Unser Planet [2019]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. August 2020
Genre: Dokumentation

Originaltitel: Our Planet
Laufzeit: 403 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Adam Chapman, Hugh Pearson, Huw Cordey, Sophie Lanfear, Mandi Stark, Jeff Wilson
Musik: Steven Price
Erzähler: David Attenborough (Englische Fassung), Christian Brückner (Deutsche Fassung)


Hintergrund:

Nach zahlreichen Dokumentationen und Dokumentationsreihen, unter anderem für die BBC, macht sich Produzent Alastair Fothergill auf, verschiedenste Lebensräume und die in ihnen lebenden Tiere und Pflanzen auf dem Planeten zu beleuchten. Die Dreharbeiten fanden überall auf der Erde und über einen Zeitraum von vier Jahren statt, in denen sich insgesamt 600 an der Produktion Beteiligte anschickten, nie dagewesene Aufnahmen einzufangen. Aufgeteilt in acht Episoden, die sich jeweils eigenen Themenbereichen widmen, wird so die unermessliche Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt auf unserem Planeten gezeigt. Unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes stellen die Macher dabei heraus, wie zerbrechlich diese Schönheit gerade heute ist …


Kritik:
Die Netflix-Reihe Unser Planet ist die vermutlich schönste, traurige Dokumentation, die es von den Machern um Alastair Fothergill (Planet Erde [2006], Frozen Planet - Eisige Welten [2011-2012]) bislang gab. Denn so wundersam und atemberaubend die Vielfältigkeit der Natur ist, die hier gezeigt wird, die Macher werden richtigerweise nicht müde zu betonen, wie viel davon kurz vor der endgültigen Vernichtung steht, bzw. wie vieles bereits verloren ist. Anstatt passiv zu berichten, nimmt die Dokumentation eine mahnende Haltung ein, die nicht jedem Publikum gefallen wird. Wichtig ist es allemal.

Unterteilt in acht Episoden, stellt Unser Planet im ersten Teil die Vielfalt der Erde im Allgemeinen dar, ehe sich die kommenden Folgen einzelnen Aspekten wie dem Dschungel, Küsten, Hochsee oder Wäldern widmen. Insgesamt sind Aufnahmen aus 50 Ländern zu sehen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Von Polargebieten bis hin zu Gras- und Wüstenwelten ist alles vertreten. Dabei gelangen den Machern in der vierjährigen Drehzeit Aufnahmen, die es entweder so noch nicht zu sehen gab, oder die Verhaltensweisen der Tier- und Pflanzenwelt zeigen, die bislang nicht dokumentiert waren. Sowohl hinsichtlich des Abwechslungsreichtums als auch der schieren Qualität der Aufnahmen, kommt man hier aus dem Staunen oftmals nicht heraus.
Doch es gibt auch Abschnitte, die jedes empfindungsfähige Wesen gleichermaßen aus Traurigkeit und Scham zu Tränen rühren werden. Zu sehen, wie unzählige Walrösser einen qualvollen Tod finden, an unmögliche Orte getrieben durch die Folgen des menschengemachten Klimawandels, ist nicht nur schockierend und grausam, es sind Eindrücke, bei denen etwas beim Publikum zerbricht. Die von vielen Dokumentarfilmern praktizierte Distanziertheit gegenüber den beobachteten Objekten, entfällt hier. Unser Planet nimmt das Publikum nicht nur mit auf eine Reise, sondern gewissermaßen in die Verantwortung. So richtig das ist, es ist oftmals unangenehm.

Dabei beschränkt sich die Dokumentation nicht notwendigerweise auf ein Land pro Episode, oder eine bestimmte Tierart. Thematisch sortiert, stellt Unser Planet eine Reise rund um den Globus dar und rückt die Lebensräume an sich von Tieren und Pflanzen in den Mittelpunkt. Darüber hinaus zeigen die Macher bewusst die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Spezies oder Tieren und Pflanzen, die überall auf der Welt in einer geradezu zerbrechlichen Balance existieren. Wird hierbei nur ein Element verändert, die Nahrungskette beispielsweise unterbrochen, geraten die Zusammenhänge aus dem Gleichgewicht. Die Auswirkungen sind verheerend für die Artenvielfalt des Planeten – oder mit direkten Konsequenzen für den Mensch. Diese Verbindungen herzustellen, gelingt der Dokumentation außergewöhnlich gut, ohne dabei belehrend zu erscheinen. Dass es dem Erzähler im englischen Original, David Attenborough, mit damals bereits 92 Jahren gelingt, die Bilder mit ebenso ruhigen wie neugierig begeisterten Worten zu begleiten, um doch stellenweise melancholisch Zuschauerinnen und Zuschauer zum Nachdenken anzuregen, trägt ungemein zur Stimmung der Reihe bei.

Ebenso die Musik, die stets präsent, aber nie aufdringlich ist, und die Atmosphäre der einzelnen Abschnitte perfekt einfängt. Eindrücke, die dank der facettenreichen Kameraarbeit erscheinen, als wäre man unmittelbar selbst vor Ort, oder unvorstellbar seltene Aufnahmen von so raren Tieren wie den Sibirischen Tigern, zaubern einem über weite Strecken ein Lächeln ins Gesicht in Anbetracht der Wunder und der Schönheit der Natur. Dass dies stets mit der Anmerkung einhergeht, wie viel der Schönheit bereits vergangen ist, wie offenkundig und zerstörerisch der Einfluss des Menschen an vielen Orten ist, schmälert nicht die Begeisterung am Zusehen, aber die Freude. Umso wichtiger, dass Unser Planet auch die Erfolge herausstellt, in den Bestrebungen, die Natur zu erhalten oder den entstandenen Schaden zu reparieren. Die Macher finden hier einen Ausgleich, der nicht nur wichtig ist, sondern auch Hoffnung macht. Was mehr kann man sich von einer Naturdokumentation gerade heute erhoffen?


Fazit:
Dass die einzelnen acht Episoden nicht jeweils bestimmte Länder oder Kontinente beleuchten, macht es leider ein wenig schwerer, sich in bestimmte Landschaften zu verlieben. Doch ermöglicht die thematische Unterteilung in einzelne Habitate der Tier- und Pflanzenwelt, die Vielseitigkeit der unterschiedlichen Orte trotz thematisch verwandter Inhalte aufzuzeigen. Die Filmemacherinnen und Filmemacher um Produzent Alastair Fothergill können so die unterschiedlichen Variationen derselben Lebensräume interessant aufbereiten. So vergehen die einzelnen Teile unvorstellbar schnell und trotz der nachdenklich stimmenden Mahnungen beruhigen die allermeisten Eindrücke, die hier zu sehen sind. Mit seltenen Aufnahmen, nie so zuvor gefilmten Tieren und Naturschauspielen, versetzt Unser Planet das Publikum regelmäßig ins Staunen – und das in einer optischen Brillanz, die ihresgleichen sucht. Aber nur, wenn es den Beteiligten gelingt, die Zuschauerinnen und Zuschauer für die Fülle an Leben und Verschiedenheit dieser Welt zu begeistern, können sie auch die Überzeugung wecken, dass man alles dafür tun muss, sie zu erhalten. In der heutigen Gesellschaft polarisiert dieses Thema mehr, denn je zuvor. Dabei sollte die Notwendigkeit des Erhalts dieser Lebensräume ein Anliegen von jeder und jedem einzelnen sein – denn ohne den Erhalt der Natur, kann es auch keine Dokumentationen wie diese geben.