Die Stunde der Patrioten [1992]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 29. Januar 2020
Genre: Thriller

Originaltitel: Patriot Games
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1992
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Phillip Noyce
Musik: James Horner
Besetzung: Harrison Ford, Anne Archer, Sean Bean, Patrick Bergin, Thora Birch, James Fox, Samuel L. Jackson, Polly Walker, J.E. Freeman, James Earl Jones, Richard Harris


Kurzinhalt:

Früher für den Geheimdienst tätig, hat der Analyst Jack Ryan (Harrison Ford) die CIA inzwischen verlassen und unterrichtet als Professor an der Akademie. Zusammen mit seiner Frau Cathy (Anne Archer) und seiner Tochter Sally (Thora Birch) befindet er sich in London, als ein Attentat auf den Nordirland-Minister Lord Holmes (James Fox) verübt wird. Die Splittergruppe der IRA wird von Kevin O’Donnell (Patrick Bergin) angeführt, doch Ryan vereitelt den Anschlag und tötet dabei den Bruder des ebenfalls beteiligten Kämpfers Sean Miller (Sean Bean). Der ist von dem Gedanken an Rache besessen und als O’Donnell ihn aus der Haft befreit, sieht Miller die Möglichkeit gekommen, Ryan in die USA nachzureisen und ihm das Wichtigste im Leben zu nehmen – so wie Ryan ihm das Wichtigste genommen hat …


Kritik:
Nach Jagd auf Roter Oktober [1990] kehrt Tom Clancys Romanfigur Jack Ryan in seinem zweiten Leinwandabenteuer zurück. Da in Die Stunde der Patrioten statt Hauptdarsteller Alec Baldwin nun Harrison Ford in die Rolle des CIA-Agenten schlüpft, wirkt der ebenfalls damit einhergehende, atmosphärische Unterschied zum Vorgänger nicht zu abrupt. Merklich ernster erzählt, ist Phillip Noyces Fortsetzung weniger Agentenfilm und mehr Thriller mit einem zeitgemäßen Thema und einer tadellos Umsetzung.

Wäre es nicht um James Earl Jones, der in ebenso kurzen wie prägnanten Auftritten erneut Ryans ehemaligen Vorgesetzten Admiral Greer spielt, könnte man gar glauben, dies wäre ein vollständiger Neubeginn um die Hauptfigur. Ford verkörpert eine ruhigere, gesetztere Version des Analytikers, der seine Tätigkeit beim Geheimdienst inzwischen beendet hat, um als Professor zu unterrichten. Diesbezüglich in London, wird er mit seiner Familie Zeuge, wie mehrere Autos eine gepanzerte Limousine der königlichen Familie einkesseln und angreifen. Ryan mischt sich in das Feuergefecht ein und kann die geplante Entführung von Lord Holmes verhindern, wobei er einen der Angreifer in Notwehr tötet. Der gehörte wie dessen Bruder Sean Miller einer radikalen Splittergruppe der irischen Untergrundorganisation IRA an. Sean sinnt auf Rache und trägt den Kampf zu Ryan und seiner Familie in die Vereinigten Staaten.

Anders als im vorigen Film – oder beinahe allen heutigen Agenten-Thrillern – geht es in Die Stunde der Patrioten nicht um die Rettung der ganzen Welt. Doch geraten Ryans Frau Cathy und seine Tochter Sally ins Visier des skrupellosen und gewaltbereiten Miller, könnte für ihn nicht mehr auf dem Spiel stehen. Sieht man die Wut und die Verzweiflung in Harrison Fords Augen, wenn er seine Familie nicht beschützen kann, dann könnte das kaum greifbarer sein. Dabei überrascht aus heutiger Sicht umso mehr, dass Ryan kein wirklicher Superheld ist. Er zögert, ehe er sich entschließt, bei dem Angriff auf die Königsfamilie aktiv zu werden. Auch wird er bei dem Angriff verletzt und sieht er sich später erneut den Angreifern gegenüber, zieht er sich zurück, anstatt selbst die Initiative zu ergreifen. Man kann Fords Ryan förmlich ansehen, dass er diesen körperlichen Kampfeinsatz nicht gewohnt ist. Umso beeindruckender ist es, ihn beim Denken zu beobachten, wenn er sich wieder der CIA anschließt und zusammen mit einem Team versucht, Sean Millers Bewegungen nachzuvollziehen, nachdem er bei einem Gefangenentransport in Großbritannien entkommen war. Der Abschnitt, in dem Jack Ryan und die übrigen CIA-Agenten in Kleinarbeit Satellitenbilder auswerten, Namenslisten vergleichen und Fotoaufnahmen auswerten, ist an sich das, was Agentengeschichten auszeichnet. Und doch, hat Ryan den Mann, der seine Familie angegriffen hat, gefunden und wird er hinzugezogen, den Einsatz eines taktischen Einsatzteams an Monitoren zu verfolgen, die Miller und seine Mitstreiter zur Strecke bringen sollen, dann lässt Harrison Fords Blick erkennen, wie schwer das Wissen an ihm nagt, für den Tod von Menschen verantwortlich zu sein, die er nie gesehen hat, sondern deren Wärmebilder er nur auf der Videoleinwand beobachtet.

Die Stunde der Patrioten ist in dieser Beziehung ein überraschend zurückhaltender Film, der nicht die Überlegenheit eines riesigen Militärapparates zelebriert und auch nicht auf Action-Momente ausgelegt ist – der Angriff des Einsatzteams in Nordafrika wird deshalb auch ausschließlich aus Ryans Beobachtungen des Video-Feeds gezeigt. Dafür nimmt sich Noyce bewusst Zeit, spannende Situationen aufzubauen. Einer der Höhepunkte ist der abgesprochene Angriff auf die Familie Ryan, der meisterhaft zusammengestellt ist. Auch das Finale, das zum größten Teil im Dunkeln spielt, ist erstklassig geschnitten und ebenso fantastisch gefilmt. Dazwischen nimmt sich das Drehbuch viel Zeit, die Zusammenhänge im Hintergrund zu schildern, wie es der Splittergruppe der IRA überhaupt gelang, den Angriff auf die Königsfamilie zu planen, und wie sich diese Gruppe überhaupt radikalisiert. Womit sich die Macher jedoch nicht beschäftigen und was den Film aus heutiger Sicht schwerer zugänglich macht, sind die Hintergründe des Nordirlandkonflikts im Allgemeinen. Wer sich nicht mit den Zusammenhängen der IRA und der Sinn Féin-Partei generell oder dem Ansinnen, der Gewaltbereitschaft oder der Feindschaft der IRA-Kämpfer gegenüber den Engländern und der Monarchie im Speziellen auskennt, der dürfte die Story als zu wenig gehaltvoll missverstehen. Als Zeitzeugnis jedoch, ist dies ein erstklassig gemachter und damals durchaus aktueller Thriller, der der Figur Jack Ryan bedeutend mehr Tiefe verleiht.


Fazit:
Auch wenn man Jagd auf Roter Oktober nicht zwangsläufig gesehen haben muss, um die Figur des Analysten Jack Ryan verstehen zu können, er verdeutlicht den Werdegang des ehemaligen (und künftigen) CIA-Agenten. Im Grunde besteht Die Stunde der Patrioten auch für sich allein. Die Geschichte ist dabei packend erzählt und behutsam aufgebaut. Als Thriller mag er inhaltlich nicht so komplex wie der Vorgänger sein, dafür ist er ungeachtet des ernsteren Tons zugänglicher erzählt. Von allen Beteiligten, allen voran Harrison Ford, Anne Archer und auch Sean Bean toll gespielt, enttäuscht wenn, dann nur das Finale, bei dem der Schurke zu sehr in Klischees verfällt. Davon abgesehen, ist dies nach wie vor ein beinahe zeitlos umgesetztes Agentenabenteuer, das feinere Zwischentöne bezüglich der modernen Kriegsführung und der Macht der Daten hierfür bereithält, als man damals vielleicht gesehen hat. Klasse!