Jagd auf Roter Oktober [1990]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 30. Dezember 2019
Genre: Thriller

Originaltitel: The Hunt for Red October
Laufzeit: 135 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1990
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: John McTiernan
Musik: Basil Poledouris
Besetzung: Sean Connery, Alec Baldwin, Scott Glenn, Sam Neill, James Earl Jones, Joss Ackland, Richard Jordan, Peter Firth, Tim Curry, Courtney B. Vance, Stellan Skarsgård


Kurzinhalt:

November, 1984. Kurz nachdem der hochdekorierte, sowjetische Kapitän Marko Ramius (Sean Connery) mit dem neuen Prototyp eines stark bewaffneten Kampf-U­‑Bootes ausgelaufen ist, tritt CIA-Analytiker Jack Ryan (Alec Baldwin) an Admiral Greer (James Earl Jones) heran. Ryan vermutet, dass das U­‑Boot über einen neuartigen Antrieb verfügt, der eine Ortung unmöglich macht. Als Ramius’ U‑Boot vom Radar verschwindet und daraufhin ein riesiger Kampfverband der sowjetischen Armee mobilisiert wird, befürchtet das US-Militär einen bevorstehenden Angriff. Ryan allerdings vertritt die Auffassung, dass Ramius überlaufen möchte. Ihm werden wenige Tage eingeräumt, seine Theorie zu beweisen, während die sowjetische Botschaft den US-Präsidenten offiziell um Hilfe bittet, Ramius aufzuspüren und das U­‑Boot zu zerstören. Der soll eigenmächtig einen Angriff auf amerikanisches Gebiet planen. Ryan, der mit seiner Theorie nicht nur bei Kapitän Mancuso (Scott Glenn) auf Widerstand stößt, läuft die Zeit davon …


Kritik:
Mit Jagd auf Roter Oktober feiert Tom Clancys Romanheld Jack Ryan nur sechs Jahre nach Veröffentlichung der gleichnamigen Vorlage seinen Einstand auf der großen Leinwand. Verkörpert von Alec Baldwin, beobachtet der CIA-Analytiker, wie sich zum Höhepunkt des Kalten Krieges ein gefeierter, sowjetischer U­‑Boot-Kapitän auf eine scheinbar nicht autorisierte Mission begibt. Veröffentlicht kurz nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, überzeugt der Spionage-Thriller durch eine clevere Story, seine dichte Atmosphäre und einen damals wie heute überaus seltenen Fokus auf dem vermeintlichen Feind.

Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, Ryan selbst ist nur eine Nebenfigur in seiner eigenen Geschichte. Die Hauptrolle übernimmt Sean Connery, der den sowjetischen Kapitän Marko Ramius eingangs mit einer Unvorhersehbarkeit zum Leben erweckt, dass seine tatsächlichen Absichten lange Zeit nicht deutlich werden. Er kommandiert ein neuartiges U­‑Boot, das über einen nahezu geräuschlosen Antrieb verfügt. Als er sich damit auf den Weg vor die amerikanische Küste begibt, macht sich sowohl die US-amerikanische Flotte auf die Suche nach ihm, aber auch die sowjetischen Streitkräfte sind darum bemüht, Ramius zu finden. Einzig Analyst Ryan ist davon überzeugt, dass Ramius keinen Angriff plant, sondern überlaufen möchte.
Entgegen dessen, was das Publikum gemeinhin von Agentenfilmen gewohnt ist, ist Jagd auf Roter Oktober kein Action-Thriller. Vielmehr konzentriert sich Regisseur John McTiernan (Stirb langsam [1988]) auf die politischen Schachspiele im Hintergrund und die taktischen Überlegungen der Militärs.

Dabei gelingt es dem Filmemacher überraschend greifbar, die verzwickte Situation sowohl der amerikanischen Streitkräfte als auch von Ramius selbst herauszuarbeiten. Nicht nur, dass eine unkalkulierbare Gefahr von dem U­‑Boot-Prototyp ausgeht, wenn Ryan mit seiner Vermutung Recht behält, wäre es der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wegen trotzdem nicht möglich, Ramius und ggf. seine Crew aufzunehmen. Der auf der anderen Seite kann die amerikanischen Befehlshaber nicht über seine Absichten informieren und ist insofern darauf angewiesen, vorsichtig taktisch vorzugehen, für den Fall, dass er an jemanden gerät, der die Situation zu seinem eigenen (Karriere-)Vorteil nutzen möchte.
Dass Jagd auf Roter Oktober viele dieser Überlegungen nicht ausspricht, sondern sie am Rande von Dialogen dem Publikum mit auf den Weg gibt, unterstreicht, an welche Zuschauerinnen und Zuschauer sich der Thriller richtet. Gleichzeitig nimmt sich das Drehbuch die Zeit, auch Nebenfiguren wie den von Sam Neill gespielten Kapitän Borodin insoweit auszuarbeiten, dass die Motivation der Crew der „Roter Oktober“ deutlich wird und sein eigenes Schicksal interessiert.

Von Kameramann Jan de Bont insbesondere bei den U­‑Boot-Szenen beklemmend und dunkel in Szene gesetzt, zeichnet sich Jagd auf Roter Oktober gleichermaßen durch eine hervorragende Schnittarbeit aus, die damals für den Oscar nominiert wurde. Es sind viele Aspekte, die dazu beitragen, dass McTiernans Thriller einer der gelungensten Spionage-Filme jener Zeit ist. Dazu zählt auch, wie leichtfüßig der Film trotz der ernsten Thematik seine Dialoge präsentiert. Anstatt auf trockene Einzeiler zu setzen, gestalten die Macher die Gespräche auf eine pointierte Art und Weise unterhaltsam, ohne in den ernsten Momenten auf die erforderliche Ernsthaftigkeit zu verzichten. Es ist eine Balance, die Hollywood selten so gut gelungen ist, wie zu jener Zeit.
Das bedeutet nicht, dass man dem Film sein Alter nicht anmerken würde und auch der Aufbau könnte an der ein oder anderen Stelle etwas straffer sein. Als strategischer Spionage-Thriller jedoch, ist dies einer der besten des Genres. Damals so sehr wie heute.


Fazit:
Es ist ein ungewöhnlicher Ansatzpunkt, den Filmemacher John McTiernan für seinen Spionage-Thriller wählt. Großteils aus Sicht der sowjetischen U­‑Boot-Besatzung erzählt, nimmt die Perspektive der amerikanischen Streitkräfte erstaunlich wenig Platz ein. Die komplex aufgebaute Geschichte wird strukturiert vorgebracht, so dass sich ein aufmerksames Publikum darin problemlos zurechtfinden wird. Die Figuren, von einem mit einer Leichtigkeit Autorität ausstrahlenden Sean Connery angeführt, werden genügend vertieft, so dass man mit ihnen mitfiebert, wobei vor allem Alec Baldwins Herangehensweise an einen Helden wider Willen, der alltäglicher kaum sein könnte, einen greifbaren Ansatzpunkt bietet. Jagd auf Roter Oktober ist handwerklich sehenswert und mit Geschick umgesetzt, intelligent und atmosphärisch dicht, wenn auch nicht flott erzählt. Steigt das Tempo im letzten Drittel an, entwickelt die Geschichte auch ein packendes Finale. Dieses bleibt ebenso wie manch andere Momente, darunter die vielleicht beste Umsetzung des Wechsels von Untertiteln auf übersetzte Dialoge, nachhaltig in Erinnerung.