ihres Vaters hatte Ève Vernet (Catherine Frot) die renommierte Rosenzucht allein übernommen. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Véra (Olivia Côte) versucht sie ihr Möglichstes, der übermächtigen, großindustriellen Konkurrenz in Form des Unternehmers Lamarzelle (Vincent Dedienne) entgegen zu treten. Aber nachdem sie auch dieses Jahr keinen Preis für ihre Zucht gewinnen konnte, sieht die Zukunft düster aus. Die erforderlichen Saisonkräfte kann sie sich nicht leisten, weshalb Véra drei Aushilfen aus einem Resozialisierungsprogramm anfordert. Für die straffällig gewordenen Nadège (Marie Petiot), Samir (Fatsah Bouyahmed) und Fred (Melan Omerta) ist die Arbeit ein Schritt auf dem Weg zurück in ein geregeltes Leben. Wenig später ist auf Grund einer fehlerhaften Bedienung ein ganzes Gewächshaus an Rosen zerstört und so kommt Ève auf die Idee, sich die Expertise ihrer neuen Mitarbeiter zunutze zu machen. Denn Lamarzelle hortet unter anderem eine seltene Rose, die sie für die Zucht benötigt. Nur will er sie nicht herausgeben und so plant Madame Vernet mit ihren drei Helfern, die Rose zu stehlen, was sie stärker zusammenschweißt, als sie vermutet hätten …


Kritik:
Pierre Pinauds Der Rosengarten von Madame Vernet fühlt sich in vielerlei Hinsicht persönlicher an, als man erwarten würde. In seiner warmherzigen Komödie stellt der Filmemacher mehrere Figuren vor, die für sich genommen regelrecht einsam sind. Es dauert lange, ehe sie bemerken, wie gut sie miteinander harmonieren und zuzusehen, wie diese Verbindung entsteht, macht den Reiz des Films aus. Dies und die farbenfrohe Inszenierung, bei der man den Duft der „Königin der Blumen“ beinahe erschnuppern kann.

Dabei gibt es im Grunde nur zwei Kritikpunkte an der Erzählung. Der eine ist, dass man über die Titel gebende Blume kaum etwas erfährt. Der andere, dass von den wenigen zentralen Figuren nur zwei näher beleuchtet werden. Im Zentrum der Geschichte steht Ève Vernet, Rosenzüchterin in zweiter Generation. Den Betrieb hat sie von ihrem vor 15 Jahren verstorbenen Vater geerbt, mit dem sie lange zusammengearbeitet hatte. Der Name Vernet ist in der Branche bekannt, selbst wenn der Ruhm früherer Tage vergangen ist. Bei einer prestigeträchtigen Ausstellung zu Beginn kann sich Ève mit ihrer Mitarbeiterin Véra nicht einmal einen Stand leisten. Da sie nur eine neue Züchtung vorweisen kann, stehen die Chancen auf den ersten Platz ohnehin gering, der zum achten Mal in Folge an das Haus Lamarzelle geht. Der junge Geschäftsmann, der ein wahres Rosenimperium aufgebaut hat, ist daran interessiert, Madame Vernet in sein Unternehmen zu holen und von ihrer Expertise zu profitieren.

Da sich Ève die für die Rosenzucht erforderlichen Saisonkräfte nicht leisten kann, kommt Véra auf eine ungewöhnliche Idee. Sie meldet den Betrieb bei einem Resozialisierungsprogramm an und so stehen eines Morgens der junge Fred, die schüchterne Nadège und der 50jährige Samir vor der Tür. Solange sie sich nichts zu Schulden kommen lassen und mitarbeiten, müssen sie nicht zurück ins Gefängnis. Es ist eine ungewöhnliche Truppe, mit der Ève nicht glücklich ist – bis sie auf die Idee kommt dass die drei bei Lamarzelle einbrechen und für sie eine Rose stehlen könnten, die sie für die Zucht benötigt. Denn entgegen der Gepflogenheiten teilt Lamarzelle die seltenen Exemplare, die er ansammelt, nicht mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Aber auch wenn der Einbruch, der tatsächlich ausgeführt wird, bei Der Rosengarten von Madame Vernet einen gewissen Teil der Laufzeit in Anspruch nimmt, darauf liegt nicht das Hauptaugenmerk. Die Geschichte deckt in etwa ein Jahr ab und zeigt, wie die drei verschiedenen Charaktere auf dem Weg zurück in die breite Gesellschaft mit anpacken, während Ève fest entschlossen ist, den Betrieb ihres Vaters zu erhalten und sich bis zur kommenden Saison zu retten. Selbst, wenn sie dafür ihr privates Hab und Gut veräußern muss.

Dabei lernt sie den jungen Fred näher kennen, der als Jugendlicher seinen Eltern aus Fürsorgegründen weggenommen worden war, und nun, knapp zehn Jahre später, bemüht ist, Kontakt mit ihnen herzustellen. Doch seine Eltern wollen nichts mit ihm zu tun haben. Dabei hat Fred, wie Ève feststellt, ein außergewöhnliches Talent. Warum sein Talent für den Weg, auf den Ève den jungen Mann bringen möchte, so entscheidend ist, verschweigt Der Rosengarten von Madame Vernet jedoch. Überhaupt erfährt man ungewöhnlich wenig über die Rosen im Allgemeinen, oder die Zucht derselben im Speziellen. Auch wenn ihre drei Hilfskräfte Ève bei einer manuellen Kreuzung über die Schulter schauen dürfen, das Publikum sieht davon nur wenig und selbst wenn man damit kaum etwas würde anzufangen wissen, interessant wären solche Einblicke dennoch.
Auch bei den Figuren. Während Madame Vernet und Fred näher vorgestellt werden, ihr Werdegang beleuchtet wird und ein Gefühl dafür entsteht, weshalb sie sind, wer sie sind, weiß man am Ende über Nadège und Samir, dass erstere sehr emotional und nah am Wasser gebaut, letzterer darum bemüht ist, sich ein geordnetes Leben aufzubauen. Was sie jedoch dorthin gebracht hat, dass sie Teil des Resozialisierungsprogramms wurden, darüber schweigt sich die Erzählung aus.

Dabei wäre es auf diesem Weg recht einfach möglich gewesen, der Geschichte weitere relevante Facetten zu verleihen Denn was Pinaud über seine Titelfigur zu sagen hat, die Pfeife rauchend abends am Schreibtisch sitzt, Fachbücher vor sich und Notizen machend, die ihr Leben der Arbeit gewidmet hat, oder über Fred, der damit umgehen lernen muss, dass er bei seiner eigenen Familie unerwünscht ist und dies nichts mit ihm zu tun hat, ist durchaus hörenswert und wichtig. Es verbergen sich bei Der Rosengarten von Madame Vernet starke Momente, wenn sich die so unterschiedlichen Charaktere einander annähern und zusammenarbeiten, so dass man es ihnen schlicht gönnt, dass sie alle Widrigkeiten überwinden und erfolgreich sind. Gerade im letzten Drittel entwickelt die Geschichte dadurch bedeutend mehr Herz, als man anfangs vermuten würde.


Fazit:
So amüsant es anfangs (insbesondere, wenn darauf ein Einbruch folgt) ist, zuzusehen, wie Madame Vernet, wenig begeistert, ihre drei neuen Unterstützungskräfte begrüßt und diese es reichlich schwer haben, in der Rosenzucht eine erfüllende Beschäftigung zu sehen, erst ab der Hälfte beginnt die Geschichte, die Figuren zu vertiefen und ihnen einen Hintergrund zu verleihen. Allen voran Ève und Fred. Gerade hier macht Filmemacher Pierre Pinaud feine Beobachtungen, was Menschen bereit sind, für einen Traum, für ein Versprechen oder das Bewahren eines Andenkens zu tun. Handwerklich ist dies tadellos eingefangen, in teils malerischen Bildern und Farben, mit gelungenen Schattierungen von allen Beteiligten gespielt. Zu beobachten, wie sich zwischen ihnen sanfte Bande entwickeln, trotz Èves reserviertem Auftreten, ist lehrreich, obwohl bedauerlicherweise nicht alle Charaktere beleuchtet werden. Selbst wenn Der Rosengarten von Madame Vernet keine Komödie sein mag, bei der man bis zum Abspann aus dem Lachen kaum herauskommt, sie erzählt eine Geschichte, bei der man über weite Strecken ein Lächeln auf den Lippen trägt. Einfach, weil sie gefühlvoll und schön dargebracht ist.


Der Rosengarten von Madame Vernet-Packshot Der Rosengarten von Madame Vernet ist ab
10. Januar 2022 digital und ab
20. Januar 2022 auf DVD im Verleih von
Neue Visionen Filmverleih erhältlich!
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Neue Visionen Filmverleih.
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